Wie tickt unsere innere Uhr? Wie ticken unsere Zellen und Organe?
Wenn wir gesund sind und uns wohl fühlen, dann läuft in unserem Körper ein synchroner Rhythmus ab, der auch zirkadianer Rhythmus genannt wird. Er umfasst etwa 24 Stunden, also einen Tag. In dieser Zeit synchronisiert unser Organismus sämtliche physiologischen Vorgänge im Körper, etwa den Schlaf-Wach-Rhythmus. Der ist bei Erwachsenen ähnlich. Wir schlafen nachts, tagsüber sind wir wach.
Um diesen Rhythmus individuell zu bestimmen, hat ein Forschungsteam um Angela Relógio von der Medical School Hamburg und der Berliner Charité einen Speicheltest entwickelt, der unter anderem zu einer größeren Personalisierung von Krebstherapien verhelfen könnte.
Was passiert, wenn der zirkadiane Rhythmus gestört ist?
Wie sich ein veränderter zirkadianer Rhythmus anfühlt, erleben wir etwa bei Jetlag. Relógio erklärt das am Beispiel einer Reise von Berlin nach New York:
Der zirkadiane Rhythmus von unseren Zellen im Gehirn zum Beispiel, der passt sich ganz gut an die neue Zeit an, der zirkadiane Rhythmus von unseren Zellen in der Leber ist noch über dem Atlantik und der zirkadiane Rhythmus von unserm Herzen ist noch in Berlin. Damit fühlen wir uns schlecht, weil der zirkadiane Rhythmus nicht mehr synchron, sondern gestört ist.
Ein Jetlag ist meist nur von kurzer Dauer. Unser zirkadianer Rhythmus passt sich der Umwelt nach einer gewissen Zeit an und wir fühlen uns wieder wohl.
Ist der Rhythmus länger gestört, dann können Krankheiten entstehen, weil solche Prozesse dann nicht mehr optimal funktionieren oder nicht in der richtigen Zeit stattfinden, erklärt Relógio. Das kann Schlafstörungen oder Krankheiten wie Depressionen, Diabetes, Neurogeneration, Fettleibigkeit oder Krebs zur Folge haben, so die Forscherin weiter.
![Mann nimmt Speichelprobe mit Wattestäbchen aus dem Mund. (Foto: IMAGO, IMAGO / blickwinkel) Mann nimmt Speichelprobe mit Wattestäbchen aus dem Mund.](/wissen/1713347288775%2Cspeicheltest-innere-uhr-104~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Zirkadiane Rhythmik kann durch Speicheltest entschlüsselt werden
In jeder Zelle des menschlichen Körpers steigt und sinkt die Aktivität vieler Gene. Innerhalb von 24 Stunden sind das zum Beispiel Gene, die die Zellteilung oder den Stoffwechsel steuern. Je nach Tageszeit und Helligkeit sind sie mehr oder weniger aktiv.
Um diesen Rhythmus zu entschlüsseln, hat das Team um Angela Relógio einen Speicheltest entwickelt, der so einfach und schmerzfrei ist, wie wir es noch aus Corona-Zeiten kennen. Zu vier unterschiedlichen Tageszeiten geben die Testpersonen Speichelproben ab.
Die ausgelesene mRNA ergibt dann ein ganz persönliches Profil. TimeTeller nennen die Forschenden den Test – sinngemäß: Zeit-Erzähler: Eine Kombination aus experimentellen Analysen und mathematischen Modellen.
Medizinische Behandlung kann an zirkadiane Rhythmik angepasst werden
Hauptziel des TimeTeller ist es, bei Krebskranken den Zeitplan der medizinischen Behandlung an den zirkadianen Rhythmus der einzelnen Patienten und Patientinnen ganz individuell anzupassen.
Die Krebszellen haben eine Uhr, die anders ist. Wir vermuten, damit können sich die Zellen besser verstecken vor dem Immunsystem. Was wir versuchen, ist herauszufinden, wann können wir das Arzneimittel geben, so dass es für die gesunden Zellen am wenigsten toxisch, und dabei für die Krebszellen genauso toxisch ist.
Die Behandlung soll so optimiert, und die teils starken Nebenwirkungen der Krebsbehandlungen verringert werden. Erste Studien der TimeTeller-Methode waren erfolgsversprechend. Aktuell nehmen 35 Krankenhäuser an weiteren klinischen Studien teil. Künftig wollen die Forschenden so auch Parkinson-Patienten helfen.
Ob krank oder gesund – Angela Relógio und ihr Team arbeiten daran, anhand ihres zirkadianen Rhythmus bald jedem personalisierte Empfehlungen zu geben: sei es für den besten Schlaf, die optimale Zeit Sport zu treiben oder den perfekten Zeitpunkt für eine medizinische Behandlung.