Fußball | 2. Bundesliga

Der Spätstarter: Warum KSC-Profi Fabian Schleusener stolz auf seinen Weg ist

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Autor/in
Johannes Seemüller
Johannes Seemüller, SWR-Sportjournalist

Fabian Schleusener machte erst mit 24 Jahren sein erstes Zweitligaspiel. Mit SWR Sport sprach der KSC-Stürmer über den Luxus als Profi, den Umgang mit Krisen und eine besondere Liebe.

Er hat es schon wieder getan. Beim 4:2-Heimsieg des Karlsruher SC gegen Jahn Regensburg erzielte Fabian Schleusener erneut einen Treffer. Nachdem der Stürmer zu Beginn dieser Saison wenig Glück beim Torabschluss hatte, trifft der 33-Jährige derzeit fast nach Belieben. In den vergangenen fünf Spielen erzielte Schleusener vier Tore. Angesichts seines Alters ist man verführt zu schreiben: je oller, je doller.

Schleusener fühlt sich "so gut und fit wie nie zuvor". Die medizinischen Werte sind top, sein Körper strotzt vor Energie und Leistungsfähigkeit. Seit 16 Jahren macht der Profi Krafttraining, auch jetzt noch pumpt er täglich im Fitnessraum. In der Kabine erzählt er seinen Teamkollegen, er sei unter 30 und habe aufgehört zu altern. "Das ist mittlerweile bei den Jungs angekommen", sagt er lachend.

Als FSJler Kontakt mit Krebspatienten

Fabian Schleusener ist eine Ausnahme im Profifußball. Er ist ein Spätstarter. Als Jugendspieler beim südbadischen FC Denzlingen wollte er einfach nur kicken und Spaß haben. Auch als er für den Bahlinger SC in der Oberliga auflief, hatte er keine Ambitionen auf eine Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) und eine Profifußball-Karriere.

"Ich will diese normale Kindheit und Jugend nicht missen", sagt er rückblickend. Fußball sei zwar immer ein wichtiger Teil in seinem Leben gewesen. Aber er habe keinen großen Druck verspürt. Alles war geregelt. Er machte sein Abitur und trainierte nur abends. "Ich war viel mit Freunden unterwegs. Das hat mir gut getan."

Nach dem Abitur wusste er zunächst nicht genau, wie es weitergehen sollte. Er entschied sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Tumorbiologie der Uniklinik Freiburg. Dort hatte er Kontakt mit Krebspatienten. Eine prägende Erfahrung. "Das hat mir fürs Leben sehr viel mitgegeben", sagt er.

Es war gut, über den Tellerrand hinauszuschauen und zu sehen, dass Fußball nicht alles ist.

Aber der Fußball wurde wichtiger, denn Schleusener, der inzwischen ein Studium der Volkswirtschaftslehre (VWL) begonnen hatte, machte mit seinen Toren zunehmend auf sich aufmerksam. In seiner ersten Saison beim Bahlinger SC erzielte er 13 Treffer. Regionalligist SV Waldhof meldete sich. Mit 21 Jahren verließ Schleusener erstmals die Wohlfühloase Freiburg und zog nach Mannheim. Aber es passte nicht. Also ging er wieder zurück und begann ein Duales Studium (BWL, Finanzen). Hier, in der Heimat, spielte der Harmoniemensch Schleusener wieder befreit auf. Mit 27 Treffern in 34 Spielen wurde der Bahlinger Goalgetter Torschützenkönig und verhalf seinem Verein zum Aufstieg.

Nun klopfte der große SC Freiburg beim ihm an. Das war ungewöhnlich, denn Schleusener war bereits 23 - und als Neuzugang des Sport-Club sollte man eigentlich ein NLZ durchlaufen haben. Am 22. November 2015 war es endlich soweit: Schleusener, inzwischen 24, wurde im Zweitligaspiel gegen den SC Paderborn für Vincenzo Grifo eingewechselt. Seine ersten Minuten Profifußball.

Dankbarkeit gegenüber seiner Frau: "Sie hat mich bis hierher gebracht"

Schleusener, der Fußballprofi auf dem zweiten Bildungsweg, hatte ein erstes Zwischenziel erreicht. Es folgten viele Ausleihen und Vereinswechsel (FSV Frankfurt, Karlsruher SC, SV Sandhausen und 1. FC Nürnberg). Bei jedem Klub war sein besonderer Weg in den Profifußball ein Thema: "Ich habe ab der Landesliga jede Liga mitgenommen - bis rauf in die 2. Bundesliga. Darauf bin ich sehr stolz. Es sorgt immer für positive Verwunderung in den Kabinen, dass ich meinen Traum trotzdem leben darf."

Die zahlreichen Vereins- und Wohnortwechsel waren auch immer eine Herausforderung für die Beziehung zu seiner heutigen Frau Ann-Kathrin. Jetzt, da er sich seit 2021 beim Karlsruher SC etabliert hat, sagt er dankbar: "Sie hält mir bis heute immer den Rücken frei. Es war stets ein volles Commitment ihrerseits für diesen Traum Fußballprofi."

Seine Frau managte die Umzüge, passte ihre Termine an den Fußballkalender ihres Mannes an und suchte sich an jedem neuen Wohnort einen neuen Job. "Ihre Unterstützung hat mich bis hierher gebracht."

