Migräne, Schlaganfälle und Demenz - Zucker erhöht das Risiko für diese Erkrankungen | Illustration eines Gehirns umkreist von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln

World Brain Day

Wie Zucker dem Gehirn schadet

Stand
Interview mit
Professor Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung
Moderator/in
Christine Langer
Christine Langer
Onlinefassung
Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Migräne, Schlaganfälle und Demenz - Zucker erhöht das Risiko für diese Erkrankungen, erklärt Prof. Frank Erbguth von der deutschen Hirnstiftung im Gespräch mit SWR Kultur Impuls.

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Das Gehirn braucht Zucker

Christine Langer, SWR Kultur Impuls: Wir nehmen ja Traubenzucker, wenn wir unserem Gehirn einen Schub geben wollen - zum Beispiel während einer Prüfung. Es ist ja schon so, dass unser Gehirn Zucker braucht, richtig?

Prof. Frank Erbguth, Präsident der deutschen Hirnstiftung: Unser Gehirn braucht Zucker. Das kann es aber aus der normalen Nahrung entnehmen. Also unsere Vorfahren in der Steinzeit hatten ja auch keinen Zucker und sind trotzdem ganz gut zurecht gekommen.

Dieser Traubenzucker-Effekt (...) - da gibt es schon Hinweise, dass der kurzfristige Zuckeranstieg - den man eigentlich nicht bräuchte - doch zu einer leichten Erhöhung der kognitiven Leistung führt. Aber das ist vorwiegend ein Placebo-Effekt, also es ist sozusagen der Effekt der Erwartung.

Zucker begünstigt Demenz und Schlaganfälle

SWR Kultur Impuls: Also der Zucker, den wir so aus der normalen Nahrung kriegen, reicht aus. Wieviel Zucker ist dann schädlich?

Frank Erbguth: Es gibt viele Studien, dass Zucker tatsächlich in höheren Dosen - zum Beispiel, wenn Sie eine Tafel Schokolade essen (...) - bereits diese Menge ist schon schädlich für die geistige Leistungsfähigkeit.

Bereits der Zucker, der in einer Tafel Schokolade enthalten ist, mindert die Leistungsfähigkeit im Gehirn | Schokoladentafeln mit Nüssen
Bereits der Zucker, der in einer Tafel Schokolade enthalten ist, mindert laut Prof. Frank Erbguth die Leistungsfähigkeit im Gehirn.

Da gibt es Strukturen, den sogenannten Hippocampus, auf den selbst diese kurzfristigen Zucker-Shots negativ wirken. Das ist die akute oder die Sofortwirkung, und dann gibt es zweitens die Langzeiteffekte, und die Laufen über veränderte Stoffwechselsituation im Gehirn.

Da werden Entzündungsvorgänge angestoßen, bestimmte sogenannte Oxidationen. Es wird auf den Insulinstoffwechsel Einfluss genommen und die Gefäßwände kriegen vermehrte Ablagerungen und das führt langfristig dann zu den Krankheiten, die Sie genannt haben - nämlich Demenz, einschließlich Alzheimer und Schlaganfällen, aber auch Herzinfarkte, wenn man jetzt mal von dem Gehirn weggeht.

Migräne wahrscheinlich zuckerabhängig

SWR Kultur Impuls: Und wie wirkt sich der Zucker auf Migräne aus?

Frank Erbguth: Der Zucker macht jetzt nicht einen Migränepatienten zum Migränepatienten, aber die Schwelle, Migräneanfälle zu erleiden ist wahrscheinlich zuckerabhängig. Das liegt an diesen Entzündungsvorgängen. Auch Mechanismus der Migräne beruht auf Entzündungsvorgängen, und das scheint sich zu verstärken.

Die Schwelle, Migräneanfälle zu erleiden, könnte davon abhängen, wie viel Zucker man isst, so Erbguth | Mensch mit Kofschmerzen
Die Schwelle, Migräneanfälle zu erleiden, könnte davon abhängen, wie viel Zucker man isst, so Erbguth.

