Forschung aus Karlsruhe

KI soll Warteschlangen in Kantinen verhindern

Stand
Autor/in
Thomas Hillebrandt
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Elf Milliarden Mahlzeiten werden jährlich in europäischen Kantinen serviert. Karlsruher Forscher wollen nun mit Künstlicher Intelligenz den Warteschlangen-Frust in Kantinen bekämpfen.

„Die Idee, Kantinenessen optisch zu erfassen, ist tatsächlich entstanden, als wir selber zu lange in der Mensa in der Schlange standen. Und dann war der erste Schritt zu testen: Ist es technisch möglich auf der einen Seite und auf der anderen Seite: Ist der Markt da? Und als wir das erkannt haben, haben wir das Unternehmen gegründet.“

Felix Schweickardt ist Wirtschaftsingenieur, hat am Karlsruher Institut für Technologie studiert und zusammen mit KIT-Studienkollegen eine Marktlücke gesucht – und alle sind davon überzeugt, sie nun gefunden zu haben. „Auvisus“ heißt ihr Start-Up-Unternehmen und ihr Produkt ist ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Bilderfassungssystem, mit dem der Bezahlvorgang in Kantinen revolutioniert werden soll.

Der Wirtschaftsingenieur Felix Schweickardt (Mitte) hat das System zur schnelleren Abfertigung in Kantinen mit entwickelt.
Der Wirtschaftsingenieur Felix Schweickardt (Mitte) hat das System zur schnelleren Abfertigung in Kantinen mit entwickelt.

Bildererfassung mit künstlicher Intelligenz für schnelleres Bezahlen

Das Prinzip: Die Kunden schieben ihr Tablett unter eine Kamera, die erfasst in Echtzeit, welches Gericht, welches Getränk oder welche Nachspeise darauf ist, zeigt den Preis an – und bezahlt wird per Karte. Ein Vorgang, der nur wenige Sekunden dauert und damit lange Warteschlangen verhindert, eine Technik, die sie immer und immer wieder trainiert haben und bei der sie, so sagt Alexander Gauthier, einer der Auvisus-Gründer, auch immer wieder mit der Kantinen-Realität konfrontiert worden sind.

Ein übersichtliches Tablett macht es für das System leichter, die einzelnen Komponenten auf dem Tablett zu erkennen.
Ein übersichtliches Tablett macht es für das System leichter, die einzelnen Komponenten auf dem Tablett zu erkennen.

Gestapeltes Essen, Geldbörsen oder Handys können System irritieren

„So Dinge, die man dann natürlich nicht auf dem Schirm hat, wenn man das System hier vor Ort testet ist, was die Leute da in der echten Welt auf ihren Tabletts haben. Da hat man da Geldbörsen, Handys, die Leute stapeln Essen. Und solche Dinge müssen wir eben auch rausfiltern und dann schließlich die richtigen Artikel erkennen.“

Die Bilderkennungssoftware auf der Basis Künstlicher Intelligenz erkennt Merkmale wie Form, Größe oder Farbe der Speisen und Getränke, unterscheidet diese und ordnet Spagetti, Schnitzel, Apfel oder Getränkedose ihrem entsprechenden Preis zu. Und egal wo etwas auf dem Tablett platziert ist, die KI-Software schafft es mit großer Genauigkeit, alles darauf zu identifizieren. Das normale Kantinengeschirr kann dafür weiter verwendet werden.

Wenn auf dem Tablett mehrere Sachen übereinander oder z.B. auch Gegenstände wie Geldbörsen oder Handys liegen, kann das evtl.zu Problemen führen.
Wenn auf dem Tablett mehrere Sachen übereinander oder z.B. auch Gegenstände wie Geldbörsen oder Handys liegen, kann das evtl.zu Problemen führen.

Kosten von Salat muss mit intrigierter Waage ermittelt werden

Gibt es ein neues Gericht auf der Speisekarte, dauert es nur wenige Sekunden, um die Software darauf zu trainieren. Auch eines der Hauptprobleme, das von potentiellen Kunden immer wieder angesprochen wird, so erklärt Felix Schweickardt, haben sie gelöst, mit einer integrierten Waage.

Denn wenn Kantinen-Kunden am Salatbüffet ihren Teller füllen, reicht es nicht, wenn die Software „Salat“ erkennt, sie muss auch erfassen, wie viel es ist. Auch dieses Problem kann durch Bilderkennung gelöst werden.

„Der Kunde nimmt sein Tablett, stellt es ganz normal auf die Waage, unser Algorithmus erkennt: Da ist ein Salat, bittet den Gast es anzuheben. Und über das Negativgewicht können wir dann den Preis bestimmen vom Salat.“

Die Künstliche Intelligenz des Systems ist auch lernfähig. Neue Produkte können relativ schnell integriert werden.
Die Künstliche Intelligenz des Systems ist auch lernfähig. Neue Produkte können relativ schnell integriert werden.

KI übersteht ersten Praxistest

Inzwischen hat die Kantinen-KI auch einen ersten Praxistest in der Kantine des Karlsruher Instituts für Technologie bestanden. Hier herrscht ab 12 Uhr mittags Hochbetrieb, an manchen Tagen sind es bis zu 2000 Mahlzeiten, die über die Ausgabetheken gehen.

Und daher gibt es auch am KIT immer wieder Warteschlangen beim Bezahlen, wenn die Damen an der Kasse erst genau nachsehen, was da auf dem Tablett ist, und das Ganze dann in die Kasse eintippen müssen. Helmut Kirchner, der Chef der KIT-Kantine, sieht im System der jungen Wissenschaftler daher echte Vorteile.

„Wenn wir das optische Erfassungssystem bei uns einsetzen würden, dann hätten wir eine Optimierung für die Mitarbeiter an der Kasse, die dann für andere Aufgaben zur Verfügung stehen würden und die Gäste wären aufgrund des schnelleren Prozesses schneller am Tisch und könnten das Essen schneller genießen.“

Künstliche Intelligenz in der Kantine
Künstliche Intelligenz in der Kantine

Gleiche Gerichte, schnellere Bezahlung

In ein, zwei Monaten, so ist der Plan, wollen die Start-Up-Unternehmer ihre Bilderkennungssoftware erstmals im realen Kantinen-Alltag zum Einsatz bringen. Dann werden die Gerichte zwar noch dieselben sein, bezahlt wird aber schneller - und dank künstlicher Intelligenz ist diese neue Art, in der Kantine zu bezahlen, so ist sich Alexander Gauthier sicher, auch absolut zukunftssicher.

„Grundsätzlich bewegt sich die Erkennungsrate irgendwo im Bereich zwischen 90 und 100 Prozent. Ich denke der grundsätzliche Vorteil an unserem System ist, dass wir ja mit jedem Bild, das wir aufnehmen, dazulernen. Das heißt: Unser System wird auch über die Zeit, wenn es in der Kantine im Einsatz ist, immer besser mit jedem Tag.“

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Thomas Hillebrandt
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Ralf Kölbel