Es ist superwichtig, dass wir über das Tabuthema 'Depressionen vor und nach der Geburt' mehr sprechen. In dem Buch geht es auch um das Mutterbild in der Gesellschaft und welcher Druck auf einen ausgeübt werden kann, wenn man als Mutter anders denkt und fühlt als es von einem erwartet wird.
Bild: Autorin Christina Wessely mit ihrem Roman "Liebesmühe"
Liebesmühe: Babyblues oder Depression?
Eine Frau wird mit Anfang 40 Mutter, zum allerersten Mal. Aber obwohl es ein absolutes Wunschkind ist, bleiben Mutterliebe und das große Glück erst einmal aus.
'Wir müssen nach Hause', sagt der Vater des Kindes, 'dort wird alles besser.' Sie nickt. Ja, nach Hause […] Noch bevor der Mediziner – ein angenehmer und herzenswarmer Mann, den sie schätzt und dem sie vertraut – die Frage nach ihrem Befinden gestellt hat, fängt sie an zu weinen. 'Mein Leben ist vorbei', sagt sie schluchzend.
Dieses Gefühl hält an. Ihre Selbstbestimmtheit ist mit der Geburt des Kindes verschwunden. Das Mutterwerden fällt ihr schwer, während es allen anderen Müttern um sie herum leicht zu fallen scheint. Sie versucht auszubrechen und raucht heimlich auf ihrem Morgenspaziergang eine Zigarette. Ein Verhalten, dass in einschlägigen Mutterforen scharf kritisiert wird: Wer nicht verzichten könne, solle doch bitte keine Kinder bekommen.
Depressionen bei Schwangerschaft und Geburt
Ich kann diese Gefühle der Frau in 'Liebesmühe' zu 100 Prozent nachfühlen: Denn ich hatte in der Schwangerschaft eine Depression. Ich kenne also die Ängste und das Gefühl 'alle Mütter oder Schwangeren um mich herum sehen rosa nur ich nicht, was stimmt nicht mit mir?'
Die Mutter fühlt sich allein mit ihren Gefühlen. Sie kann Aufgaben nicht bewältigen, die andere für total einfach halten. Sie hat große Angst um ihr Kind, Angst – dass es sogar sterben könnte. Sie schafft es nicht auf eine Party. Keine Lust auf Smalltalk. Ihr Partner geht allein.
Sie sieht sich, von innen und außen gleichzeitig, spürt sich zum Fenster gehen, den Hebel um 90 Grad drehen, das Fenster öffnen, auf das Fensterbrett steigen und – springen. Sie reißt die Augen auf. Sie hat es nicht getan.
Postpartale Depression: Ein Tabu?
In dieser Nacht merkt die Mutter im Buch, dass sie Hilfe braucht. Sie bekommt einen Therapieplatz. Die Diagnose: Postpartale Depression. Das ist ein Wendepunkt: Die Frau weiß, es ist nicht alles verloren, ihr wird geholfen. Allerdings sind da noch die anderen Mütter...
Mütter, die das Füttern mit Babybrei als "gewaltförmig" empfinden, weil das Füttern mit dem Löffel "eine Penetration" sei. Die Frau fühlt sich nicht wohl unter Müttern, hat das Gefühl anders zu sein und zu fühlen.
Das Buch ist sehr berührend, aber auch witzig und intelligent – deshalb nicht nur was für Betroffene, sondern für alle.
"Liebesmühe" von Christina Wessely ist am 19. Februar im Hanser-Verlag erschienen (176 Seiten, gebunden 22 Euro, E-Book 16,99 Euro).