Elektrische Energieübertragung

Supraleiter-Kabel: Die Stromleitung der Zukunft?

Stand
Autor/in
Hellmuth Nordwig
Onlinefassung
Julia Otto

In München wird das längste Supraleiter-Stromkabel der Welt verlegt. Diese Kabel übertragen den Strom deutlich effizienter als herkömmliche Kupferkabel. Sie müssen zwar gekühlt werden, doch der Einsatz lohnt sich trotzdem. Sieht so die Stromleitung der Zukunft aus?

Hochspannungskabel transportieren die elektrische Energie vom Kraftwerk zu den Zentralen in den einzelnen Orten, den Umspannwerken. 110.000 Volt beträgt die Hochspannung in diesem Rückgrat des Netzes. In den Umspannwerken wird sie sukzessive auf 220 Volt reduziert, die Spannung, mit der unsere Geräte zu Hause klarkommen.

Viele Hochspannungskabel bereits vor Jahrzehnten verlegt

Viele Hochspannungskabel sind noch aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und müssen ausgetauscht werden. Sie sind nicht mehr Stand der Technik oder werden erst gar nicht mehr hergestellt, sagt auch Peter Michalek, der bei den Münchener Stadtwerken für die Netzinfrastruktur zuständig ist. Mancher Versorger setzt auf eine neue Technik, die effizienter ist als bisher.

Hochspannungsleitungen
Viele Hochspannungskabel kommen in die Jahre und müssen erneuert werden, damit die Stromversorgung weiterhin zuverlässig klappt.

Neue Technik – Hochtemperatur-Supraleiter

Nicht nur dort setzen die Spezialisten auf eine völlig neue Technik: Hochtemperatur-Supraleiter. Anders als Kupfer leiten diese speziellen Materialien den Strom ganz ohne Widerstand, wenn es nur kalt genug ist. Das können nur ganz bestimmte Keramiken.

Die Firma THEVA in Ismaning bei München stellt aus ihnen Drähte her. Lange Zeit war das nicht möglich. Kann man sich gut vorstellen, wenn man das Ausgangsmaterial sieht: Fein gemahlene Keramik. "Das ist also nichts Flexibles, sondern wie man halt Keramik so kennt. Wir haben versucht, ein flexibles Substrat zu nehmen, das man wickeln und wie einen Draht behandeln kann und da das Material als dünne Schicht drauf zu machen", erklärt der Firmengrüner Werner Prusseit.

THEVA-Firmengründer Werner Prusseit
Supraleiter leiten Strom wesentlich effizienter als z.B. Kupferkabel. Dieses Potential hat auch der THEVA-Firmengründer Werner Prusseit erkannt.

Wie funktionieren die Hochtemperatur-Supraleiter

In der Produktionshalle von THEVA zeigt der Physiker, wie das geht. Hier stehen lauter durchsichtige Kästen, so groß wie Spülmaschinen. Aus denen kann man die Luft heraus pumpen und so ein Vakuum erzeugen. Drinnen liegt das schwarze Supraleiter-Pulver auf einem Schälchen. Wird es heiß gemacht, verdampft die Keramik im Vakuum und schlägt sich auf einem Band aus einer Metallfolie nieder. Das wird in den Kästen mehrmals durch den Dampf mit dem Supraleiter durchgeführt.

Theva-Supraleiter Produktionshalle
In der Produktionshalle von THEVA wird in durchsichtigen Kästen ein Vakuum erzeugt. Das Supraleiterpulver wird erhitzt. Im Vakuum verdampft die Keramik und schlägt sich auf einer Metallfolie nieder. 20 Stunden dauert es, bis eine hauchdünne Lage des Supraleiters auf der Metallfolie niedergeschlagen ist.

Eine Manufaktur nennt Werner Prusseit das, und tatsächlich ist viel Handarbeit dabei. 20 Stunden dauert es, bis eine hauchdünne Lage des Supraleiters sich schließlich auf der Metallfolie niedergeschlagen hat. Aber diese extrem feine Schicht trägt genauso viel Strom wie ein fast ein Zentimeter dickes Kupferband.

Keramik statt Kupfer: Spart Platz und Energie

Keramik statt Kupfer spart also Platz, und außerdem leitet sie ja ohne Widerstand, also ohne Energieverluste und dadurch hocheffizient. Das macht die Supraleitung so interessant für Stromversorger, auch wenn die Kabel selbst teurer sind, erläutert Peter Michalek.

"Ein Supraleitungskabel kann man nach unserer bestehenden Planung für fünf bestehende Kabel einsetzen. Die Folge davon ist, dass man natürlich wesentlich weniger Tiefbauarbeiten, weniger offene Gräben in München und auch sehr viel geringere Kosten hat."

Theva-Supraleiter-Kabel
Bei der Herstellung der Supraleiter ist viel Handarbeit erforderlich.

Hochtemperatur-Supraleiter funktionieren bei minus 200 Grad

Zwölf Kilometer wollen die Versorger in der bayerischen Hauptstadt mit dem Supraleiter-Kabel erneuern, über eine so weite Strecke hat das noch niemand versucht. Für große Stromtrassen wäre die Technik allerdings zu teuer. Neu ist auch: Die Keramikschicht leitet den Strom nicht bei normaler Temperatur. Das Material heißt zwar Hochtemperatur-Supraleiter.

Das bedeutet aber nicht, dass es besonders heiß sein muss. Im Gegenteil. Der Begriff sei Michalek zufolge etwas irreführend, Hochtemperatur bedeute im Fall der Supraleitung immer noch minus 200 Grad. Klassische Supraleiter kommen sogar erst bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad in diesen besonderen Zustand. Die modernen supraleitenden Keramiken sind weniger anspruchsvoll, was die Kühlung betrifft.

Hochtemperatur-Supraleiter: Der Strom wird ganz ohne Widerstand durch die Keramik geleitet, wenn es kalt genug ist.
Hochtemperatur-Supraleiter: Der Strom wird ganz ohne Widerstand durch die Keramik geleitet, wenn es kalt genug ist.

Für den Hochtemperatur-Supraleiter reicht die Kühlung mit flüssigem Stickstoff aus. Entsprechend sind die Kabel aufgebaut: Um die hauchdünnen stromführenden Drähte herum fließt Stickstoff. Und damit der nicht gleich verdampft, ist das Ganze umhüllt von einer Wärmeisolations-Schicht, genau wie bei einer Thermoskanne, sagt Werner Prusseit. Nach außen hin sehe man da keinen Unterschied - mit der gleichen schwarzen Beschichtung - und könne wie ein normales Kabel in die Erde verlegt werden.

Doch erst einmal wird es noch etwa zwei Jahre dauern, bis die Drähte für zwölf Kilometer Supraleitungs-Kabel in der Manufaktur hergestellt sind. Dann sollen die Leitungen für die effiziente Stromversorgung der Zukunft verlegt werden.

Stand
Autor/in
Hellmuth Nordwig
Onlinefassung
Julia Otto