Lange Liste von angeklagten und verurteilten Politikern
Das Stockacher Narrengericht hat eine lange Historie bis ins 14. Jahrhundert und eine ebenso lange Liste von Verurteilten. In diesem Jahr musste ein Politiker der Grünen vor das Fastnachts-Gremium: Wie erwartet wurde Cem Özdemir verurteilt.
Angeklagte vor dem Stockacher Narrengericht bis 2004:
Empörung nach Rede von Kramp-Karrenbauer 2019 in Stockach
Nach dem Auftritt von der angeklagten Annegret Kramp-Karrenbauer gab es einigen Wirbel in Stockach. Die CDU-Politikerin landete in der Verhandlung eine Pointe mit Nachwirkungen. Sie machte einen Witz über das dritte Geschlecht.
Vor dem „Hohen Grobgünstigen Narrengericht“ wie es auch heißt, kommt normalerweise niemand ungeschoren davon. Wirklich niemand?
Umstrittener und einziger Freispruch: Peter Müller (CDU) aus dem Saarland
Doch, einer hat es geschafft: Er wurde nicht wie alle anderen aus dem politischen Geschäft für seine Missetaten verurteilt. Dieser erste und einzige „Freispruch in der Sache“ 2005 für den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) sei bis heute umstritten und gelte „im Nachhinein auch als krasses Fehlurteil“, gibt das Narrengericht selbst zu.
Allerdings kam Müller doch nicht ganz ungeschoren davon. Weil er die Gerichtsnarren als „Beischläfer“ betitelt hatte, bekam er eine Ordnungsstrafe aufgebrummt: zwei Eimer Wein und die Verpflichtung am Laienschauspiel in Stockach teilzunehmen.
Prominente Angeklagte: von Kurt-Georg Kiesinger bis Angela Merkel
Prominente Politiker sitzen seit 1965 auf der närrischen Anklagebank in Stockach. Der erste war der baden-württembergische Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger (FDP). Mit humorigen Fastnachtsveranstaltungen tat man sich damals offensichtlich etwas schwer, wie man dem folgenden Video anmerkt. Heute nutzen Politiker die ernst-spaßige Verhandlung vor dem Narrengericht gerne, um sich volksnah und humorvoll zu zeigen.
SWR Retro: Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger 1965 vor dem Narrengericht Stockach:
Auch Angela Merkel hat es schon erwischt: 2001 war sie noch nicht Bundeskanzlerin und wurde als CDU-Vorsitzende vorgeladen. Ihre Strafe fiel vergleichsweise milde aus: 1,5 Eimer Wein plus ein Eimer Verzugszinsen ergaben 150 Liter.
Strafen: Eimer von Wein werden in dutzende Liter umgerechnet
Einen Eimer Wein definieren die Stockacher Narrenrichter nämlich nicht etwa nach gewöhnlichen Haushaltseimern, sondern mit einer Füllmenge von 60 Litern. Manchmal lassen sich die Fastnachtsrichter auch eine kuriose Berechnung einfallen. 2012 wurde dem wegen „unrechtmäßiger Verwendung von heißer Luft“ angeklagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ein Skonto in Höhe des Wahlergebnisses der nächsten Landtagswahl eingeräumt: Nach der Wahl im Saarland durfte er knapp 1,5 Liter Wein von seiner Strafe abziehen.
Extras: Flaschensammeln für Thomas Strobl, Sozialstunden für Malu Dreyer
So kommen je nach Anklagepunkten und Urteil etliche Liter Wein zusammen. Eine der höchsten Strafen verhängte das Stockacher Narrengericht 2011 gegen den damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier: viereinhalb Eimer Wein, was 270 Litern entspricht. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) musste 246 Liter Wein organisieren und wurde außerdem zum Flaschensammeln geschickt.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) musste 2018 vors Narrengericht:
Von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) - „die freche Malu“ - war das Stockacher Narrengericht 2017 so entsetzt, dass sie zu 150 Litern Wein plus Sozialstunden verurteilt wurde. Die Angeklagte hatte die Richter zweimal hintereinander als „Grobbrünstiges Narrengericht“ betitelt.
Günther Oettinger: zum Laufnarr ernannt und Kappe verloren
Eine verlorene Laufnarren-Kappe hatte Ministerpräsident Günther Oettinger 2007 bereits vor der Verhandlung einen Liter Wein gekostet. Am Schluss kassierte er eine Strafe von 240 Litern Wein, unter anderem wegen „gedankenloser Schnellsprecherei“ und weil er offenbar mit korrupten Hintergedanken ein Fässchen Wein vorab auf der Gerichtsbühne platziert hatte.
Fürs „Hohe Grobgünstige Gericht“ darfs auch mal ein Bierchen sein
Manchmal scheint auch Bierdurst die Fastnachter vom Bodensee bei ihren Verurteilungen anzutreiben. Für die „Umkehrung der gesellschaftlichen Ordnung“ wurde Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2014 zu drei Eimern Wein (180 Liter) und außerdem 200 Litern Bier verdonnert. Ein ähnliches, etwas milderes Urteil ereilte 2003 den Freiburger Regierungspräsidenten Sven von Ungern-Sternberg: 1 Eimer Wein und 100 Liter Bier. Die Biermarke wird dabei vorgegeben, wohl damit sich die Beklagten nicht mit billigem Fusel aus der Affäre ziehen können.