Qianhong Gotsch vom SV Böblingen

Tischtennis | Bundesliga

Böblingens Legende Qianhong Gotsch: Auch mit 55 noch nicht müde an der Platte

Stand
Autor/in
Kersten Eichhorn

Sie ist die mit Abstand älteste Spielerin in der Tischtennis-Bundesliga. Qianhong Gotsch vom SV Böblingen ist auch mit 55 Jahren noch immer eine Top-Sportlerin.

Der Blick hochkonzentriert. Die Schläge filigran. Die Reaktionen noch immer blitzschnell: Wer Qianhong Gotsch bei ihren Auftritten in der Tischtennis-Bundesliga erlebt und beobachtet, der kann es nicht so richtig fassen. Diese faszinierende Sportlerin ist bereits 55 Jahre alt! Und sie ist noch immer eine Top-Spielerin: "Tischtennis ist mein Leben", sagt "Hongi", wie sie von allen genannt wird, lachend im Gespräch mit SWR Sport, "früher habe ich immer für etwas gekämpft. Aber als ich 55 Jahre alt geworden bin, da habe ich mir gedacht jetzt spiele ich nur noch für mich selbst. Wenn ich gewinne, bin ich total happy. Wenn ich verliere, ist es total egal. Morgen ist wieder ein Tag".

Eine bewundernswerte Gelassenheit im hohen Tischtennis-Alter. Bloß nicht mehr unter Druck setzen lassen nach dieser unfassbar langen Karriere auf höchstem Niveau an der Platte. Und doch ärgert sie sich in ihrer 28. Bundesliga-Saison auch mit 55 noch immer über jeden Ballverlust.
Mit acht Jahren hatte Hongi das Spiel mit dem Zelluloidball im Tischtennis-Mekka China begonnen. Eine unter 50 Millionen Aktiven. 1991 war die frühere chinesische Meisterin, damals noch unter dem Namen Qianhong He, aus der Millionenstadt Tianjin nach Deutschland gekommen und hatte sich hier dem SV Böblingen angeschlossen. Keine einfache Zeit für sie, der Wechsel in eine völlig neue Welt: "Ich konnte kein Deutsch, nur Englisch", erinnert sich die spätere Europameisterin für Deutschland an die Anfänge im Schwabenland, "aber inzwischen ist es hier Heimat geworden. Und weil ich hier mit den Schwaben immer sehr gute Erfahrungen gemacht habe, bin ich Böblingen treu geblieben und möchte etwas zurückgeben".

Was die zweifache Mutter nicht nur beim Tischtennis, sondern auch in der Kommunalpolitik als Gemeinderätin in ihrem Wohnort Gärtringen beispielhaft vorlebt.

Duell der Generationen: Mentale Ruhe gegen volle Pulle

Wie gut sie auch mit 55 Jahren in der Bundesliga noch ist, davon konnten sich die Tischtennis-Fans letzten Sonntag im ersten Saison-Heimspiel gegen Jena eindrucksvoll überzeugen. Hongi Gotsch gewann beide Einzel. Erst zermürbte sie mit ihrem Abwehrspiel und ihrer mentalen Stärke die 34 Jahre jüngere Türkin Ece Harac, danach auch die Nummer eins der Thüringerinnen, die Japanerin Minagawa, jeweils nach Satzrückstand mit 3:1. Kein Ball, den sie verloren gibt. Kein Meter Laufarbeit, der ihr zu viel ist.

Fitness und Beweglichkeit sind nach wie vor außergewöhnlich bei Böblingens Tischtennis-Oldie. "Die jungen Spielerinnen gehen immer volle Pulle, sind voller Kraft und Power", beschreibt Hongi Gotsch ihre permanenten ungleichen Duelle der Generationen, "man muss schlau sein, deshalb spiele ich viel mit Taktik abwechseln kurze Bälle und lange Bälle. Und dabei muss ich immer ruhig bleiben". Damit zermürbt sie wie gegen Konkurrent Jena ihre Gegnerinnen. Fit hält sie sich neben dem Tischtennis-Training mit Spaziergängen, mit Fahrradfahren und mit gezielter mentaler Vorbereitung.

Europameisterin Annett Kaufmann: "Hongi ist eine Legende"

Ihre Böblinger Teamkolleginnen sind voller Bewunderung: "Hongi ist für mich eine Legende", staunt auch die erst 17-jährige Spitzenspielerin Annett Kaufmann, die zuletzt mit Deutschland zum zweiten Mal Team-Europameisterin wurde, "also wirklich, ich habe großen Respekt vor ihr. Ich bin auch sehr happy und fühle mich geehrt mit ihr in einer Mannschaft spielen zu dürfen. Sie gibt mir viele Tips, mental und spielerisch". Annett Kaufmann mit einem Lächeln im Gesicht: "Sie ist noch immer schneller als ich. Aber ich sage immer sie ist 25, und so überspielen wir das Alter. Ich verstehe mich auch prima mit ihren Kindern und manchmal fühle ich mich wie eine Tocher von ihr".

Böblingens Tischtennis-Team. Ohne Power-Frau Hongi Gotsch einfach unvorstellbar. Die Fans aber dürfen erstmal aufatmen, ein Ende der Karriere ist längst noch nicht in Sicht. Auch nicht mit 55: "Bis Hundert wird es nicht gehen", sagt Hongi, "aber ich werde weiter Gas geben".

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Kersten Eichhorn

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