Psychologie

Swipen durch Online-Videos verstärkt Langeweile

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Autor/in
Pascal Kiss
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Martina Janning
Martina Janning, Redaktion SWR Wissen aktuell

Durch Videos zu swipen soll Langeweile vertreiben. Doch das kann kontraproduktiv sein. Das schnelle Scrollen durch Online-Videos verstärkt Langeweile eher, zeigt eine neue Studie.

Einfach mal abschalten, kurz raus aus dem Alltagsstress. Dafür schauen wir oft aufs Smartphone und scrollen durch die aktuellen News, scannen die neusten Videos an der Bushaltestelle oder auf dem Sofa. Häufig geht es dabei um Langeweile, die Menschen möglichst vermeiden wollen. Doch das ständige Ablenken kann sogar zu mehr Langeweile führen, wie eine neue Studie festgestellt hat, die im Fachmagazin Journal of Experimental Psychology erschienen ist.

Scrollen führt zu mehr Langeweile als das Anschauen langer Videos

Ein Forschungsteam hat dafür mehrere Experimente mit über 1.200 Teilnehmenden gemacht. In einem Experiment haben Studierende längere Videos am Stück geschaut, ein anderes Mal konnten die Studierenden Videos bei Langeweile ganz schnell abbrechen, um direkt neue Videos zu sehen. Das entspricht dem, wie soziale Netzwerkplattformen wie TikTok, Instagram oder Youtube-Shorts aufgebaut sind.

Es zeigte sich: Die Gruppe, die bei Langeweile schnell neue Videos aufrufen konnte, fühlte sich nach dem Experiment deutlich gelangweilter und unzufriedener als die Vergleichsgruppe. Die leitende Studienautorin Katy Tam sagte dazu: "Digitales Hin- und Herwechseln kann dazu führen, dass der Inhalt von Online-Videos bedeutungslos erscheint, weil die Menschen keine Zeit haben, sich damit zu beschäftigen oder ihn zu verstehen."

Die Forschenden haben insgesamt sieben Experimente gemacht und verschiedene Nutzungssituationen verglichen, bei denen Studierende mal lange Online-Videos geschaut oder kurze Videos durchgescrollt haben. Das Durchscrollen durch Online-Videos verstärkt Langeweile eher, zeigt eine neue Studie. Symbolbild: Junge Menschen schauen aufs Handys.
Die Forschenden haben insgesamt sieben Experimente gemacht und verschiedene Nutzungssituationen verglichen, bei denen Studierende mal lange Online-Videos geschaut oder kurze Videos durchgescrollt haben.

Mehr Freude durch längere Online-Videos

Um weniger gelangweilt und zufriedener zu sein, empfiehlt das Forschungsteam, sich möglichst auf einen Inhalt, also zum Beispiel auf ein Video, zu konzentrieren.

Die leitende Studienautorin vergleicht das mit einem Besuch im Kino, wo man sich bewusst auf ein intensives Erlebnis durch einen längeren Film einlässt. Es "kommt auch beim Anschauen von Online-Videos mehr Freude auf, wenn man sich in den Inhalt vertieft, anstatt durch die Videos zu swipen", erläutert Katy Tam von der University of Toronto.

Auch andere Studien finden Hinweise, dass das bewusste Anschauen von längeren Videos viel zufriedener macht, als wenn wir über 100 kurze Videos auf TikTok sehen.

Studien zufolge schauen TikTok-User am Tag bis zu 100 kurze Videos - zumindest die ersten Sekunden. Das bedeutet zwar viel Abwechslung, fühlt sich aber für viele User zumindest nach der Nutzung anstrengend an, und sie fühlen sich gelangweilter als vorher.

Menschen empfinden Langeweile als unangenehm

Langeweile ist ein Gefühl, das Menschen zu vermeiden versuchen. Denn Langeweile wird oft als Stress empfunden, als innere Unruhe oder eine gewisse Leere. Das wird häufig als unangenehm wahrgenommen.

Um das Gefühl der Langeweile möglichst schnell loszuwerden, gehen Menschen sehr weit, wie frühere Studien herausgefunden haben. Wer gelangweilt ist, kauft zum Beispiel häufiger spontan etwas. In experimentellen Studien haben Personen sich bei Langeweile sogar öfter Elektroschocks gegeben oder anderen Menschen zum Vergnügen Schaden hinzugefügt.

Mann mit Einkaufstüten: Menschen sind bemüht, Langeweile zu vermeiden und dieses Gefühl nicht zu verstärken. Deshalb scrollen sie zum Beispiel durch Online-Videos oder tätigen Impulskäufe.
Menschen sind bemüht, Langeweile zu vermeiden und dieses Gefühl nicht zu verstärken. Deshalb scrollen sie zum Beispiel durch Online-Videos oder tätigen Impulskäufe.

Bewusste Reize gegen Langeweile

Außerdem: Wer sich oft gelangweilt fühlt, besitzt ein erhöhtes Risiko für depressive Verstimmungen und Angstzustände, und er verhält sich risikoreicher. Deswegen ist es auch verständlich, dass ein Smartphone mit all seinen Optionen zum Ablenken bereits beim ersten Aufkeimen von Langeweile genutzt wird. Hier warten viele Reize zur Ablenkung.

Aber immer mehr Forschungsarbeiten zeigen: Viele Reize sind nicht das beste Rezept gegen Langeweile, sondern lieber: mehr bewusste Reize. Für die digitalen Medien heißt das: Mal bewusst ein Video oder einen Podcast ohne viele Nebenbeschäftigungen hören.

Oder natürlich auch mal ganz auf Medien verzichten und Langeweile aushalten. Vielleicht ergeben sich daraus automatisch weniger langweilige Optionen - wie das Beobachten der Umwelt oder ein kurzes spontanes Gespräch.

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