Filmtechnik

LED-Wände revolutionieren die Filmproduktion

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Autor/in
Thomas Hillebrandt
Onlinefassung
Julia Otto
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Hochauflösende LED-Bildschirme sind eine bahnbrechende technologische Innovation für die Filmindustrie und sind bisherigen Drehmethoden weit überlegen. Virtuelle Filmsets können mit dieser neuartigen Drehmethode in einzigartiger Qualität erscheinen.

Visuelle Effekte gehören zum Alltagsgeschäft bei TV- und Film-Produktionen

Visuelle Effekte spielen bei modernen Film- und Fernseh-Produktionen eine wichtige Rolle. Als Standard galt bisher das sogenannte Green- oder Bluescreen-Verfahren, bei dem die Protagonisten vor einem grünen oder blauen Hintergrund stehen. Im Fernsehen wird dieses Verfahren häufig bei Nachrichtensendungen oder dem Wetterbericht eingesetzt, um Hintergrundbilder und -animationen einzubauen.

Derzeit wird die Filmindustrie von einem technologischen Wandel erfasst, der das Set-Design und die visuellen Effekte revolutioniert. Hochauflösende LED-Wände könnten schon bald die Green- und Bluescreen-Produktionen ablösen und eine neue, noch nie dagewesene Qualität im Filmschaffen definieren.

Das LED-Cave in Mannheim: Hochauflösende LED-Wände könnten schon bald Green- und Bluescreen-Produktionen ablösen.
Das LED-Cave in Mannheim: Hochauflösende LED-Wände könnten schon bald Green- und Bluescreen-Produktionen ablösen.

Auf der vom 4. bis 6. Mai online stattfindenden FMX-Messe werden die Vorteile und Herausforderungen dieser bahnbrechenden Technologie jetzt präsentiert. In Mannheim steht die "LED-CAVE", Europas größtes LED-Studio, das schon bald Hollywood Konkurrenz machen könnte. Aber was ist nun das Fortschrittliche der neuen LED-Drehmethode?

Hochauflösende LED-Wände revolutionieren die Filmproduktion

"The Mandalorian" war ein echter Streaming-Hit der letzten Jahre. Die Produktion der Disney-Serie "The Mandalorian" war eine der ersten, die LED-Wände für das Filmset verwendete. Sicherlich ein Grund für den Erfolg ist der Einsatz dieser virtuellen Hintergründe, die zusammen mit realen Objekten im Vordergrund beeindruckende Bilderwelten schaffen.

Die Produktion der Disney-Serie "The Mandalorian" war eine der ersten, die LED-Wände für das Filmset verwendete.
Die Produktion der Disney-Serie "The Mandalorian" war eine der ersten, die LED-Wände für das Filmset verwendete.

Hochauflösende LED-Wände

Fast 73 Millionen Leuchtdioden bilden zusammen in der "LED-CAVE" eine Projektionsfläche von über 340 Quadratmetern – auf der sich durch wenige Mausklicks jeder Hintergrund einspielen und austauschen lässt. "Mit großen Displaytechnologien können virtuelle Inhalte direkt ans Filmset geholt werden“, erklärt Simon Spielmann, leitender Ingenieur der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Animationsinstituts. Die LED-Wände sind also eine Art Bühne. Auf diese Weise bietet das Filmset ein Bild, das dem des finalen Films nahezu identisch ist. Die Aufnahmen werden also nicht im Nachhinein am Computer bearbeitet, sondern die gesamte Szene mit Schauspielenden und LED-Hintergrund wir von Kameras aufgenommen.

„Ich brauche Objekte wie den Sand, eine Brechung zwischen dem realen Boden und der virtuellen Wand, der virtuellen Fläche, damit die Personen, Akteure, die im Raum stehen auch realistisch dastehen. Weil ich will ja einen Realismus auch haben bei den Aktionen, so dass alle Reflexionen, alle Stimmungen im Raum genauso sind, wie sie natürlich sind und das ist auch der Vorteil von so einem virtuellen Studio, dass ich es sofort so habe, wie es reell aussieht.“

Rückprojektionen gab es schon bei Hitchcock

Den Einsatz der sogenannten „Rückprojektion“ gibt es beim Film schon seit Jahrzehnten. Beim Westernklassiker „Stagecoach“ von Regisseur John Ford sollen reale Filmaufnahmen im Hintergrund für den dynamischen Eindruck sorgen. Die Schauspieler agieren jedoch, deutlich sichtbar, im Studio.

Alfred Hitchcock war ein Meister darin, in seinen Filmen Spannung zu erzeugen, etwa in “Über den Dächern von Nizza” von 1955. In der wilden, im Studio gedrehten Autofahrt von Gary Grant und Grace Kelly sind die Rück- und Frontprojektionen allerdings deutlich zu erkennen. 

