Matthias Riedl ist Internist, Diabetologe, Ernährungsmediziner und leitet das Fachzentrum Medicum in Hamburg. Im SWR1 Interview erklärt der "Ernährungsdoc", welche Volkskrankheiten sich durch Ernährungsumstellung besiegen lassen.
SWR1: Herr Dr. Riedel, wie sieht aus Ihrer Sicht das ideale Frühstück aus?
Dr. Matthias Riedl: Das ideale Frühstück sollte wenig Zucker enthalten, eigentlich gar keinen Zucker. Also eben nicht dieses herkömmliche Müsli, was man in den großen langen Regalen findet im Supermarkt. Da sind bis zu 20 Prozent Zucker drin. Wir sollten ein Müsli beispielsweise selber machen. Da sollte auch ein bisschen Eiweiß dabei sein, das kriegen wir durch Quark, Joghurt oder durch Nüsse. Denn das Eiweiß macht uns eben langfristig satt. Also Müsli selber machen, auch mit zuckerarmen Früchten. Wenn wir da viel zu viel Zucker drin haben, dann haben wir einen Blutzuckeranstieg und dann wieder den Blutzucker-Abfall. Der macht uns hibbelig.
SWR1: Viele sagen, ich will aber morgens ein Wurstbrot mit Kaffee. Was lässt sich da aus Ihrer Sicht optimieren?
Riedl: Kaffee ist kein Problem, der Kaffee ist weitestgehend rehabilitiert. Da sagen wir, der ist sogar gut für die Leber. Und bis zu fünf Tassen am Tag sind eher auch zuträglich für die Gesundheit. Bei der Wurst haben wir ein Problem, weil sie tatsächlich zu den drei "Lebensverkürzern" gehört. Wenn man davon zu viel isst und regelmäßig, dann muss man das einfach fürchten. Ich würde bei den Wurstwaren gucken: sind da Phosphate drin? Und das dann nicht kaufen. Ich würde weniger Wurst nehmen. Ich würde auch mal fragen: muss es jetzt so viel Wurst sein? Kann ich das vielleicht nicht auch durch Käse ersetzen oder durch Frischkäse? Oder kann ich auch mal ein Tomatenbrot essen? Das sind so ein paar Gemüse-Ideen.
Wir sollten auch schon in den Morgen ein bisschen Gemüse reinbringen. Das ist eine Frage der Gewöhnung. Da würde ich raten, es einfach mal auszuprobieren. Und zwar am besten gleich jetzt, morgen. Das ist immer das Allerbeste, wenn man etwas Neues einführen will. Gleich mal ausprobieren, denn von der Wurst müssen wir alle weg, weil sie tatsächlich dauerhaft und regelmäßig genossen, uns das Leben verkürzt. Das führt auch zu einer erhöhten Krebswahrscheinlichkeit.
SWR1: Wenn man mal vom Frühstück weggeht und zum Essen den ganzen Tag übergeht und gleichzeitig betrachtet, dass Bluthochdruck ja quasi eine Volkskrankheit ist, gegen die viele Menschen Tabletten einnehmen. Ist es tatsächlich so, dass man Bluthochdruck auch mit dem richtigen Essen regulieren kann?
Riedl: Unbedingt. Wahrscheinlich ist die westliche Ernährung einer der wichtigsten Gründe für den Bluthochdruck. Erstmal führt unsere westliche Ernährung zum Übergewicht. In meinem Alter mit etwa 60 sind schon 70 Prozent der Bevölkerung übergewichtig. Dieses Übergewicht fördert durch die hormonelle Umstellung dann einen erhöhten Blutdruck. Aber jetzt kommt noch dazu, und das ist richtig krass: wir haben viel zu viel Salz im Essen. Das kommt durch die Fertigprodukte. Unsere Salzaufnahme entsteht überwiegend durch Fertigprodukte. Die sind häufig versalzen, und das Salz steigert das Schlaganfall- und das Bluthochdruckrisiko. Das ist das eine.
Eine gesunde Ernährung ist reich an Gemüse und pflanzlichen Anteilen. Und die wiederum wirken direkt blutdrucksenkend, also einmal durch das Kalium darin und durch die sekundären Pflanzenstoffe. Wir haben auch viele Gemüsearten, die Nitrat enthalten, und das Nitrat wirkt direkt blutdrucksenkend. Man kann also sagen, Gemüse senkt Blutdruck so stark wie Medikamente. Das westliche Essen bringt uns tatsächlich dem Grab näher. Das ist tatsächlich gut bewiesen. Da hat man eine Studie gemacht bei Chinesen. Die haben dann ein natriumärmeres Salz bekommen und hatten innerhalb weniger Jahre ein um 15 Prozent reduziertes Schlaganfallrisiko. Auch über die Senkung des Blutdrucks.
SWR1: Wenn also ein 60-Jähriger zum Beispiel beim Arzt ist und gesagt bekommt, er hat einen zu hohen Blutdruck – kann er sich dann im Grunde genommen entscheiden zwischen Tabletten nehmen oder gesünderem Essen? Könnte er dann tatsächlich die tablettenmäßige Blutdruckabsenkung ganz absetzen?
Riedl: Ja. Mein Rat wäre, versuche es erst mal mit Ernährung, weil die Ernährung in Teilen genauso wirksam ist wie Medikamente. Wenn wir die richtige Ernährung nicht versuchen, dann sind wir ganz schnell bei einem Medikament bei zwei, bei drei oder bei vier. Und dann sind wir mit dem Latein am Ende. Dann überlegen viele, was kann ich denn noch machen und kommen dann erst auf die Ernährung. Warum nicht gleich? Denn die Ernährung ist eine der wichtigsten Ursachen für den Bluthochdruck. Wir wissen ganz klar: Naturvölker kennen gar keinen Bluthochdruck. Die haben selbst im hohen Alter noch ein Blutdruck von 120 zu 70. Das sollte uns tatsächlich Beweis und Mahnung genug sein.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.