Oberrheingraben

Lithium-Hype am Rhein: Chance oder Risiko?

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Autor/in
Manuel Gerber

Mithilfe der Tiefengeothermie soll am Oberrheingraben Lithium aus Thermalwasser gefördert werden. Dem geht Wissenschaftsjournalist Axel Wagner nach. Denn Anwohner befürchten Erdbeben.

Warum ist Lithium so wichtig?

Lithium ist in praktisch jedem Gegenstand, der einen wiederaufladbaren Akku hat. In einem Laptop stecken circa sechs Gramm, in Smartphones bis zu drei Gramm und in einem E-Auto-Akku rund 10 Kilogramm davon. Weil Lithium für leichte Akkus derzeit unverzichtbar ist, ist es der Schlüsselrohstoff für die Energiewende. Denn für die E-Mobilität brauchen wir besonders leichte Akkus.

Wollte man die gut 50 Millionen Autos in Deutschland künftig alle durch E-Autos ersetzen, bräuchte man dafür schätzungsweise 500.000 Tonnen an Lithium. Im Vergleich: Weltweit wurden 2021 insgesamt rund 100.000 Tonnen Lithium abgebaut. Die EU-Kommission geht davon aus, dass wir in Europa im Jahr 2050 gut 60-mal so viel Lithium wie heute benötigen.

Lithium wird zum größten Teil in australischen Minen abgebaut und nach China verschifft. Der Transport und die Weiterverarbeitung sind umweltschädlich. Fast der gesamte Rest kommt aus Südamerika. Im sogenannten Lithiumdreieck schwimmt Lithium in Salzseen, die ausgetrocknet werden. Das verbraucht riesige Mengen an Wasser – in der Wüstenregion besonders problematisch. Von diesen Lieferungen aus dem Ausland sind wir in Deutschland heute völlig abhängig.

So soll Lithium am Oberrhein gefördert werden

Im Oberrheingraben im Südwesten Deutschlands schwimmt ein riesiges Lithiumvorkommen tief unter der Erde in Thermalwasser. Derzeit laufen Forschungsprojekte, um das Lithium aus dem Thermalwasser im industriellen Maßstab extrahieren zu können. In Zukunft soll das Oberrhein-Lithium umweltfreundlich und CO2-neutral gefördert werden. Mit dem heißen Thermalwasser sollen gleichzeitig Fernwärmenetze versorgt und Strom produziert werden.

Um an das Thermalwasser heranzukommen, braucht es Tiefengeothermie-Anlagen. Eine hydrothermale Geothermie-Anlage besteht aus zwei Bohrungen. Eine Bohrung geht üblicherweise zwischen 2000 und 5000 Metern in die Tiefe und zapft Thermalwasser an. Über Wärmetauscher kann damit ein Fernwärmenetz versorgt werden und über Dampfturbinen Strom erzeugt werden.

Das abgekühlte Thermalwasser wird über eine zweite Bohrung in dem geschlossenen System wieder in den Untergrund geleitet. In Zukunft soll vorher das Lithium aus dem Thermalwasser gewonnen werden. Dafür wird das Wasser durch Tanks geleitet, die mit einem Bindemittel die Lithium-Ionen einfangen. Die Lithium-Ionen müssen danach ausgewaschen werden. Das Ergebnis ist Lithiumchlorid. In einem Elektrolyseverfahren wird das in Lithiumhydroxid umgewandelt. In dieser Form kann das Lithium verkauft werden.

Darum gibt es Widerstand

Die Geothermie hat bei vielen Menschen im Südwesten keinen guten Ruf. Grund sind frühere Unfälle, die Schäden an Häusern verursacht haben. Ende 2006 löst ein Tiefengeothermie-Projekt in Basel ein Erdbeben der Stärke 3 aus. Bei dem Projekt wird das petrothermale Tiefengeothermie-Verfahren angewendet. Dabei wird in das Grundgebirge, beispielsweise Granit, gebohrt und Wasser eingepresst. Das Wasser sprengt das Gestein auf, fließt durch die Risse und heizt sich auf.

Durch eine zweite Bohrung wird das heiße Wasser an die Oberfläche gepumpt und zur Wärme- oder Stromerzeugung genutzt. Um neue Wasserwege zu erzeugen, braucht diese Methode zumindest kleine Erdbeben in der Tiefe. Anders als die hydrothermale Methode: Weil dafür bereits vorhandene Wasserwege in der Tiefe genutzt werden, kann diese Methode zumindest in der Theorie ohne Erdbeben betrieben werden.

Im Sommer 2007 kommt es zur Katastrophe in Staufen bei Freiburg. Bei der Bohrung für Erdwärmesonden für die umweltfreundliche Heizung des Rathauses kommt es zu einem Leck. Grundwasser verbindet sich mit dem Mineral Anhydrit zu Gips und quillt auf. Dadurch hebt sich in Staufen die Erde und es kommt zu tiefen Rissen in Häusern und auf Straßen. In Staufen kam oberflächennahe Geothermie, also unter 400 Metern Tiefe, zum Einsatz. Es leidet allerdings der Ruf der gesamten Geothermie-Branche.

Ende 2019 kommt es in Vendenheim bei Straßburg zu einem Erdbeben, ausgelöst durch eine Tiefengeothermie-Anlage. Auch hier kommt die petrothermale Methode zum Einsatz. Die Arbeiten müssen durch behördliche Anordnung abgebrochen werden. Die Erde beruhigt sich trotzdem noch nicht. Mehrere Beben verursachen Schäden auf beiden Seiten des Rheins. Die Versicherung will für die Reparatur der Risse an den Häusern nur den Zeitwert ersetzen, das entspricht oft nur zehn Prozent der Reparaturkosten. Dagegen wehren sich die Geschädigten.

Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg hat aus den Unfällen der Vergangenheit die Konsequenz gezogen, dass derzeit nur noch die hydrothermale Methode genehmigt wird. Trotz des Widerstands aus der Bevölkerung hat die Behörde auf dieser Basis Genehmigungen für den Bau neuer Tiefengeothermie-Anlagen am Oberrheingraben erteilt.

Linktipps:

Wie Lithium aus Thermalwasser extrahiert werden kann. Das KIT-Forschungsprojekt UnLimited

Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. Aufarbeitung des Geothermie-Unfalls in Staufen

Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Informationen zur Geothermie

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Manuel Gerber