Plötzlich wollte Jalen Smereck nur noch weg. Weg aus der Ukraine, weg vom HC Donbass und weg von dem Rassismus, der ihm dort begegnete. Gegenspieler Andrei Deniskin vom HC Kremenchuk hatte auf dem Eis eine imaginäre Banane geschält und diese Geste allen Ernstes für ein legitimes Mittel im Kampf um Tore und Punkte gehalten. Das war im September 2021. Die Ukrainische Hockey Liga (UHL) hatte Deniskin vergleichsweise mild bestraft hat (13 Spiele Sperre, die er mit 1.621 Euro aber auf 3 Spiele reduzieren konnte) - daraufhin hatte Smereck genug.
Smerecks neue Heimat bei den Bietigheim Steelers
Ein paar Monate später sitzt er auf der Bank der Bietigheim Steelers. Das Training ist vorbei. Smereck muss kurz durchatmen. Bei den Steelers hat er eine neue Heimat gefunden. "Home in every sense" (in jedem Sinne), wie er im Interview mit SWR Sport sagt. Sportlich läuft es ganz gut für den 25-Jährigen - 5 Tore und 19 Vorlagen stehen (Stand 22.02.2022) in seiner DEL-Vita. Dass er in der UHL nur fünfmal auf dem Eis stand, wurmt Smereck ein wenig: "Ich hätte gerne 30, 40 Spiele gemacht. Ich habe mich ja bewusst auf das Abenteuer eingelassen."
Daher habe er nach dem Rassismus-Vorfall auch lange mit sich gerungen: "Für sich einstehen oder fliehen? Eine schwierige Frage", erzählt er rückblickend. Die Mannschaft habe hinter ihm gestanden. "Ich habe auch eine Weile darüber nachgedacht - aber als ich dann ein paar Tage später mitbekommen habe, dass der Manager gefeuert wurde, weil er sich für mich stark gemacht hat, wusste ich: Dieses Land hinkt so weit hinterher, das hat keinen Sinn mehr." In Deutschland habe er noch keinen Rassismus erfahren, "aber das ist nur eine Frage der Zeit", meint Smereck. Schließlich ist Jalen Smereck einer von nur fünf Schwarzen Spielern in der DEL. Die anderen - allen voran Colin Ugbekile von den Kölner Haien und Sena Acolatse von den Straubing Tigers - haben bereits Rassismus erlebt.
Smereck als einziger Schwarzer unter lauter Weißen
Darum habe er sich lange Zeit gegen dem Sport gesträubt. Er hatte keine Lust, der einzige Schwarze unter lauter Weißen zu sein. Doch sein Vater und seine Brüder - allesamt begeisterte Eishockey-Spieler - hätten ihn aufs Eis gezerrt. "Fast genötigt", erzählt er. Trotzdem spielte er lange Zeit lieber Basketball und Baseball. Die Liebe zum Eishockey entflammte erst, "als ich elf oder zwölf Jahre alt war". Es kostete ihn jedoch einige Überwindung, sich darauf einzulassen. "Aber ich habe großartige Menschen getroffen, die mir den Sport gezeigt und mich weitergebracht haben - die mich auch aus meiner alten Komfortzone geholt und mir eine neue gegeben haben."
Seine Heimatstadt Detroit war für Jalen Smereck nicht gerade eine Komfortzone. Rassismus gehörte für ihn zum Alltag: "Es gab bereits mehrere Vorfälle. Ich habe jedes Jahr Rassismus erfahren - seitdem ich sieben oder acht Jahre alt bin. Vielleicht auch schon davor, aber da habe ich es noch nicht wahrgenommen," erinnert sich Smereck "Das war hart. Aber als Kind geht man da irgendwie durch."
Der Rassismus hat Smereck sprachlos gemacht
Vor seiner Familie habe er das zunächst verheimlicht. "Es war unangenehm aber nichts, worüber wir gesprochen haben." Als Kind eines weißen Vaters und einer Schwarzen Mutter wollte er das Thema nicht an den Küchentisch tragen: "Ich wusste nicht, wie sie darauf reagieren würden. Ich war einfach nicht stark genug, davon zu erzählen. Darum habe ich das mit mir selbst ausgemacht."
Smereck brauchte sein Team, um sich seiner Familie anvertrauen zu können: "Als ich älter und der Rassismus schlimmer wurde, haben die Trainer und Mitspieler meinen Eltern davon erzählt und ich musste es nicht mehr selbst sagen. Das machte es mir deutlich einfacher." Dann habe er jedoch genau den Support bekommen, den er gebraucht habe.
Smereck ist bei den Steelers angekommen
Smerecks Familie - Ehefrau und zwei Kinder - ist weiterhin in Nordamerika. Aber auch in Bietigheim hat er sein Team. Die Steelers haben ihm einen Sport-Psychologen und einen Mentaltrainer an die Seite gestellt - wie den anderen Spielern auch. Dabei gehe es auch nicht nur um Rassismus, sondern auch um Einsamkeit, Druck und den Kulturschock zwischen Arizona - wo Smereck vor seinem Ukraine-Intermezzo fünf Jahre lang gespielt hat - und Baden-Württemberg. "Das sind ja verschiedene Themen, die man da angehen muss", sagt Steelers-Geschäftsführer Volker Schoch.
Als Schoch hörte, dass Smereck einen neuen Verein sucht, habe er sofort dessen Agenten kontaktiert und ihn nach Bietigheim geholt. "Er war vorsichtig und etwas zurückhaltend, was normal ist in so einer Situation", sagt Schoch. "Aber das Team hat ihn super aufgenommen, und dann hat er sich geöffnet und seither ist er ein ganz wichtiger Bestandteil der Mannschaft." Auch Kapitän Constantin Braun baut auf Smereck, der offensiv wie defensiv zu überzeugen weiß: "Er hilft uns extrem, weil wir dadurch einfach gefährlicher werden."
Übeltäter nachträglich gesperrt
Den Bananen-Vorfall kann Smereck trotzdem nicht vergessen. "So etwas habe ich noch nie gesehen. Das war wirklich hart." Mittlerweile hat sich der Weltverband (IIHF) in die Sache eingeschaltet - und anders bewertet als die Verantwortlichen der Ukrainischen Eishockey Liga. Die IIHF hält Deniskins Aktion für "völlig inakzeptabel" und hat den ukrainischen Nationalspieler am Dienstag (22.02.2022) für ein Jahr von allen IIHF-Wettbewerben ausgeschlossen. Jalen Smereck dürfte das jedoch nur am Rande zur Kenntnis nehmen, denn der will einfach nur Hockey spielen.