Beim spektakulären 7:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft in der Nations League gegen Bosnien-Herzegowina saß Jogi Löw am Samstag auf der Tribüne. Den 1:0-Führungstreffer erzielte Jamal Musiala - ein Spieler, der ohne ihn heute vielleicht für England spielen würde.
Der doppelte Musiala - Deutschland oder England?
Gemeinsam mit Florian Wirtz ist Musiala Dreh- und Angelpunkt des deutschen Offensivspiels. Den Grundstein dafür legte Jogi Löw, denn Musiala hat die englische und die deutsche Staatsbürgerschaft: "Er ist in England großgeworden, hatte dort seine Freunde und lange gespielt, die ganze Ausbildung gemacht. Er hat sich schon auch Gedanken gemacht, ob er jetzt für England oder Deutschland spielen möchte", erinnert sich Löw.
Dieses Versprechen lockte Musiala zum DFB
Doch Bundestrainer Löw überzeugte den damals 18-Jährigen im Frühjahr 2021 mit einem einzigartigen Versprechen: "Wir sind nach München gefahren und haben mit ihm und seiner Mutter gesprochen. Jamal Musiala sei der einzige Spieler, dem er als Bundestrainer ein Versprechen gab, denn "ich musste ihn überzeugen". Konkret: "Ich habe ihm versprochen, obwohl er noch kein Stammspieler beim FC Bayern München war, dass er im Sommer bei der EM 2021 dabei sein wird, wenn er sich für uns entscheidet.“ Und so kam es.
Weitermachen nach der WM 2018? "Das war sicherlich ein Fehler"
Eine glückliche Fügung, denn rückblickend bereut Jogi Löw seine Engagement beim DFB über die WM 2018 hinaus: "Das war sicherlich ein Fehler. Es war das erste Turnier, bei dem wir in der Vorrunde ausgeschieden sind und nicht das Halbfinale oder Finale erreicht haben." Für einen Rücktritt sei "spätestens dann der richtige Zeitpunkt gewesen." Gemeinsam mit Oliver Bierhoff wollte Löw aber "den Karren aus dem Dreck ziehen." Aber: "Ich hätte sagen müssen, ich mache den Weg frei für neue Impulse."
Löw nach der Trennung vom DFB angespannt
Auch die EM 2021 lief nicht wie geplant, das Aus kam im Achtelfinale gegen England. Schon Monate vorher hatte Löw seinen Rücktritt angekündigt. Doch an Abschalten war nicht zu denken: "Ich war sehr angespannt – viel mehr als am Spielfeldrand. Als ich daheim war, war ich nervös und habe mir ständig überlegt: Eigentlich wäre ich jetzt bei einer Sitzung, bei der Mannschaft oder in der Kabine. Das hat sich erst nach einem Jahr gelegt. Da war der Abstand und die Distanz ein bisschen größer."
Geheimzutat für den WM-Titel: Team-Spirit
Besonders gerne blickt der Badener auf den WM-Erfolg 2014 zurück: "Wir haben sehr viel und sehr hart gearbeitet. Wir waren eine sehr gute Mannschaft, mit einem sehr guten Spirit. Dieses Mantra: Einer für alle, alle für einen – das wurde gelebt bei dieser WM und im Campo Bahia."
7:1 gegen Brasilien: Das perfekte Spiel?
Das wohl verrückteste Spiel seiner Laufbahn als DFB-Trainer war mit Sicherheit der 7:1-Erfolg im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien. Das perfekte Spiel - sollte man meinen: "Nein, es war nicht das perfekte Spiel. Ich habe mir vor kurzem ganz bewusst von der 30. Minute bis zur 70. Minute, also nach dem 5:0 bis zum 6:0, angeschaut. Und in der Zeit waren wir auf keinen Fall gut. Wir haben so viele Möglichkeiten ausgelassen. Ich habe mir gedacht: Mein Gott, wir hätten uns noch viel mehr Chancen herausspielen können."
Löw ist begeistert von Hoeneß und dem VfB Stuttgart
Fußball als Zuschauer genießen. Das kann Jogi Löw mittlerweile. Auch den VfB Stuttgart. Bei den Schwaben war Löw zwischen 1996 und 1998 als Trainer tätig. Beim aktuellen Erfolg des Vizemeisters sieht er allen voran die Handschrift von Sebastian Hoeneß: "Er ist wirklich sehr innovativ, kreativ und er fördert die spielerischen Lösungen. Das sieht man beim VfB deutlich. In der Zeit vor ihm war der VfB häufig im Abstiegskampf und auch die Art und Weise, wie gespielt wurde, war unbefriedigend. Diese Mannschaft ist fußballerisch viel, viel besser geworden."
Löws Zukunftspläne
Wie geht es weiter in der Karriere von Jogi Löw? Ein Engagement als Trainer in der Bundesliga schließt er kategorisch aus und ergänzt: "Ich werde immer mit Nationalmannschaften in Verbindung gebracht. Ich hätte schon auch ein paar gute Ideen für Vereine. Für Entwicklung, von jungen Spielern vor allem. Da finde ich, ist in Deutschland noch Luft nach oben."