Szene aus dem Film "Über den Dächern von Nizza" aus dem Jahr 1955.
Filmszene aus dem Hitchcock-Thriller "Über den Dächern von Nizza" mit den Hollywood-Schauspielern Grace Kelly und Cary Grant. (1955)

Bisheriger Standard: Green- und Bluescreen-Technik

Da die klassische Rückprojektion sich nicht durchsetzen konnte, kam in den letzten Jahrzehnten meist die sogenannte Blue-und Greenscreentechnik zum Einsatz. Dabei werden Szenen mit Personen und Gegenständen vor grünen oder blauen Leinwänden gedreht. Die Farben grün und blau kommen deshalb zum Einsatz , weil sie sich farblich deutlich von Hautton absetzen. Ziel dieses Verfahrens ist es, z.B. den Schauspieler oder die Moderatorin in Echtzeit freizustellen.

Der Rest des Bild, also der Hintergrund, Wetterkarten usw. werden dann mit leistungsfähigen Rechnern und Programmen digital hinzugefügt. Von einem virtuellen Studio spricht man dann, wenn bei einer Fernsehübertragung außer dem Moderator oder der Moderatorin nahezu alle sichtbaren Elemente digital eingefügt sind.

Das Zusammenspiel von Schauspieler und szenischem Hintergrund erfolgt bei größeren Filmproduktionen mit dieser Technik erst im Nachhinein – eine Herausforderung für die Schauspielenden, sich ihre Szene im Gesamtbild weitestgehend nur vorzustellen. So unterlaufen auch schnell Aufnahmefehler, die dann in der Postproduktion korrigiert werden müssen – ein Nachteil verglichen mit den neuartigen LED-Wänden.

Mit der sogenannten Blue-und Greenscreentechnik werden Szenen  mit Personen und Gegenständen vor grünen oder blauen Leinwänden gedreht. Die gewünschten Bilderwelten werden erst im Nachhinein auf die Leinwände eingespielt.
Mit der sogenannten Blue-und Greenscreentechnik werden Szenen mit Personen und Gegenständen vor grünen oder blauen Leinwänden gedreht. Die gewünschten Bilderwelten werden erst im Nachhinein auf die Leinwände eingespielt.

Vorteile der LED-Wände gegenüber herkömmlichen Drehmethoden

Allem voran steht das Zusammenspiel zwischen Schauspielenden und der Kulisse – die LED-Wände ermöglichen Genauigkeit und Kontrolle direkt während des Filmdrehs. Da die Wände außerdem natürlich sehr hell sind, könnten sie am Set die Beleuchtungstechnik komplettieren – die richtige Lichtstimmung für den Dreh ist da schnell gefunden. Der Szenenwechsel an einem Filmset ist durch das Abspielen verschiedener Drehorte sehr schnell – an einem Tag können verschiedene Szenarien abgedreht werden.

Da alle Filmstudios mit den LED-Wänden den gleichen Filmsetaufbau haben, können Filmdrehs in Zukunft an unterschiedlichen Orten stattfinden. Es wird möglicherweise nicht mehr nötig sein, dass Darstellende an bestimmte Drehorte reisen – was gerade auch jetzt in der Corona-Pandemie eine hoffnungsvolle Perspektive für weitere große Filmproduktionen darstellt.

Durch den gleichen Aufbau der Filmsets könnte sich auch ein neues Geschäftsfeld ergeben: "Es ist denkbar, dass Beleuchtungssettings und visual effect-Setdesigns als Presets von Dienstleistern vorgefertigt angeboten werden, weil sie in jedes beliebige LED-Screen-Studio auf der Welt digital aufspielbar sind", spekuliert Spielmann.

Fast 73 Millionen Leuchtdioden bilden zusammen in der "LED-CAVE" eine Projektionsfläche von über 340 Quadratmetern – auf der sich durch wenige Mausklicks jeder Hintergrund einspielen und austauschen lässt.
Fast 73 Millionen Leuchtdioden bilden zusammen in der "LED-CAVE" eine Projektionsfläche von über 340 Quadratmetern – auf der sich durch wenige Mausklicks jeder Hintergrund einspielen und austauschen lässt.

Nachteile der LED-Wände und weitere Entwicklungen

„Die Arbeiten in so einem „LED-Studio“ werden dazu führen, dass die Postproduktion eigentlich wegfällt”, sagt Volker Helzle von der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg: „Das heißt: Wir drehen diese Szenen im Studio und die sind zu 99 Prozent final." 

Der Nachteil dieser Vorgehensweise: Kreative Entscheidungen müssen direkt am Filmset gefällt werden. In den Szenen und den ganzen Bestandteilen der digitalen Hintergründe steckt viel Vorbereitung drin – beim Dreh muss schließlich alles fertig sein. Dazu gehört auch die genaue Planung, wie welche realen Objekte zum Einsatz kommen, um Vorder- und Hintergrund optisch miteinander zu verbinden.  

Die Entwicklung geht jedoch weiter. Wo heute nur reale Menschen vor digitalen Wänden agieren, könnten künftig auch animierte Figuren in der Projektion zum Einsatz kommen. “Wir wollen das erweitern”, sagt Volker Helzle:

“Wir wollen auch Kreaturen oder Charaktere, die voll digital sind, so produzieren für den Film. Und da finden eben gerade intensive Forschungsarbeiten statt. Hier wird KI verwendet, um Motion Capture Daten zu analysieren und daraus erlernen, wie ein Charakter sich also bewegen kann und das Ganze kann dann dynamisch in einem LED-Studio eingebracht werden.” 

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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.