Monokulturen, große Maschinen – das klingt nicht gerade nach Bio-Landwirtschaft, ist aber fast immer die Realität. In Monokulturen lässt sich das Gemüse leichter anbauen und ernten. Naturnahe und kleinere durchmischte Gärten mit Gemüsesorten sind deutlich aufwendiger zu bewirtschaften. Das schreckt viele ab. Forschende am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz träumen dagegen von einem Umdenken in der Landwirtschaft, weg von großen Monokulturen, hin zu kleinen sogenannten Marktgärten mit Hightech im Gemüsebeet.
Roboter überwacht naturnahen Gemüsegarten
In einem kleinem Versuchsgarten rollt Roboter Lero durch die Gemüsebeete mit vielen verschiedenen Gemüsesorten dicht aneinander. Ein bisschen erinnert alles an einen kleinen Bauerngarten, aber das Surren verrät, Hightech spielt eine große Rolle. Der Roboter überwacht die Beete, sein Revier ist ein naturnaher Marktgarten, der aber für Gärtner deutlich arbeitsintensiver ist.
Gärtner brauchen hier viel Erfahrung, sagt Robert Franz vom Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI. Solch ein Garten sei mit vielen Herausforderungen verbunden, weil solche Systeme sehr komplex seien. Es gebe, so Franz, Mischkulturen auf engstem Raum und eine sehr hohe Biodiversität.
Roboter soll Unkräuter und Schädlinge frühzeitig erkennen
Robert Franz ist als Gärtner angestellt. Der Versuchsgarten ist klein, macht trotzdem viel Arbeit. Roboter Lero soll hier in Zukunft unterstützen. Er soll Pflanzen beim Wachsen überwachen, ungewollte Beikräuter, Krankheiten und Schädlinge frühzeitig erkennen. Dazu Sebastian Pütz vom Forschungsteam:
Wie baue ich nährstoffreichen Boden auf, welche Pflanzen eignen sich in einem Marktgarten als Nachbarn, welche Nützlinge helfen gegen Krankheiten? Bei all diesen Fragen soll Roboter Lero mit der Zeit helfen können. Er soll schnell lernen, was funktioniert und was nicht. Nichts sei so unbefriedigend wie das Gefühl zu haben, man arbeite den ganzen Tag im Garten und kriege es trotzdem nicht hin, sagt Gärtner Robert Franz vom Forschungsteam.
Die Neuerfindung der Landwirtschaft
Der Roboter soll künftig solche Enttäuschungen vermeiden. Der Plan: Künstliche Intelligenz wertet die Daten aus dem Gemüsebeet aus, liefert einen Überblick, empfiehlt konkrete Maßnahmen für den Garten. Mit den Tipps soll der deutlich aufwendigere Gemüseanbau in den Marktgärten möglichst schnell gelingen, sagt Sven Lake vom DFKI.
Man könne sich das, so Lake, so vorstellen wie die Neuerfindung des Buchdrucks. Damals, als man noch gewisse Thesen oder gewisse Kenntnisse hatte, habe man versucht, das zu konservieren und zu teilen. Und die Forschenden würden jetzt kein Buch mehr schreiben, sondern das Wissen nun maschinenlesbar machen – und das möglichst naturnah.
In Hightech-Gewächshäusern werden schon heute Lebensmittel dank künstlicher Intelligenz angebaut – allerdings in Monokulturen, nur mit Nährstofflösung. Im Marktgarten gibt es auch Hightech, aber dort werden auch neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen.
Roboter Lero muss sich noch in der Praxis beweisen
Noch steht das Forschungsteam am Anfang. Roboter Lero ist ein erster Prototyp, innerhalb von acht Monaten in der Werkstatt entstanden. Jetzt muss er lernen, sich autonom zu bewegen und die Pflanzen mit Hilfe künstlicher Intelligenz möglichst gut zu erkennen.
Immer wieder neu erstellte 3D-Karten bilden die Grundlage, um jede einzelne Pflanze genau zu analysieren. Nächstes Jahr soll der Roboter bei Landwirt Julian Plagemann rollen und Daten sammeln. Der Biobauer baut in Ibbenbüren bei Osnabrück in einem kleinen Marktgarten seit vier Jahren Gemüse an. Mit seinem 1,5 Hektar großen Marktgarten kann der Biobauer aktuell über 60 Menschen versorgen. Es kommen treue Stammkunden, die das Gemüse online reservieren und selbst abholen.
Über Masse Geld zu machen, hält der Biobauer für schwieriger, als in kleinen Stückzahlen direkt zu vermarkten und Qualität zu liefern. Der Landwirt möchte seinen Gemüsegarten noch vergrößern, kommt aber an seine Grenzen, und ist gespannt, wie der Roboter ihn nächstes Jahr hier unterstützen kann. Landwirt Julian Plagemann hat schon einen Extra-Wunsch:
Vernetzung für effektivere Warnsysteme
In Zukunft könnten die Landwirte sich auch vernetzen, um sich über Krankheiten und Schädlinge auszutauschen, hofft Robert Franz vom DFKI: Man könne dann, so Franz, Schädlingsflüge früher erkennen. Wenn ein Betrieb die erste schwarze Bodenlaus habe, werde die demnächst bei den anderen Betrieben auch auftauchen. Durch eine stärkere Vernetzung der Betriebe könnten viel effektivere Warnsysteme installiert werden.
Auch Obstwiesen könnten in Zukunft mit dem Roboter überwacht werden – der Einsatz beim Weinanbau ist geplant. Jetzt muss das Forschungsteam erstmal einen neuen zweiten Prototyp bauen. Das Team hat bereits ein Start-up gegründet, möchte 2023 auf eigenen Beinen stehen. Die Wissenschaftler hoffen, dass durch ihre Forschung in Zukunft noch mehr Landwirte auf kleine Gemüsegärten setzen.