Neurobiologie

Mit Düften besser lernen

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Autor/in
Pascal Kiss
Portraitbild des Multimedia-Reporters und Redakteurs Pascal Kiss hinter einer blauen Polygonwand
Onlinefassung
Antonia Weise

Mit Gerüchen lässt sich das Lernen unterstützen. Das zeigen Experimente eines Freiburger Forschungsteams mit Rosenduft. Doch warum ist das so?

Studie: Bessere Erinnerung an Vokabeln durch Lernen mit Rosenduft

Der Duft von Rosen hilft beim Lernen von Vokabeln – Zu dieser Erkenntnis gelang das Freiburger Forschungsteam um Neurobiologe Jürgen Kornmeier in einer neuen Studie. Das Gehirn könne Informationen durch den Duft besser abspeichern. Sind die Düfte zusätzlich an starken Emotionen geknüpft, wirkt sich das noch besser aus. Neue Informationen werden dann nämlich häufiger im Langzeitgedächtnis gespeichert.

Man weiß, dass der Duft eine ganz besondere Rolle spielt. Wenn wir jetzt Vokabeln oder etwas anderes lernen, lernen wir immer den Kontext mit. Es gibt viele Beispiele dafür, dass man etwas riecht, was man in der Kindheit oft gerochen hat und dann sofort wieder in die Kindheit zurückversetzt wird, in diese Erinnerung.

Düfte beeinflussen unser Gehirn

Der Neurobiologe Dr. Jürgen Kornmeier hat mit seinem Team in einem Experiment genauer untersucht, wie Düfte unser Gehirn genau beeinflussen. Alle 165 Testpersonen haben Duft-Umschläge bekommen und drei Tage lang japanische Vokabeln gelernt. Die Hälfte der Studienteilnehmer hat tatsächlich Rosenduft bekommen, bei der anderen Hälfte steckten zur Kontrolle nur Papierschnipsel im Umschlag.

Das Ergebnis der Studie: Wer mit dem Rosenduft gelernt hatte, war im Vokabeltest besser und konnte sich im Schnitt an 8,5 Prozent mehr Vokabeln erinnern. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Duft vor allem wirkt, wenn nur wenig Zeit zum Lernen bleibt. Das bedeutet, wenn die Zeit zu kurz oder das Lernmaterial zu viel sei, könne der Duft wie eine Art Booster wirken und helfen, näher an das Lernmaximum heranzukommen, erklärt Kornmeier.

Person lernt Japanisch-Vokabeln
Die Testpersonen, die mit dem Rosenduft gelernt hatten, konnten sich an mehr japanische Vokabeln erinnern als Personen ohne Duft.

Duft beeinflusst das Gehirn auch beim Schlafen

Um möglichst das Lernmaximum zu erreichen, mussten die Studienteilnehmer nicht nur mit dem Rosenduft lernen, sondern haben teilweise auch neben dem Rosenduft geschlafen. So soll das Gehirn durch den Duft das Gelernte besser abspeichern, wenn die Informationen des Nachts vom Tag verarbeitet werden.

Doch nach welchen Kriterien nimmt unser Gehirn etwas in den Langzeitspeicher auf? Und können wir den Prozess des Gehirns beeinflussen? Klar ist, der Duft kann das Gehirn beim Schlafen und Lernen beeinflussen – vor allem den Hippocampus, den Vermittler zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Nehmen wir Gerüche wahr, wird der Hippocampus besonders stark aktiviert. Gleichzeitig aufgenommene Informationen gelangen dann tiefer ins Langzeitgedächtnis, so die Theorie.

Illustration des Hippocampus
Der Hippocampus spielt beim Speichern und beim Abrufen von Erinnerungen eine entscheidende Rolle.

Dabei hat auch der Schlaf eine wichtige Funktion. Experimente im Schlaflabor haben gezeigt, dass das Gehirn in der Tiefschlafphase zumindest einen Teil des Gelernten nachts neu ordnet und entscheidet, welche Informationen ins Langzeitgedächtnis wandern. Mit dem Duft sollen die Lerninhalte vom Tag also reaktiviert werden.

Wenn diese Lerninhalte dann reaktiviert sind im Gehirn, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Konsolidierungsprozess mitgenommen werden.

Lernen im Schlaf

Was genau im Gehirn dabei abläuft, ist weiterhin ein Rätsel. Doch Hirnscans zeigen: Gerüche können auch im Tiefschlaf den Hippocampus aktivieren. Hat das Gehirn schon tagsüber Informationen mit dem gleichen Duft verknüpft, kann nachts auch nur der Duft beim Abspeichern helfen, so die These.

Demnach werden die gleichen Nervenzellen aktiviert, die schon im wachen Zustand gefeuert haben. Bisher haben Studien den Duft-Effekt nur im Schlaflabor beobachtet. Ausschließlich in der Tiefschlafphase ist der Duft präsentiert worden – aus Angst, dass der Duft in den Traumphasen stören könnte. Das ist aber gar nicht der Fall, sagt der Neurowissenschaftler Jürgen Kornmeier:

Wir können den Duft die ganze Nacht präsentieren und das Prinzip funktioniert trotzdem. Also vereinfacht gesagt: Wichtig ist, dass der Duft in der Tiefschlafphase vorhanden ist, aber es ist nicht hinderlich, dass er in den anderen Phasen auch da ist.

So haben die Probanden in der Freiburger Studie den Rosenduft die ganze Nacht gerochen und zwar nicht im Labor, sondern zuhause neben den Rosenduft-Umschlägen gelernt und geschlafen.

Frau mit Elektroden am Kopf und Gesicht im Schlaflabor
Im Schlaflabor konnte der Duft-Effekt bereits beobachtet werden.

Wahrscheinlich nur kurzfristiger Effekt zu erwarten

Damit die Düfte auch helfen können, müssen die Gerüche auf jeden Fall auch beim eigentlichen Test eingesetzt werden – also zum Beispiel beim Vokabeltest. Dann kann das Gehirn zumindest für wenige Tage auf das Gelernte besser zurückgreifen.

Vor dem Vergessen schützt der Rosenduft nicht – es gibt wahrscheinlich keinen Langzeiteffekt. Aber beim kurzfristigen Vokabellernen kann Rosenduft helfen.

Warum eigentlich Rosenduft?

Weshalb der Rosenduft im Fokus steht ist nur Zufall, da in der ersten Studie zu diesem Thema mit Rosenduft experimentiert wurde. Um die Ergebnisse besser vergleichen zu können, haben auch die späteren Studien Rosenduft verwendet:

Aber ich bin fest der festen Überzeugung, dass andere Düfte auch funktionieren. Aber das muss natürlich gezeigt werden, in zukünftigen Studien.

Es ist also gut möglich, dass andere Gerüche wie zum Beispiel Lavendel, Orangenduft oder viele andere Düfte zumindest kurzfristig beim Lernen helfen. Doch noch sind Wissenschaftler erst langsam dabei zu verstehen, wie das Gehirn Informationen ins Gedächtnis abspeichert und nachts verarbeitet. Aber klar ist: Was hier gut riecht, könnte zumindest beim nächsten Vokabeltest helfen.

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