Historiker Michael Wolffsohn zu Angriff auf Israel

"Ein schrecklicher und brutaler, barbarischer Überfall"

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Steffi Vitt
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Am Wochenende wurde Israel von der islamistischen Terrororganisation Hamas angegriffen. Das Land steht unter Schock.

Bei Angriffen und Gegenangriffen sind bislang mehr als 1.100 Menschen gestorben. Hunderte Menschen wurden von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt. Wie ist die Situation einzuschätzen? Darüber haben wir mit Prof. Dr. Michael Wolffsohn gesprochen. Wolffsohn ist Historiker und Publizist, geboren in Tel Aviv.

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SWR1: Wird das eine größere militärische Konfrontation? Wie ordnen Sie das ein?

Prof. Dr. Michael Wolffsohn: Es ist nicht auszuschließen, denn ein amerikanischer Flugzeugträger ist Richtung Ost-Mittelmeer unterwegs, mit Begleitschiffen, und ein Flugzeugträger hat bekanntlich viele Kampfflugzeuge an Bord. Das heißt, man bereitet sich auf einen größeren Fall vor. Ob es dazu kommen wird, das ist offen. Und der größere Fall heißt ganz klar eine militärische Konfrontation mit dem Iran.

Wenn man den Drahtzieher dieses Überfalls zur Rechenschaft ziehen will, dann braucht Israel militärische Hilfe, und die kann nur aus den USA kommen.

SWR1: Also da wäre das israelische Militär nicht gut genug für aufgestellt, wenn der Iran da auch noch aktiv mitmischen würde?

Wolffsohn: Derzeit nicht. Das sehen wir an diesem schrecklichen und brutalen, barbarischen Überfall, der das israelische Militär in erhebliche Schwierigkeiten gebracht hat. Das israelische Militär hat es bis heute noch nicht geschafft, die palästinensischen Terroristen aus dem eigenen Land zu vertreiben, geschweige denn die Gegenoffensive beginnen zu können. Und das heißt ganz eindeutig, das israelische Militär ist in einer schlechten Verfassung. Wenn man also jetzt den Drahtzieher dieses Überfalls zur Rechenschaft ziehen will, sprich, den Iran, dann braucht Israel militärische Hilfe, und die kann nur aus den USA kommen.

Zerstörte Häuser in Israel nach Angriffen der Hamas
Bei dem Hamas-Angriff auf Israel und den Gegenschlägen sind bislang mehr als 1.100 Menschen getötet worden. Die Zahl dürfte weiter steigen. Nach Angaben der israelischen Armee sind noch etliche grenznahe Orte umkämpft, der Gazastreifen wird weiter bombardiert.

SWR1: Verfolgt die Hamas eigentlich ein spezielles Ziel mit diesem Großangriff?

Wolffsohn: Nein, das ist ja die Tragödie des palästinensischen Volkes. Die Situation des palästinensischen Volkes ist ganz zweifellos, ganz schrecklich. Aber sie ist darauf zurückzuführen, dass ihre Führung schon seit mehr als hundert Jahren, ohne einen großen historischen Vortrag zu halten, nicht in der Lage ist, Gewalt wenn, überhaupt einzusetzen. Gewalt als Mittel der Politik. Die Gewalt wird in der palästinensischen Militärgeschichte meistens eingesetzt als Racheaktion und das wird dann als großer Sieg gefeiert. Mit Siegen dieser Art werden die Palästinenser nichts erreichen. Sie haben nichts erreicht, und sie werden auch mit der jetzigen Aktion politisch nichts erreichen, sondern im Gegenteil, ihre Situation verschlechtern.

SWR1: Kommen wir mal zu den Reaktionen aus Deutschland. Das Bundesentwicklungsministerium will vielleicht die Projekte für die Palästinensergebiete stoppen. Das klingt jetzt auf den ersten Blick einleuchtend. Für Sie auch?

Wolffsohn: Ja, natürlich. Und zwar erkennt man jetzt offenbar – und es ist höchste Zeit, dass mit den vielen deutschen Geldern, die nach Palästina entweder über NGOs oder direkte in die palästinensischen Institutionen geflossen sind, auch Schulbücher finanziert worden sind. In diesen Schulbüchern finden Sie optisch und inhaltlich quasi eindeutige Anleitungen dazu, wie man Juden möglichst effizient ermordet. Das geschieht seit letztem Samstag. Insofern ist das, was wir in diesen Tagen erleben, eine direkte Folge der fatalen deutschen Palästinenserpolitik.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Steffi Vitt.

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