Wie das mit der Achtsamkeit in der Hektik des Alltages gelingen kann, darüber haben wir mit der Psychologin Merit Kirch vom Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung in Köln gesprochen.
SWR1: Achtsamkeit ist ein Begriff, mit dem wir in den vergangenen Jahren immer wieder konfrontiert worden sind. Können Sie uns kurz erklären, was er bedeutet?
Merit Kirch: Achtsamkeit bedeutet leben im "Hier und Jetzt". Den Fokus mal bewusst umstellen, weg vom Grübeln über das was war oder Sorgen über das, was kommt, hin zu dem, was jetzt gerade da ist. Das darf dann auch alles mal so sein, wie es gerade ist. Auch negatives, man darf auch mal eine schwierige Phase erleben.
Wie kann Achtsamkeit im Arbeitsalltag helfen, Stress zu mindern oder zu vermeiden?
Auf der einen Seite ist Achtsamkeit das Gegenteil von Multitasking. Achtsamkeit gegenüber sich selbst setzt voraus, dass wir uns nur auf die eigenen Handlungen konzentrieren. Wenn ich zum Beispiel wirklich mal drei Minuten lang bewusst meinen Kaffee trinke, ohne gleichzeitig Mails zu beantworten oder im Kopf eine To-Do-Liste zu erstellen, dann ist das wie eine kleine Pause für unser Gehirn. Ein solches Verhalten kann in stressigen Zeiten Ruhe und Gelassenheit geben.
Auf der anderen Seite ist Achtsamkeit im weiteren Sinne aber auch eine Art bewusst selbst angewandte Selbstreflexion, mit der ich mich selbst fragen kann: Wie geht es mir eigentlich zurzeit? Was ist mir gerade zu viel? Was kommt gerade zu kurz? So kann ich mir bewusst überlegen, wo ich im Arbeitsleben zum Beispiel eine Entspannungspause einlegen oder ein wenig kürzer treten kann.
Sie gehen auch selbst in Firmen und versuchen den Menschen Achtsamkeit im Arbeitsalltag beizubringen. Wie wird das von den Firmen und Betrieben hier in Deutschland angenommen?
Die Reaktionen auf unsere Arbeit sind sehr unterschiedlich. Wir bemerken, dass das Thema im Moment "in" und es gibt Firmen, die im Bezug auf Achtsamkeit am Arbeitsplatz schon sehr weit sind. Es gibt aber auch Betriebe und Einzelpersonen, für die Achtsamkeit noch ein sehr befremdliches Thema ist. In solchen Fällen versuchen wir erst einmal die Scheu vor dem Thema zu nehmen. Mit kleinen alltagstauglichen Übungen zeigen wir, dass Achtsamkeit eigentlich nur bedeutet bewusst in der Gegenwart zu leben und dass die Gegenwart auch immer wieder so sein darf, wie sie gerade ist.