"Man fühlt sich frei, wir springen zwischen acht und zehn Metern hoch. Das Gefühl zu fliegen ist einfach unbeschreiblich." Wenn Fabian Vogel über seine Sportart spricht, beginnt er zu strahlen. Dieses "unbeschreibliche Gefühl" beim Fliegen wird er spüren, wenn die Trampolinturner am 2. August 2024 bei den Olympischen Spielen zu spektakulären Salti und Drehungen in die Höhe steigen. Das erste Mal seit zwölf Jahren springt dann endlich wieder ein deutscher Athlet um eine olympische Medaille.
Fabian Vogel, 29 Jahre alt, vom MTV Bad Kreuznach ist in Paris dabei und erfüllt sich mit der Teilnahme einen Traum. "Es bedeutet mir unglaublich viel", strahlt Vogel beim Gedanken daran über beide Ohren. "Es war immer mein Kindheitstraum, zu Olympia zu fahren und mir den jetzt selbst erfüllt zu haben, ist ein unbeschreibliches Gefühl."
Durch seine starken Leistungen in der Weltcup-Serie hat er sich einen der nur 16 Startplätze bei Olympia gesichert. Damit qualifizierte sich in allen Turn-Disziplinen mindestens eine Athletin oder ein Athlet des deutschen Turner-Bunds.
Aus Leichtathletik-Familie zum Trampolin
Der gebürtige Düsseldorfer kommt aus einer Sport-Familie. Sein Vater war Leichtathlet, genauso sein Opa. "Eigentlich sind wir eine Leichtathletik-Familie aber ich habe den Bann durchbrochen", lacht Vogel. Dass bei ihm am Ende das Trampolin zum bevorzugtem Sportgerät wurde, war eine glückliche Fügung. "Es war tatsächlich wegen eines Zeitungsartikels. Ich habe es mit sieben Jahren ausprobiert und bin dabei geblieben."
Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Besonders als Synchronspringer beeindruckt der Sportsoldat. 2022 wurde er Welt- und Europameister mit seinem langjährigen Partner Matthias Pfleiderer. im vergangenen Jahr folgte ein Partnerwechsel, die Farbe der WM-Medaille blieb dieselbe. Wieder Gold, dieses Mal mit dem neuen Kumpanen Caio Lauxtermann in Birmingham.
Sportlich ist "auf dem Boden bleiben" für Vogel keine Option. Erlebt man ihn beim Training am Bundesstützpunkt in Bad Kreuznach, merkt man aber schnell: Im wahren Leben ist er alles andere als abgehoben - trotz seiner Titel und der jüngsten Olympia-Quali. Die Nachwuchsspringerinnen und -springer hat er immer im Blick. "Er achtet sehr auf uns. Er gibt Tipps, schiebt auch mal die Matte", erzählt die 14-Jährige Lara Sperling von Vogel, dessen Trainingszeiten sich mit dem Nachwuchs des MTV teilweise überschneiden. "Natürlich habe ich eine Vorbildfunktion und ich möchte den Kleineren auf jeden Fall etwas für ihre Reise mitgeben", so Vogel.
Er ist zwar der Star der deutschen Trampolin-Szene, aber einer zum anfassen. Auch deshalb drücken sie ihm in Bad Kreuznach die Daumen für Paris, auch wenn es dort mit Edelmetall schwierig werden könnte.
Olympia-Quali "wie Medaillen-Gewinn"
"Dass wir es zu Olympia geschafft haben, ist für uns schon wie ein Medaillen-Gewinn", schätzen Trainer Steffen Eislöffel und auch Vogel ihre Chancen realistisch ein. "Wir nehmen uns auf jeden Fall das Finale vor. Wir müssen an dem Tag einfach topfit sein und unsere beste Leistung abrufen", so Vogel, dessen Konkurrenz aus China, Neuseeland und Belarus übermächtig scheint, denn bei Olympia wird nur im Einzel gesprungen. Im Synchronspringen werden erst wieder bei den World Games 2025 in Chengdu Medaillen verteilt.
"Es macht unglaublich viel Spaß mit meinem Synchronpartner zu turnen", sagt Vogel. "Es wäre schön gewesen, wenn das bei den Olympischen Spielen gewesen wäre, aber so hoffen wir, dass wir bei den World Games noch eine Medaille abräumen können."
Damit es in Paris mit dem Finale klappt, steht jetzt eine intensive Vorbereitungsphase für Vogel an. Gemeinsam mit Eislöffel arbeitet er an kleinen Details, bei denen er und sein Coach Punktverluste gegenüber der Konkurrenz ausgemacht haben. "Im Fachjargon sagen wir 'Nachdrücken'. Dass die Sprünge schön gerade sind und hinten rausfliegen, damit du gut zum Standsprung kommst, um neutral in das nächste Übungsteil zu kommen", so Eislöffel, der die Wichtigkeit der Olympia-Teilnahme Vogels für die ganze Sportart betont. "Ich vergleiche uns gerne mit einem U-Boot. Wir waren jahrelang unter Wasser, sind getaucht und wenn es in Richtung Olympische Spiele geht, tauchen wir auf", erklärt der Bundesstützpunkttrainer. "Das ist für die Sportart schön, für die Athleten schön und es ist genau das, was uns in den letzten Jahren gefehlt hat."
Erste Paris-Erfahrungen gesammelt
Vogel hat jetzt dafür gesorgt, dass dem Trampolinturnen nicht die Luft ausgeht. Damit er nicht komplett auf unbekanntem Terrain auftaucht, hat er den letzten Kurzurlaub in Paris nicht nur dazu genutzt, den Kopf frei zu bekommen, sondern auch, um sich von der kommenden Olympiastadt einen Überblick zu verschaffen. "Wenn man schon vor Ort ist, dann läuft man durch die Stadt und schaut sich die Bauarbeiten an, um dann das Gefühl zu kriegen, wie es in drei Monaten ist", so Vogel.
Vorbereitung ist schließlich der Schlüssel zum Erfolg - und vielleicht gelingt ein solcher Vogel ja doch, wenn es am 2. August erstmals seit langem wieder um eine olympische Trampolin-Medaille bei den Männern geht.