Einmal noch wollte Tim Kneule sein Können vor heimischen Publikum zeigen. Vor jenen Fans, die ihn fast sein gesamtes Handballer-Leben lang begleitet haben. Denn nach 18 Jahren ist Schluss. Schluss bei Frisch Auf Göppingen und Schluss mit professionellem Handball - zumindest auf dem Spielfeld. Denn womöglich kommt der 37-Jährige, der neben dem Handball ein Masterstudium in Gesundheitsmanagement an der Fernuniversität Bad Honnef absolviert, irgendwann wieder zu seinem Lieblingssport zurück.
Das könnte aber noch eine Weile dauern: "Der Fokus verschiebt sich in Richtung Familie", meinte der Spielmacher, der 2011, 2012, 2016 und 2017 mit Frisch Auf Göppingen den EHF-Pokal gewann. "Ich habe mich beim Arbeitsamt gemeldet, vielleicht mache ich auch mal ein, zwei Monate nichts“, sagte Kneule den Stuttgarter Nachrichten.
Kneule verabschiedet sich mit einem Tor aus Göppingen
Sportlich hatte sich Kneule seinen Abschied vom Göppinger Publikum sicherlich anders vorgestellt. Die 22:32-Heimniederlage gegen die MT Melsungen am Mittwochabend hat Kneules Herz jedenfalls nicht sonderlich erwärmt. Zumal er bis zum Anpfiff der zweiten Halbzeit auf seinen 1.062 Treffer im Trikot von Frisch Auf Göppingen warten musste.
Kurz vor dem Abpfiff spielte das Ergebnis jedoch keine Rolle mehr. Denn als Kneule zwei Minuten vor der Schluss-Sirene wieder auf Platte kam, erhoben sich die Fans in der 5.600 Zuschauer fassenden EWS Arena und feierten ihren Kapitän. Ehefrau Julia, die Kinder Ida (11), Emil (8) und Lotta (3) jubelten ihm mit weiteren Familien-Mitgliedern, Freunden und alten Weggefährten von einer extra angemieteten Loge aus zu, als Kneule zu 46 Sekunden vor Schluss zu seinem letzten Siebenmeter in Göppingen antrat. Der 1.063. Treffer blieb ihm jedoch verwehrt.
Kneule war Frisch-Auf-Spieler der Saison
Er wurde dennoch zum Göppinger Spieler der Saison gewählt. Denn auch in diesem Jahr hat der Modell-Athlet sein Team mitgerissen und angeführt. Dass es für Frisch Auf trotzdem nur zu Platz 15 (23:43 Punkte) reichte, lag nicht am Kapitän. "Tim ist einer der größten Profis, mit denen ich jemals trainiert habe", sagte der kroatische Nationalspieler Krešimir Kozina, der Frisch Auf Göppingen ebenfalls zum Saisonende verlassen wird. "Sein letztes Training hat er gemacht, wie sein erstes. Ich hatte die Ehre mit so einem Spieler und Menschen zu spielen."
Tim Kneule wurde bei Frisch Auf Göppingen zur Identifikationsfigur
Der gebürtige Reutlinger, der seine Stärken offensiv wie defensiv hat, kam 2006 vom TV Neuhausen/Erms ins Filstal und prägte dort eine Ära. "Er hat maßgeblich zu den Erfolgen der vergangenen knapp zwei Jahrzehnte beigetragen und war immer ein Vorbild in Sachen Professionalität und Identifikation", sagte Göppingens Sportlicher Leiter Christian Schöne, als Kneule sein Karriere-Ende im Februar bekanntgegeben hat.
Auch seine Nationalmannschaftskarriere kann sich sehen lassen: 44 Tore in 30 Länderspielen. Er schaffte es sogar in den vorläufigen Kader für die Handball-EM 2018 wurde dann aber vom damaligen Bundestrainer Christian Prokop doch nicht mit nach Kroatien genommen. Ein Kreuzbandriss 2011 und ein Riss des Syndesmosebandes 2016 brachten ihn um weitere Einsätze.
Kneule wird Frisch Auf Göppingen fehlen
Neben Kneule hat Frisch Auf Göppingen auch Tobias Ellebaek (KIF Kolding), Nils Röller (HSC 2000 Coburg), Valentin Abt (TuS N-Lübbecke), Till Hermann, Marin Sego, Vid Poteko, Kresimir Kozina und Trainer Markus Baur (alle mit unbekanntem Ziel) verabschiedet. Sebastian Heymann, der zur neuen Saison zu den Rhein-Neckar Löwen wechselt, meldete sich mit drei Toren aus der "Hölle Süd" ab.
Für Kneule war es noch ein langer, emotionaler Abend: "Jetzt wird es einem richtig bewusst und es ist unheimlich schwer", sagte er beim Internet-Sender "Dyn" zu Beginn der großen Abschiedsparty. Da war endgültig klar: Der künftige Frisch-Auf-Trainer Ben Matschke braucht einen neuen Führungsspieler, denn Tim Kneule geht.