Mobilität

So fahrradfreundlich sind Deutschlands Städte

Stand
Moderator/in
Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR Kultur Impuls.
Interview
Christoph Schmidt, Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.
Onlinefassung
Leila Boucheligua

Im Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) küren Radfahrende alle zwei Jahre die fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands. Über die nun veröffentlichten Umfrageergebnisse des Jahres 2022 hat SWR2 Impuls mit dem ADFC-Vorsitzenden Christoph Schmidt gesprochen. 

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) will als Verkehrsclub und Lobbyverband für Fahrradfahrer die sogenannte sanfte Mobilität fördern, womit emissionsarme Fortbewegungsmittel wie das Fahrrad gemeint sind. Fast alle Städte sind dafür, dass die Menschen mit dem Fahrrad zur Schule, zur Uni, zur Arbeit oder eben abends in die Kneipe oder ins Kino fahren. Nur klappt das in der Realität nicht immer.

Welche Städte in Deutschland Radfahrende aktuell für besonders fahrradfreundlich halten – und welche weniger–, zeigen die kürzlich veröffentlichen Umfragergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2022.

SWR2 Impuls: Karlsruhe war beim ADFC-Test immer die Fahrradhauptstadt. Ist das auch in diesem Jahr so? 

Christoph Schmidt: Nein, Münster hat wieder den ersten Platz zurück errungen. Münster war es ja viele Jahre lang, Karlsruhe jetzt zuletzt. Aber Karlsruhe ist auf den zweiten Platz zurückgerutscht, direkt vor Freiburg auch aus der Senderregion und Münster ist wieder auf Platz eins gekommen.  

Und das, obwohl Karlsruhe die Stadtbahnen alle in den Untergrund verlegt hat? Die Innenstadt ist ja jetzt sozusagen frei.  

Die Untertunnelung der Fußgängerzone bringt aber vor allen Dingen den Fußgängern etwas. Ich denke, für den Radverkehr hat Münster jetzt gemerkt, dass es etwas tun muss, vielleicht auch durch den Klimatest, und hat jetzt wieder begonnen, in die Infrastruktur zu investieren.  

Wie kommen denn die Ergebnisse von diesem Klimatest zustande?  

Es ist nicht so, dass wir die Städte bewerten, sondern wir haben eine Umfrage gemacht, wo die Fahrradfahrenden aus den jeweiligen Städten sagen, wie sie die entsprechende Situation finden – wie breit die Radwege sind, ob sie sich sicher fühlen, ob Falschparker abgeschleppt werden etc. Das wird jeweils im Schulnotensystem von eins bis sechs bewertet und dann wird aus den Teilnoten eine Gesamtnote errechnet.  

Gibt es da nicht das Risiko, dass schöne, große, flache Städte, wo man ganz einfach Fahrrad fahren kann, vor allem mit vielen Einwohnern, bei der Befragung vorne liegen?  

Ja, das ist schon so, dass natürlich da, wo die Topologie passt, der Radfahrer auch eher dem Radfahren positiv gegenübersteht. Aber es wird ja vor allen Dingen die Qualität der Infrastruktur bewertet und das Klima bezüglich der Verkehrssituation, ist es aggressiv oder läuft es ganz entspannt ab? Und da geht es jetzt weniger um die Topologie.  

Welche Städte haben denn sonst noch gut abgeschnitten? Und vielleicht auch welche Städte im Südwesten? 

Im Südwesten sind es vor allen Dingen, was ich gerade schon gesagt habe, Karlsruhe und Freiburg. Bei den größten Städten Deutschlands ist Bremen auf Platz eins gelandet vor Frankfurt. Im Südwesten haben wir von diesen größeren Städten nur Stuttgart dabei. Stuttgart ist auf dem elften Platz gelandet mit einer Note von 4,2. Da ist noch richtig viel zu tun.  

Was macht denn eine gute Fahrradstadt aus?

Es geht einerseits um das Thema Sicherheit. Das ist über die Jahre hinweg immer wieder eines der Hauptthemen. Was die Menschen wollen, ist natürlich sicher zur Arbeit kommen und sie wollen das auf guter Infrastruktur, auf breiten Radwegen und möglichst separiert vom Autoverkehr.

Wir sehen aber jetzt in diesem Jahr verstärkt, dass das Thema Verkehrsfluss in den Vordergrund gerutscht ist. Man möchte eben auch schnell zur Arbeit kommen. Man möchte schnell am Ziel ankommen und wir sehen da eben, dass das Fahrrad immer mehr auch Alltagsverkehrsmittel wird und nicht nur in der Freizeit eingesetzt wird.  

Fahrradstraße
Unter den Großstädten in Deutschland, also Städten mit einer Einwohnerzahl von mehr als 500.000, hat Bremen in der ADFC-Umfrage am Besten abgeschnitten. Unter den Städten mit mehr als 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern belegt Münster den ersten Platz.

