Müll aus der Antike
Die größte antike Müllkippe befindet sich in Rom: Der Monte Testaccio, ein Hügel ganz aus Amphorenresten aus vielen Jahrhunderten. Daneben gibt es in Rom die antike und noch immer funktionstüchtige Cloaca Maxima. Sie ist das erste unterirdische Abwassersystem.
Ein Teil dieser antiken Kanalisation gehört zur riesigen Arena des Kolosseums. Zum ersten Mal sind Forschende nun der Frage nachgegangen, ob und was uns die in dieser Kanalisation befindlichen Müllreste über die früheren Besucherinnen und Besucher des Kolosseums sagen können.
Der Müll und das Kolosseum
Plastikflaschen, Papierverpackungen und Dosen auf den Grünflächen rund um das Kolosseum – Italiens Medien berichten immer wieder über die Abfälle in direkter Umgebung des am meisten besuchten historischen Monuments in Rom. Die Stadtverwaltung scheint sich nicht weiter um die Rückstände zu kümmern.
Im antiken Rom wurde der Müll beim und im Kolosseum entsorgt – durch eine „cloaca“ unterhalb des riesigen Gebäudes. Zum ersten Mal wurden diesen Abwasserkanäle nun von Forschenden untersucht, berichtet Alfonsina Russo, Archäologin und Direktorin des archäologischen Parks des Forum Romanum und des Kolosseums.
Die Fachleute haben in den mehrere Zentimeter dicken Ablagerungen am Boden der Kanäle gegraben. Sie forschten nach den biologischen Rückständen aus jener langen Zeitspanne – vom Jahr 80 nach Christus, dem Jahr der Einweihung des Kolosseums, bis zur letzten Veranstaltung im Jahr 523 – als bis zu 60.000 Menschen täglich im Kolosseum zusammenkamen.
Komplizierte Grabungen unter der Erde
An dem Forschungsprojekt beteiligt waren neben Archäologen auch Biologen, Höhlenforscher und Chemiker. Bei ihren umfassenden stratigrafischen Grabungen wurde Schicht für Schicht der antike Müll freigelegt. Einfach war das nicht, wie Russo erklärt:
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass die antiken Römer bei ihren Besuchen der blutrünstigen Veranstaltungen im Kolosseum nicht auf Essen und Trinken verzichteten. Im Gegenteil: Die Forschenden gewannen aufgrund der entdeckten biologischen Rückstände den Eindruck, dass die Römer sich vom Töten von Tieren und Gladiatoren den Appetit nicht verderben ließen.
Snacks der antiken Kolosseumsbesucher
Popcorn, Nachos? Nein, die Forschenden entdeckten massenweise Rückstände von Samenkörnern, Nüssen und Kerne von Früchten wie etwa von Pflaumen, Weintrauben, Feigen, Kirschen, Pfirsichen, Pinien, Oliven und Wassermelonen. Den Archäologen zufolge brachten die Kolosseumsbesucher diese Snacks von zu Hause mit oder sie kauften sie an den vielen Buden vor den Eingängen in die Arena.
Konsumiert wurden die Snacks während der Spektakel auf den Sitzbänken. Die Rückstände wurden damals einfach zu Boden geworfen, da es noch keine Mülleimer gab wie wir sie heute kennen. Im Anschluss an die Veranstaltungen wurde dieser Müll von Sklaven zusammengefegt und in die Öffnungen der Kanalisation geworfen.
Die Forschenden fanden auch noch andere Rückstände, berichtet die an dem Projekt beteiligte Archäologin Federica Rinaldi:
Das Kolosseum wurde bei Veranstaltungen in Präsenz eines Kaisers oder von Senatoren in der Regel festlich geschmückt. Das ist aus antiken Schriften bekannt. Im Abwassersystem der Arena wurden so auch Rückstände von Buchsbaum- und Lorbeerblättern gefunden. Das waren die beiden typischen Pflanzen, mit deren Ästen und Blättern das Amphitheater verschönert wurde.
Auch antike Alltagsgegenstände im Abwassersystem gefunden
Anscheinend langweilten sich die Römer zeitweise während der viele Stunden andauernden Veranstaltungen im Kolosseum. Bei ihren Grabungen entdeckten die Forscherinnen und Forscher auch eine Vielzahl an Spielwürfeln. Einer Vermutung nach könnten sich die Kolosseumsbesucher mit diesen Würfeln aus Elfenbein oder Horn in Pausen die Zeit vertrieben haben.
Auch andere Gegenstände der Besucher wurden ausgegraben, wie kleine Nägel von Lederschuhen mit einer dicken Sohle, Lederreste von Schuhen und Gürteln sowie Gürtelschnallen aus Metall oder Tierhorn. Auch Geld aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus wurde gefunden, insgesamt 53 Bronzemünzen. Auf die Frage, wie diese Münzen in den Müll und in das Abwassersystem gelangt sind, können die Archäologen keine sichere Antwort geben.