Der Film “Moneyball”, der 2011 in die Kinos kam, erzählt die wahre Geschichte des Managers Billy Beane, der die Baseballmannschaft Oakland Athletics mehrmals in die Playoffs führte. Dabei machte er sich Big Data zunutze, indem er seinen Kader auf der Basis von Daten und Statistiken zusammenstellte und sich nicht mehr auf die subjektiven Ansichten erfahrener Trainer verließ. Durch den Vergleich bestimmter Werte konnte er starke, aber unbeachtete Spieler für verhältnismäßig wenig Geld in sein Team holen.
Big Data erobert den Fußball
Was damals eine Besonderheit war, ist heute Standard – auch im Fußball. Daniel Memmert, Professor an der Sporthochschule Köln und Autor mehrerer Werke zum Thema Sport und Sportanalyse beschäftigt sich intensiv mit Big Data: „Es geht schon damit los, dass die Fußballspieler so getrackt werden, dass die x-y-Koordinaten der Spieler und des Balles aufgezeichnet werden und man quasi die Bewegungen der Spieler in jeder Sekunde direkt nachverfolgen kann. Und mit diesen Daten kann man dann weiter Informationen extrahieren.“
Die Spieler werden sowohl bei Spielen als auch im Training getrackt, das heißt ihre Bewegungsrichtungen und Aktionen werden vollständig erfasst. Die gesammelten Daten liefern einerseits Informationen zur körperlichen Leistung, beispielsweise der Laufgeschwindigkeit, der Länge der Laufwege und der allgemeinen Belastung. Das ermöglicht es Trainern, die Einheiten für ihre Spieler individuell anzupassen. Andererseits machen Daten auch die taktische Leistung der Spieler sichtbar. Jede Pass- oder Schussentscheidung kann ausgewertet werden.
Big Data unterstützt Trainer beim Zusammenstellen eines Kaders
Die gesammelten Daten machen es möglich, Spieler aus verschiedenen Vereinen und Ligen miteinander zu vergleichen. Trainer können daher bereits durch die Sichtung von Datensätzen einen ersten Eindruck von der Leistung eines Spielers gewinnen. Die Frage, welche Spielerparameter für den Sieg besonders entscheidend sind, interessiert nicht nur Spieler, Trainer und Manager, sondern auch Wissenschaftler, so Memmert.
Mittlerweile ist nachgewiesen, dass eine hohe Passquote und viel Ballbesitz allein noch keinen Sieg garantieren. Viel wichtiger ist beispielsweise die Fähigkeit eines Spielers, unter hohem Druck möglichst viele Gegenspieler zu überspielen. Außerdem sollte ein Team im Angriff einen möglichst großen Raum kontrollieren und nach einem Ballverlust sehr schnell wieder Druck in der Verteidigung aufbauen. Dieses schnelle „Umschalten“ vom Angriff in die Verteidigung wird auch Pressing genannt.
Big Data soll Verletzungen vermeiden
Für den Erfolg ist es Vereinen auch wichtig, Verletzungen von guten Spielern zu vermeiden. Das spart außerdem Geld, denn wenn weniger Spieler ausfallen, genügt ein kleinerer Kader. Potenzial hat Big Data in diesem Bereich ebenfalls. Trainer versuchen, in den Daten Muster zu erkennen, die vielleicht eine mögliche Verletzung eines Spielers vorhersagen, erklärt Daniel Memmert das Prinzip der sogenannten Verletzungsprävention. Allerdings sei die Forschung in diesem Bereich erst am Anfang und jeder Verein untersuche sein eigenes kleines Modell. Forschung in diesem Feld sei wohl auch deshalb schwieriger, weil die Privatsphäre und persönlichen Daten der Spieler zu einem gewissen Grad geschützt würden.
Profis sind gläserne Spieler
Abgesehen davon macht die Datenanalyse aber nicht vor dem Privatleben der einzelnen Spieler halt. Alle Möglichkeiten werden ausgeschöpft, um ein Team zur Höchstleistung zu bringen. Es ist keine Seltenheit, dass vor einem Spiel der Blutdruck eines Spielers gemessen wird, um seine Leistungsfähigkeit und Fitness zu überprüfen. Auch der Schlaf und die Ernährung der Profis werden regelmäßig kontrolliert. Eine Herausforderung für die Forschung liege vor allem darin, die verschiedenen gesundheitsbezogenen Datensets zusammenzubringen.
Misserfolge trotz Optimierung durch Big Data
Das frühe Aus bei der Weltmeisterschaft in Katar beweist, dass Erfolg trotz aller Analysen nicht garantiert ist. Memmert stellt klar, dass Big Data zunächst einmal eine Objektivierung von den Dingen ist, die auf dem Platz stattgefunden haben. Sachverhalte können ohne emotionale Einflüsse völlig rational betrachtet werden. „Durch Big Data kann man beispielsweise erkennen, dass es bei der deutschen Fußballnationalmannschaft relativ viele Torabschlüsse waren – die meisten in der Gruppenphase – und somit der Matchplan von Hansi Flick in weiten Teilen auch aufgegangen ist.“ Die deutsche Nationalmannschaft konnte den Ball auch schnell wieder zurückerobern. Wie Statistiken zeigen, brauchten fast alle anderen Teams länger dafür. Diese Daten sprechen also erst einmal dafür, dass eine WM erfolgreich verläuft. Trotzdem zählen im Fußball schlussendlich nur die Tore und gerade dabei kommt es häufig vor allem auf den Zufall an.
Der Fußball bleibt unvorhersehbar und spannend
Baseball ist ein viel statischeres Spiel als Fußball, einzelne messbare Fähigkeiten von Spielern wiegen hier mehr. Durch Datenanalyse kamen die Oakland A’s unter Billy Beane daher weiter als das Team von Hansi Flick. Allerdings gingen die A’s, sowohl im Film als auch in der Realität, am Ende ebenfalls leer aus. Das zeigt auch, was Sportarten wie Baseball und Fußball für viele so spannend macht: Sie sind nicht vorhersehbar. Und das wird auch trotz Datenanalyse so bleiben.