Schleusener: Zeit ist "der größte Luxus, den wir als Fußballer haben"

Im Gegenzug möchte Schleusener möglichst viel zurückzugeben. "Ich bin ein großer Familienmensch. Ich liebe es, zuhause zu sein. Vielleicht ist es meiner Frau sogar manchmal zu oft." Aus seinen Sätzen klingt große Dankbarkeit. "Es ist der größte Luxus, den wir als Fußballer haben. Es ist gar nicht so sehr der finanzielle Aspekt oder das Leben in der Öffentlichkeit, sondern das Thema Zeit."

Zwar sei er viel unterwegs, "aber über den Tag verteilt habe ich die eine oder andere Stunde mehr, als wenn ich von 8 bis 17 Uhr im Büro sitzen würde." Seit drei Jahren sind Fabian und Ann-Kathrin Schleusener Eltern einer kleinen Tochter. Die gemeinsame Zeit mit seinem Kind sei etwas Besonders, und seiner Frau unter die Arme greifen zu können, etwas Wertvolles. So gut es geht, hält er seiner Ann-Kathrin, die als Traurednerin arbeitet, den Rücken frei.

Oberkörper frei - Der kleine Faux pas nach der Geburt der Tochter

Schon direkt nach der Geburt hatte der junge Papa versucht, sich nützlich zu machen. Hebamme und Schwester gingen mit ihm und dem Neugeborenen in einen Raum, um die Kleine zu waschen. Sie baten Schleusener, das Oberteil auszuziehen. Damit meinten sie eigentlich den Body des Töchterchens. Aber Schleusener war vom Erlebnis der Geburt noch völlig durch den Wind. "Ich zog mein T-Shirt aus und stand oberkörperfrei in diesem riesigen Waschraum", erinnert er schmunzelnd. Die Schwestern drehten sich um und fingen lauthals an zu lachen. Da hatte er irgendwas falsch verstanden.

Schleusener geht in seiner Vaterrolle voll auf. Es sei ein unfassbar schönes Gefühl.

Es ist noch mal eine ganz andere Liebe als die, die ich zu meiner Frau habe. Auf einer ganz anderen Ebene.

Die Familie mit Frau, Tochter und auch dem Hund sind Schleuseners "safe space". Hier ist er nicht nur der Fußballer, hier ist er vor allem Ehemann und Familienvater. Wenn es auf dem Platz mal nicht so gut läuft, wird er hier aufgefangen. Genauso wichtig sind ihm die Gespräche mit seinem Bruder oder engeren Freunden.

Auch Schleusener musste schon durch schwierige Lebensphasen. Schwere Verletzungen wie ein Kreuzbandriss oder ein Schienbeinbruch warfen ihn immer wieder zurück. Solche oder ähnliche Situationen belasten nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche. Umso wichtiger sind ihm Gespräche mit einem Sportpsychologen. "Mir hat das damals gutgetan, und es tut mir immer noch gut. Es wichtig, einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Ich arbeite auch hier in Karlsruhe mit unserem Mentalcoach zusammen." Dieser könne den Spielern Tools mitgeben, um Dinge besser angehen zu können.

Überhaupt findet er es cool, dass das Thema mentale Gesundheit auch im Profifußball so offen angegangen wird. Es sei sehr lange in Deutschland verpönt gewesen, darüber offen zu sprechen. "Es geht ja nicht darum, dass ich auf der Couch sitze und über mein Leben erzählen muss." Es gehe um Situationen auf dem Spielfeld oder auch mal um private Probleme. "Da ist es gut, wenn man mit einer dritten Person darüber reden kann."

Fabian Schleusener hat Plan B bereits in der Schubade

Auch arbeitsvertragliche Ungewissheiten können lähmen und blockieren. Schleuseners Vertrag beim badischen Zweitligisten läuft bis zum Sommer 2025. Dieser beinhaltet die Option, dass sich sein Kontrakt automatisch um ein weiteres Jahr verlängert - ab einer bestimmten Zahl von Einsätzen. Diese habe er in dieser Saison zwar noch nicht erreicht, sagt er. Aber "Angst oder Bammel, die Zahl nicht zu erreichen", habe er nicht. "Ich wertschätze es, jeden Tag Sport machen zu dürfen und dafür bezahlt zu werden. Es gibt keinen schöneren Beruf auf dieser Welt. Ich empfinde keinen Druck."

Und wie es sich für einen Profi-Spätstarter gehört, hat der Mittelstürmer selbstverständlich auch bereits einen Plan B für die Zeit nach seiner Fußballkarriere in der Schublade. Studieren möchte er nicht mehr. Stattdessen hat er bereits einige Fitnesstrainer-Lizenzen gemacht (A und B sowie Personal Trainer und eine medizinische Lizenz). Dazu macht er aktuell den Heilpraktiker. Und die Option, eine Trainerlizenz zu machen, hält er sich auch offen. "Ich will auf jeden Fall breit aufgestellt sein, um dann eine gute Entscheidung treffen zu können."

Ganz gleich, wie der Weg des Fabian Schleusener auch weiter geht. Um die Zukunft dieses intelligenten und reflektierten Fußballprofis muss sich niemand ernsthaft Sorgen machen.

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