Weil immer mehr Kohlenstoffdioxid in der Luft ist, erwärmt sich nicht nur die Erde: Viele Pflanzen werden in Zukunft auch ein bisschen schneller wachsen. Denn aus dem klimaschädlichen Kohlenstoffdioxid gewinnen die Pflanzen ihre Energie – durch die Fotosynthese.
Doch das geht besser, sagen Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Die Mikrobiologen wollen nicht nur von den Pflanzen lernen, sondern die Fotosynthese sogar besser machen und das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid auch für uns Menschen nutzen.
Seit über sechs Jahren arbeiten die Mikrobiologen vom Max-Planck-Institut in Marburg an neuen künstlichen Chloroplasten - den Kraftwerken der Pflanzenzellen. Hier wird das Kohlenstoffdioxid mit Licht in Energie umgewandelt.
Die Mikrobiologen haben mittlerweile diese Fotosynthese nicht nur nachgebaut: Ihre neu designten Chloroplasten arbeiten schon jetzt effektiver, sagt Mikrobiologe Tobias Erb vom Max-Planck-Insitut in Marburg:
Vision: Substanzen aus klimaschädlichen Kohlenstoffdioxid herstellen
Der künstliche Chloroplast kann vor allem das Sonnenlicht besser nutzen und damit auch mehr Kohlenstoffdioxid aus der Luft binden und in mehr Energie umwandeln. Diese Energie wollen die Wissenschaftler in Zukunft nutzen. Die künstlichen Chloroplasten sollen später chemische Substanzen, Kraftstoffe oder Medikamente herstellen. Noch ist das eine Vision. Doch erste Tests machen den Wissenschaftlern Mut.
In einem ersten Versuch konnten die künstlichen Chloroplasten einen wichtigen Baustoff für das Antibiotikum Erythromycin herstellen. Mit dem Antibiotikum werden zum Beispiel bakterielle Lungenentzündungen behandelt. Auch kleine Mengen von Duftstoffen und Vitaminen konnten die Forscher schon in ersten Versuchen in den Pflanzenzellen synthetisieren.
Schon heute werden viele Substanzen mit gentechnisch veränderten Bakterien oder Hefezellen hergestellt. Doch die Bakterien und Hefezellen sind nicht so effizient. Sie nutzen viel mehr Energie fürs Wachsen und Vermehren. Sie müssen extra gefüttert werden.
Das ist bei den künstlichen Chloroplasten anders - sie brauchen nur Wasser, Mineralien, Kohlenstoffdioxid und Sonnenlicht. Der Mikrobiologe Tobias Erb sieht hier im Gegensatz zu den Bakterien einen klaren Vorteil:
Chloroplasten funktionieren bisher nur mit Teilen vom Spinat
Noch können die künstlichen Chloroplasten diesen hohen Ansprüchen aber nicht gerecht werden.
Bisher überleben die Chloroplasten noch nicht in richtigen Zellen. Die künstlichen Chloroplasten können nur lose in kleinen Wassertröpfchen mit einem Durchmesser von nur 0,032 Millimetern überleben. Und selbst in diesen Wassertröpfchen sind sie nur zwei bis drei Stunden stabil.
Dass die Chloroplasten überhaupt für kurze Zeit stabil sind, liegt an bestimmten Spinatzellen. Denn diie Wissenschaftler verwenden Teile der Membranen von Spinat-Chloroplasten. Nur so bleibt ihr neuer künstlicher Chloroplast für kurze Zeit stabil.
Wissenschaftler designen ganz neue Proteine
Für die Fotosynthese haben die Wissenschaftler ganz neue Eiweiße und Enzyme entwickelt, die so noch nicht in der Natur kommen. Erst mit den neuen Enzymen konnte die Fotosynthese verbessert werden. Die Wissenschaftler versuchen damit neue, komplizierte Reaktionsketten aufzubauen - immer mit der Hoffnung, dass alle Teile zueinander passen.
Im Vergleich zur Evolution arbeiten die Wissenschaftler viel schneller und suchen nach Alternativen, die bisher die Natur nicht gefunden hat.
Die Mikrobiologen müssen viel ausprobieren. Immer wieder gibt es neue Probleme, die gelöst und korrigiert werden müssen. Die Wissenschaftler müssen die künstlichen Chloroplasten zum Beispiel noch stabiler bekommen. Außerdem sollen die Chloroplasten noch effizienter arbeiten.
Bisher nur Grundlagenforschung
Auch wenn die künstliche Fotosynthese sogar erste Baustoffe für Medikamente nur mit Licht und Kohlenstoffdioxid hergestellt hat, noch sind die Wissenschaftler in der Grundlagenforschung. Die ersten Versuche müssten sich jetzt erst bestätigen, sagt Tobias Erb vom Max-Planck-Institut in Marburg:
Viel wird auch davon abhängen, ob die künstlichen Chloroplasten von der Gesellschaft akzeptiert werden. Schließlich designen die Wissenschaftler hier ganz neue Bausteine des Lebens. Mikrobiologe Tobias Erb hat hier aber wenig Bedenken:
Das sei bei gentechnisch veränderten Bakterien anders – hier wird auch die Erbinformation geändert. Die künstlichen Chloroplasten funktionieren nur mit Enzymen und Eiweißen - bisher nur für wenige Stunden. Die Mikrobiologen müssen noch viele Problem lösen, bis wir zum Beispiel an der Apotheke erste Medikamente aus künstlichen Chloroplasten kaufen können.