Industrie befeuert Zucker-Konsum

SWR Kultur Impuls: Eine Abhilfe wäre weniger Zucker essen, aber das fällt uns ja sehr schwer. Warum ist das so?

Frank Erbguth: Das eine sind die Zuckerproduzenten. Wir essen ja jetzt kein Würfelzucker, aber wir trinken mal eine Flasche Limonade, ein Liter. Wenn Sie jetzt eine Wasserflasche hinstellen, einen Liter, und Sie legen jetzt 36 Würfelzucker daneben, dann haben Sie ungefähr das, was Sie mit einer Flasche Limonade hätten. Ich glaube, da wird jedem klar hoch, so ganz toll kann das nicht sein.

Also die Akteure, sind insofern auch die Produzenten von Lebensmitteln, zum Beispiel Softdrinks, die in Deutschland, also überall dort, wo keine Zuckersteuer besteht, sehr viel Zucker in die Limonaden zum Beispiel mixen.

Zuckersteuer zeigt Erfolge in England

SWR Kultur Impuls: Wie stehen Sie denn zur Zuckersteuer? Bei uns gibt es die ja im Moment noch nicht.

Frank Erbguth: In England gibt es die seit 2018 - hatte sie dort Effekte? Ja, das ist ziemlich eindeutig, was die in "Endpunkte" anbelangt, es gibt acht Prozent weniger Adipöse. Und in der englischen Limonadenflasche sind ist ungefähr die Hälfte dessen drin, was in Deutschland drin ist.

Die Deutschen konsumieren knapp über 30 Kilo Zucker pro Jahr. Die Ernährungsempfehlungen würden ungefähr von der Hälfte ausgehen, also 18 bis 19 Kilo ist noch okay.

Gibt es "gesünderen" Zucker?

SWR Kultur Impuls: Macht es eigentlich einen Unterschied welchen Zucker wir essen - also ob es raffinierter Zucker ist oder ob es andere Süßungsmittel sind, Honig oder eben der Fruchtzucker?

Frank Erbguth: Also die Stimulierung des Glykämischen Index und der Zuckerverwertung ist bei der Saccharose, also dem normalen raffinierten Zucker, am stärksten. Insofern haben die anderen Zucker einen kleinen Vorteil, weil sie sich nicht so ganz rabiat auf den Stoffwechsel auswirken, aber in der Nettosumme sind sie nicht gesünder.

Ernährungsorganisationen sind kritisch gegenüber Zucker-Ersatz

Frank Erbguth: Und vielleicht noch ein Wort zu den Zuckerersatzstoffen: Es gibt ja so Zuckeralkohole Xylit, Birkenzucker und Sorbit. Die haben grundsätzlich schon den Vorteil, dass sie praktisch keine Kalorien enthalten und insofern „unschuldiger“ sind.

Es gibt aber jetzt neue Studiendaten, die Hinweise zumindest ergeben, dass sich dort auch die Zahl von Gefäßerkrankungen erhöht, sodass alle Ernährungsorganisation, die früher sogar mal empfohlen haben, jetzt sehr zurückhaltend sind und nicht empfehlen, die routinemäßig als Ersatz einzusetzen. Also einfach runter mit dem Süßverlangen.

Deutsche Hirnstiftung bietet Hilfe an

SWR Kultur Impuls: Sie sind Präsident der Deutschen Hirnstiftung. Die bietet auch Hilfe für alle, die von Demenz, Parkinson oder einer anderen neurologischen Krankheit betroffen sind. Wie sieht die Hilfe da aus?

Frank Erbguth: Wir sind eine Aufklärungsstiftung. Das ist unser Ziel. Gleichzeitig fördern wir neurologische Forschung. Und was wir anbieten, ist persönliche Beratung. Die kann man entweder über die Internetseite digital in Schriftform abgeben oder wir haben auch dort Termine hinterlegt, eine Telefonsprechstunde, wo Sie mit einem neurologischen Menschen sprechen.

Und dort kriegen Sie alle Infos und es reicht von Polyneuropathie, Schlaganfall, Parkinson, alles vertreten.

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