Haften geblieben ist vor allem eins. Die Erinnerung an diese kaum zu beschreibende Geruchsmischung aus kalt-modriger Nässe, durchgeschwitzten Eishockeyklamotten, Bierdunst und übergelaufenen Toiletten.
Was den einen durchaus ekelt, ruft beim anderen unvergessliche Eindrücke wach. Wer früher, wie der Autor dieser Zeilen, regelmässig in diese Eishockey-Kultstätte im Friedrichspark marschiert ist, der konnte das Stadion neben dem Mannheimer Schloss selbst mit verbundenen Augen "erriechen". Mief-egal, wir alle - Eishockeyfans und Eishockeyreporter - waren längst an dieses spezielle Ambiente im Friedrichspark gewöhnt, hatten die Szenerie rund ums Eis gerade wegen ihrer Einfachheit und Enge liebgewonnen. Es war unser sportliches Wohnzimmer.
Unvergessene Titel-Premiere 1980 mit den Deutsch-Kanadiern
Schon als Jugendlicher fuhren wir Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre freitags oder sonntags mit ebenso eishockeybegeisterten Kumpels aus dem Umland mit der Bahn in die Mannheimer City. Erst ein Bummel durch die Stadt samt amerikanischer Fastfood-Einkehr, dann rein in den damals schon maroden, 1938 erbauten Friedrichspark, den MERC gucken. Schon von Weitem hörten wir durch die Gassen der Stadt die "Heja-Heja MERC"-Sprechchöre. Laut war`s, zu Spielbeginn dröhnte Rockmusik und - Licht aus - leuchteten unzählige Wunderkerzen. Damals waren sie noch erlaubt.
Die Mannheimer Kufen-Cracks, gerade zwei Jahre wieder in die Bundesliga aufgestiegen, holten sich 1980 mit den legendären Deutsch-Kanadiern um Harold Kreis, Mannix Wolf und Roy Roedger und dem "Monnemer Bub" Marcus Kuhl sogar sensationell ihre erste Deutsche Meisterschaft. Eine wahnsinnige Eishockey-Euphoriewelle rollte durch Mannheim und die ganze Kurpfalz. Aus unbekannten Eishockeyspielern waren Stars geworden, heute sind sie Legenden.
Bis zu 10.000 Fans auf den Rängen
Die außerordentliche Stimmung jener Jahre war bei den bis zu 10.000 Fans in der oft völlig überfüllten Arena einfach phantastisch, mitreißend. Ganz hinten postierten sich viele auf mitgebrachten Klappleitern, um überhaupt etwas sehen zu können. Dazwischen stand man quer, damit jeder Platz hatte. Vorne an der Bande war erhöhte Quetsch-Gefahr. Heute in den modernen aber meist sterilen Multifunktionsarenen undenkbar. Der Komfort damals? Den gab es nicht.
Immerhin: Auf der einen Geraden waren Holzbänke zum Sitzen montiert, ansonsten rundum nur kalte Stehstufen in der zwar überdachten, aber an den Seiten offenen Spielstätte. An kalten Wintertagen zeigte das Themometer gerne mal zehn Grad unter Null, Frieren und Frösteln war angesagt. Gamz pfiffige Fans standen auf Styroporblöcken, Kanister mit Weinschorle oder Glühwein kreisten zum Aufwärmen. An heißen Spätsommertagen wiederum waberten dichte Nebelschwaden über der Eisfläche. Große Ventilatoren mussten die Sicht freiblasen.
Fünf Deutsche Meisterschaften im Friedrichspark
Uns aber waren die widrigen Umstände völlig egal, hart ging's zu auf den Rängen. Und natürlich auch auf dem Eis. Der Mannheimer ERC, später die Adler Mannheim, sorgten mit ihrem kanadischen Stil zuverlässig für Spektakel und aufgeheizte Atmosphäre. Vor allem wenn es gegen die rauflustigen Bayern aus Landshut, Rosenheim, Riessersee oder gegen die gut betuchten rheinischen Rivalen Köln und Düsseldorf ging.
1997, 1998 und 1999 folgte sogar ein Meister-Hattrick, 2001 der letzte Titel Friedrichspark. Bis heute die Hoch-Zeit des Mannheimer Eishockeys. Der Chronist war jetzt nicht mehr nur als Zuschauer, sondern als Reporter für den SDR und SWR in einer kleinen, muffigen Kabine hautnah im Friedrichspark mit dabei, schilderte als persönliches Highlight wie das Mannheimer "Eishockey-Denkmal" Harold Kreis zum Karriere-Abschied 1997 heulend vor Freude mit der Meisterschale übers Eis getragen wurde. Unvergessliche Gänsehaut-Momente. Für viele andere bis heute noch, folgt man in diesen Tagen den persönlichen Erlebnisberichten zum bevorstehenden Abriss der Spielstätte in den Sozialen Medien.
Tausende weinende Fans beim letzten Eishockey-Spiel 2005
Fest eingebrannt ins Gedächtnis hat sich bei mir auch der letzte Akt auf dem Eis, der traurig-emotionale Abschiedsabend im April 2005 im Friedrichspark. Kurz vor dem Umzug in die moderne SAP-Arena veranstaltete Eishockey-Mannheim ein "Bye bye Friedrichspark" mit ehemaligen Meisterspielern und einem letzten Match vor vollem Haus. Noch nie in meinem Leben habe ich danach, vor allem als ein Trompeter zum letzten Halali blies, so viele ergriffene Menschen bitterlich weinen sehen. Diese eindrücklichen Bilder im Gedächtnis sind inzwischen schon viele Jahre alt, aber immer noch unglaublich präsent. Tausende von Fans nahmen damals Abschied von einem Teil ihrer Jugend, ihres Lebens als Fan.
Sportliche und gesellschaftliche Heimat
Das alte Mannheimer Eisstadion, so überholt und ungemütlich es war, wurde zu einem Treffpunkt aller kurpfälzer Eishockeyfans, war zur sportlicher und auch gesellschaftlichen Heimat geworden. Freundschaften wurden geschlossen, sogar Ehen entstanden. Jetzt, nach 19 Jahren Rollhockey und Leerstand, rollen die Bagger an. Das alte Eisstadion wird zwar demnächst dem Erdboden gleichgemacht, neue Gebäude für die Uni entstehen.
Die Erinnerungen an den Friedrichspark aber bleiben unauslöschlich. Bei allen, die mit dabei waren. Und selbst der unverwechselbare Mief von damals hängt noch immer in der Nase...