Bisherige Studien legen nahe, dass auch Tiere, wie beispielsweise Menschenaffen, Katzen und andere Säugetiere einen REM-Schlaf durchlaufen und dabei möglicherweise sogar träumen. Unklar war bislang, ob auch Vögel träumen könnten. Ihrem Gehirn fehlt die für Säugetiere typische Großhirnrinde, die zu den sogenannten höheren Hirnregionen zählt und eine leitende Funktion beim Träumen hat.
Aktivierungsmuster während des REM-Schlafs
Forschende des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz und der Ruhr-Universität Bochum wollten herausfinden, ob auch Vögel möglicherweise träumen. Hierfür untersuchten sie die Gehirnaktivitäten von Tauben beim Schlafen. Die Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Nature Communications. Die Studie zeigt: Bei Tauben finden sich während ihres REM-Schlafs im Gehirn Aktivierungsmuster, die auf Träume hindeuten.
Die vier Phasen des Schlafs
Der Schlaf lässt sich in insgesamt vier Phasen unterteilen. Wenn wir Menschen schlafen, tauchen wir erst in der vierten Schlafphase in die Welt der Träume ein. Davor kommen die drei Phasen, die als Non-REM-Schlaf bezeichnet werden. Die Abkürzung steht für "non-rapid-eye-movement", auf Deutsch heißt das "keine schnelle Augenbewegung". Hierzu zählen die Einschlafphase, der Leichtschlaf und der Tiefschlaf.
Die vierte Phase ist der sogenannte REM-Schlaf. Diese Phase unterscheidet sich von den anderen Phasen durch das schnelle und ziellose Bewegen der Augen, die Steigerung von Herz- und Atemfrequenz, Blutdruck und Hirndurchblutung. In dieser Phase träumen wir.
Auffällige Hirnaktivitäten bei Tauben
In ihrem Experiment beobachteten die Forschenden mittels Infrarot-Videokameras 15 schlafende Tauben und zeichneten parallel dazu ihre Hirnaktivität via funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) auf. Durch die Pupillenbewegung konnte die jeweilige Schlafphase festgestellt werden. Es ist bereits bekannt, dass Vögel wechselnde Phasen des Tiefschlafs und des REM-Schlafs zeigen. Allerdings dauert jede REM-Phase nur wenige Sekunden, dafür durchlebt ein Vogel hunderte davon pro Nacht.
Träumen Tauben vom Fliegen?
In diesen Traum-Phasen waren laut der Studie fast alle die Körperwahrnehmung betreffende Hirnareale hochaktiv. Vor allem Hirnbereiche, die für die Verarbeitung visueller Reize zuständig sind, waren messbar aktiv. Darunter waren auch Areale, die analysieren, wie sich die Umgebung einer Taube während des Flugs verändert. Eine ebenfalls auffällige Aktivität maßen die Forschenden in den Hirnarealen, die Nervensignale aus dem Körper und von den Flügeln verarbeiten. Nach Ansicht der Forschenden legen diese Ergebnisse nahe, dass auch Vögel echte Träume erleben könnten. Mehdi Behroozi, einer der Autoren der Studie meint dazu in einer Pressemitteilung:
Auch emotionale Prozesse messbar
Außerdem stellte das Forschungsteam fest, dass während der REM-Phasen die Amygdala aktiviert wurde. Die Amygdala ist eine Gehirnstruktur, die bei emotionalen Prozessen eine wichtige Rolle spielt. Die Tauben könnten folglich beim Träumen sogar intensive Gefühle durchleben, wie die Hirnscans andeuten.
„Das deutet darauf hin, dass auch Vögel in ihren Träumen Gefühle empfinden, sofern sie etwas erleben, das unseren menschlichen Träumen ähnelt“, sagt Gianina Ungurean aus der Forschungsgruppe Vogelschlaf des Max-Planck-Instituts, die ebenfalls an der Studie beteiligt war. Gestützt wird diese Annahme durch die Beobachtung, dass sich im REM-Schlaf die Pupillen der Vögel immer wieder schnell zusammenziehen. Diese Pupillenverengung tritt auch bei wachen Vögeln während der Balz oder bei Aggression auf.
Schlaf zur Reinigung des Gehirns
Die Forschenden vermuten, dass die Reinigung des Gehirns im Schlaf für Vögel von großer Bedeutung sein könnte. Vogelgehirne sind dichter mit Nervenzellen gepackt als die Gehirne von Säugetieren, weshalb möglicherweise effizientere oder häufigere Spülzyklen erforderlich sind, um schädliche Rückstände abzutransportieren. Während ihrer häufigeren und kürzeren REM-Phasen steigt der Blutstrom häufig an, wodurch ihre dichten Gehirne von schädlichen Abfallprodukten freigehalten werden könnten.
"Zu Beginn des REM-Schlafs vergrößert sich der Durchmesser der Blutgefäße durch den steigenden Blutzufluss. Dadurch könnte Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, die während des Non-REM-Schlafs in die Hirnkammern geflossen ist, ins Hirngewebe strömen und dafür sorgen, dass die mit Abfallstoffen belasteten Flüssigkeiten abfließen", erklärt Ungurean in einer Pressemeldung.