Starkes Fieber, Atemnot, Schweres Husten bis hin zur Lungenentzündung und Tod – so zeigt sich das Schwere Akute Respiratorische Syndrom, besser bekannt als SARS. 2003 verbreitet es sich in knapp 30 Ländern in der ganzen Welt. Es gilt als die erste Pandemie des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
Hotelgast wird zum Superspreader
Der damalige Pandemieverlauf wird später wie folgt rekonstruiert: Bereits Ende 2002 springt das Virus mutmaßlich von einem Tier auf einen Menschen über – dieser Patient Null infiziert sich in China. Es ergibt sich eine Infektionskette, die Mitte Februar den Oberarzt und Lungenspezialisten Liu Jianlun erreicht.
Er infiziert sich und steckt später in einem Hotel in Hongkong mehrere Gäste an – ein Superspreader Event. Die Gäste kommen aus Singapur, Kanada und den USA. Sie tragen den Krankheitserreger in ihre Heimatorte. Die Infektionsmeldungen häufen sich.
SARS erreicht Deutschland
Mitte März 2003 gibt die Weltgesundheitsorganisation WHO eine weltweite Warnung vor Fällen der atypischer Lungenentzündung heraus. Mittlerweile treten auch verdächtige Krankheitsverläufe in Europa auf.
Auch die deutschen Medien berichten jetzt: „Nach der Ausbreitung einer lebensgefährlichen Lungenentzündung in Asien haben mehrere Europäische Länder ihre Vorsorgemaßnahmen verstärkt. In Deutschland ist bislang unklar, ob ein in Frankfurt gelandeter Arzt aus Singapur mit dem Virus infiziert ist", heißt es in der Tagesschau vom 16. März 2003.
Proben des 32-jährigen Patienten mit verdächtigen Symptomen wurden im Hochsicherheitslabor in Marburg untersucht. Heute weiß man: Der Arzt aus Singapur, von dem die Probe stammte, war der erste von insgesamt neun SARS-Patienten in Deutschland.
Die Forschung lief damals auf Hochtouren, erinnert sich Professor Stephan Becker, Leiter der Virologie am Uniklinikum Marburg:
Erreger-Virus überrascht die Fachwelt
Becker war 2003 an der Entdeckung des SARS-Erregers beteiligt. Innerhalb weniger Wochen gelang die Identifikation: "Es war dann für uns alle völlig überraschend ein Coronavirus, was man bis dato immer nur mit ganz leichten Symptomen verbunden hatte", erinnert sich Becker. Coronaviren wurden zwar bereits vorher beobachtet – auch beim Menschen – doch sie waren damals nur als Auslöser leichter Erkältungskrankheiten bekannt.
Als dann klar war, was der Erreger ist, so Becker, sei es auch einfacher möglich gewesen das Pandemiegeschehen nachzuverfolgen. Auch Hygienemaßnahmen habe man dann ganz gut ergreifen können.
Pandemie endet ohne Impfstoff
Ein Forschungsteam um den jungen Christian Drosten entwickelte in Hamburg in kurzer Zeit einen Test auf das Erreger-Virus. Auch an einem Impfstoff wurde damals gearbeitet. Doch zur Marktreife schaffte er es nie. SARS verschwand – zur Erleichterung aller – binnen eines Jahres auch ohne Impfstoff. Circa 8.000 Menschen infizierten sich damals, fast jeder Zehnte starb.
Die Welt kommt mit einem Schrecken davon
Viele Expertinnen und Experten reden von Glück, dass SARS nicht ansteckender war und sich nicht schneller verbreiten konnte. Der Verlauf der SARS-Pandemie 2003 hat gezeigt, dass bereits wenige Fälle ausreichen können, um ein globales Infektionsgeschehen auszulösen, und zur Überraschung der Forschenden, dass ein Coronavirus sehr wohl in der Lage ist, sich pandemisch auszubreiten.
Dieses Pandemiegeschehen 2003 hatte zum einen eine psychologische Wirkung. Gerade bei Ländern wie Taiwan und Singapur saß der Schock tief. Sie waren 2003 stark von der SARS-Pandemie betroffen, und reagierten dann 2020 schneller mit Eindämmungsmaßnahmen – sie sind besser durch die Pandemie gekommen als die meisten anderen Länder.
Entdeckung des SARS-Erregers verschaffte 2020 einen medizinischen Vorsprung
Zum anderen sorgte die SARS-Pandemie aber auch für einen wissenschaftlichen Vorteil: Durch Tests an Tieren fand man während der damaligen Impfstoffherstellung schon heraus, dass bei Coronaviren das Oberflächenprotein ausschlaggebend ist, damit der Körper das Virus erkennen kann und Antikörper bildet. Eine entscheidende Erkenntnis, die 2020 dabei half, schnell einen Impfstoff gegen Covid-19 herzustellen, selbst wenn die Impfstofftechnologie eine völlig andere war.
Welchen zeitlichen Vorteil uns dieses Wissen 2020 verschaffte, das lässt sich natürlich nicht quantifizieren. Aber eins ist klar: Man konnte aus der Pandemie 2003 lernen. Es wurden Pandemiepläne erstellt, der Erreger war bekannt und bei der Entwicklung von Tests und Impfstoffen konnte auf ebendieses Wissen aus 2003 zurückgegriffen werden.