Wenn man jetzt an mögliche Umgestaltungen denkt, da gibt ja auch die Bebauung in den Städten Grenzen vor. Wie ist denn da die Entwicklung allgemein in Sachen Fahrradverkehr?  

Wir sehen, dass in den großen Städten jetzt durchaus investiert wird. Insbesondere in den Innenstadtbereichen, sagt man von Frankfurt am Main oder von Köln. Da wird richtig was gemacht, da werden ganze Fahrspuren umgewandelt in weitere Radfahrstreifen. Das ist jetzt auch in den Noten zu sehen, dass diese Städte sich deutlich verbessert haben.  

Der ADFC kritisiert ja immer wieder, dass Radwege zugeparkt werden, auch durch Kurierdienste. Die können sich ja nicht alle in Luft auflösen oder einfach auf der Straße stehen bleiben. Was haben Sie in dieser Hinsicht für Lösungsvorschläge? 

Wir drängen sehr darauf, dass die Kommunen ausreichend Ladezonen bereitstellen. Wir haben das in vielen Städten auch schon erfolgreich geschafft. Ich nehme meine Heimatstadt Köln als Beispiel. Da haben wir auf sieben Kilometern die Parkplätze abgeschafft und dafür Ladezonen hingesetzt, weil eben dort ganz viele Geschäfte sind, die beliefert werden müssen. Nachts sind es dann einfach Anwohnerparkplätze. Solche Lösungen sind zum Beispiel ein ganz pragmatischer Weg, die Fläche mehrfach zu nutzen.  

Nicht nur Autofahrer sind ein Risiko, einige werden ja leider auch zum Kampfradler, wenn sie sich auf den Sattel setzen. Weil der Radverkehr stark zugenommen hat, soll es in Freiburg jetzt die ersten Zebrastreifen über Radwege geben. Gehört so etwas auch zu Fahrradstädten dazu?  

Zunächst mal haben wir natürlich in allen Verkehrsteilnehmergruppen, egal, ob es ein Fußgänger, eine Radfahrerin oder ein Autofahrer ist, rücksichtlose Verkehrsteilnehmer. Das macht vor dem Fahrrad natürlich auch keinen Halt. Nur ist es nicht so, dass das ein besonderes Kennzeichen von Radfahrern wäre. Zebrastreifen über Fahrradwege finde ich sehr sinnvoll, weil letztendlich der Fußverkehr natürlich auch gut die Straße überqueren muss. Den dürfen wir nicht vergessen bei den ganzen Umwandlungen von Städten in die Fahrradfreundlichkeit.  

Mein Eindruck ist trotzdem, dass es in Dänemark und in den Niederlanden mit dem Radfahren irgendwie ein bisschen entspannter klappt. Was könnten wir denn beispielsweise von unseren Nachbarländern lernen?  

Wir können einerseits lernen, dass wir konsequent das Fahrrad fördern. Dass wir in dem gleichen Maße, in dem wir das Auto durch die Stadt führen, auch das Fahrrad führen. Insbesondere, wenn wir an Baustellen denken, wenn wir an das Thema Breite und Qualität von Infrastruktur denken, an die Sicherheit von Kreuzungen und natürlich auch insbesondere die Berücksichtigung der Ampelanlagen.

Ich denke das sind so die Dinge, wenn ich mal mal mein eigenes Verkehrsverhalten angucke. Ich bin in Deutschland sehr oft genervt, wenn ich vor einer roten Ampel stehe, weil ich einfach merke, dass mein Radfahrstreifen nicht ausreichend berücksichtigt wird. Das passiert mir in den Niederlanden nicht. Da komme ich auf eine Kreuzung zu, habe aber das Gefühl, die wird quasi grün in dem Moment, in dem ich ankommen.  

Verkehrsminister Wissing ist ja bei Ihrer Veranstaltung in Berlin heute dabei. Er hat bekannterweise ein Problem mit Tempolimits für Autofahrer, weil es ihm zufolge, zu wenig Tempolimit-Schilder gibt. Was ist denn Ihre Forderung an ihn? Mehr Schilder für Radwege? 

Ich glaube, dass das Tempolimit nicht an Schildern, sondern letztendlich eher am Willen scheitert. Man möchte das Tempolimit nicht. Das Tempolimit würde aus unserer Sicht den Verkehr insgesamt vielleicht ein bisschen entspannen. Wobei wir natürlich mit Fahrrädern auf Autobahnen nicht präsent sind, deswegen haben wir als ADFC im Grunde dort keine Meinung. Wichtiger wäre uns eher, dass wir das Tempolimit in den Städten mal anfassen.

Wir haben das Thema, dass mit Geschwindigkeiten über 30 km/h die Wahrscheinlichkeit für Fußgänger und Radfahrerinnen deutlich steigt, getötet zu werden. Deswegen sollten wir da an das Tempo 30-Thema ran. Mittlerweile sagen ja auch 560 Kommunen, sie wollen selbst entscheiden können, in welchen Straßen Tempo 30 gilt. Ich denke, das wäre ein wesentlicher Faktor, um die Sicherheit zu erhöhen. 

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