In seiner Rede ermunterte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die katholische Kirche zur Erneuerung. "Viele haben sich abgewendet, viele aus Enttäuschung", sagte er mit Blick auf das Thema Missbrauch. Vertuschung und schleppende Aufklärung hätten viel Vertrauen zerstört. "Umso mehr möchte ich jene ermutigen, die sich tatkräftig für die Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland einsetzen", fügte das Staatsoberhaupt unter Applaus hinzu.
Der Katholikentag unter dem Motto "leben teilen" dauert bis Sonntag. Irme Stetter-Karp, die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) rief zum Verzicht auf. "Wir teilen diese Welt mit unseren Kinder", sagte sie. Es führe kein Weg daran vorbei, dass wir unseren Lebensstil ändern.
Die gesamte Eröffnungsfeier sehen Sie hier:
Neue Auseinandersetzung mit politischen Realitäten
Ein Schwerpunktthema in den kommenden drei Tagen ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Katholikentag will Solidarität mit den Ukrainern zeigen, wie bei der Eröffnung deutlich wurde. Die Bühne war in deren Landesfarben Blau und Gelb geschmückt. Für Freitagmittag ist eine Friedenskundgebung geplant, parallel sollen in allen katholischen Kirchen der Landeshauptstadt die Glocken läuten. Steinmeier trug den orangen Katholikentagsschal und einen weiteren in den ukrainischen Farben.
Er wandte sich an die um Frieden betenden Christen: "Ich bete mich euch!" Und ebenso direkt an den russischen Präsidenten Putin: "Ziehen Sie Ihre Truppen zurück!". Irme Stetter-Karp erklärte, Christinnen und Christen müssten uns auf diesem Katholikentag mit unserer Friedenssehnsucht und den politischen Realitäten neu auseinandersetzen. Wie kann ein gerechter Friede Wirklichkeit werden. Der Katholikentag werde in diesem Punkt eine Zeitansage sein.
Auf dem Katholikentag vertreten sind auch Gruppen wie Maria 2.0, die sich für Reformen in der Kirche stark machen. Einen eigenen "Katholikentag von unten" gibt es in Stuttgart nicht. "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner betonte: "Jetzt sind wir Reformgruppen und die Reformthemen Teil des Katholikentages."
Vorwürfe gegen Bätzing
Überschattet wird der Kirchentag Vorwürfe gegen den Limburger Bischof Georg Bätzing, der einen Pfarrer befördert hatte, obwohl er Jahre zuvor zwei Frauen belästigt haben soll. "Ich würde in meiner Diözese so etwas niemals tun", sagte der gastgebende Bischof Gebhard Fürst bei einer Pressekonferenz. Bätzing verteidigte am Mittwochabend die umstrittene Beförderung. Der Vorfall liege schon viele Jahre zurück, und der Priester habe Reue gezeigt und sich entschuldigt. Gleichzeitig betonte er: "Jede Art von Belästigung, von Übergriffigkeit, sowohl verbal als auch körperlich, ist ein No-Go. Und das akzeptiere ich in keinster Weise."
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, Vielfalt und Toleranz, Aktualität und Nachdenklichkeit seien die Mischung, die das Treffen mitten in schweren Krisen ausmache: "Deshalb sind Kirchen- und Katholikentage so wichtig für uns alle."
Die Veranstalter, das ZdK in Zusammenarbeit mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart, erwarten bis Sonntag rund 25.000 Teilnehmende, deutlich weniger als zuletzt vor vier Jahren. Nach Einschätzung der Veranstalter spiele dabei die Corona-Pandemie und die Kirchenkrise eine Rolle.