Planungen für die Zukunft des Internets
"One world, one net, one vision" - eine Welt, ein Netz, eine Vision. Das diesjährige Leitmotiv des Internet Governance Forums, also der "Internetregierung" bringt auf den Punkt, worum es geht. Nämlich darum, ein gemeinsames Verständnis zu fördern, wie die Zukunft des Internets aussehen soll.
Nicht-demokratische Staaten und ihre Staatsführungen greifen in die Freiheiten ein, die das Internet schafft. Sie versuchen eigene oder nationale Interessen durchzusetzen und hierfür ihre Netze vom globalen Internet abzuschotten.
Zerbricht das Internet? Die Formulierung klingt äußerst dramatisch, aber viele Experten warnen genau davor.
Internet für alle - eine Illusion
Das Internet Governance Forum findet jedes Jahr statt. Gastgeber war diesmal Deutschland. Mehr als fünftausend Delegierte kamen nach Berlin, um über Regeln für den weltweiten Datenaustausch zu beraten. Angela Merkel eröffnete das Forum – und warnte vor einer zunehmenden Abschottung.
Russland, Iran und China wollen Internet stärker kontrollieren
Mit ihrer Mahnung zielte Angela Merkel auf China, den Iran und besonders auf Russland. Dort trat Anfang November ein neues Gesetz in Kraft. Das „Gesetz über das souveräne Internet“ ermögliche dem Staat, die internationalen Datenströme noch genauer zu überwachen, erklärt Sarkis Darbinyan, ein Moskauer Anwalt und Aktivist für die Informationsfreiheit.
Infrastruktur für staatliche Überwachung wird aufgebaut
Sarkis Darbinyan kritisiert das neue Gesetz als unverhältnismäßig und überflüssig. Künftig müssen russische Internetanbieter sich bei der obersten Medienaufsichtsbehörde, der Roskomnadsor, registrieren. Außerdem müssen sie in ihre Anlagen Soft- und Hardware einbauen, mit denen die eingehenden Datenpakete untersucht und auch umgeleitet werden können. "Deep packet inspection" ist der Fachbegriff für diese Technik.
Zensur und Kontrolle in Russland
Wenn ein Staat das Internet kontrollieren will, muss er zunächst herausfinden, wie das eigene Land über Satelliten und Fernmeldekabel mit dem Ausland verbunden ist. Für die russischen Behörden eine Mammutaufgabe, die noch lange dauern und viel Geld kosten wird.
Besonders ärgert den jungen Anwalt Sarkis Darbinyan aber eine weiterer Vorschrift: Russland will eigene Domain Name Server einrichten.
Das Domain Name System übersetzt die Adresse, die wir in die Adresszeile eines Browsers eintippen, in eine Zahlenfolge. So wird beispielsweise aus www.swr.de „23.215.39.212“. Mit dieser IP-Adresse können dann Daten geschickt und empfangen werden. Wer diesen Vorgang kontrolliert, kann bestimmte Internetadressen einfach blockieren.
Der junge Moskauer Anwalt Sarkis Darbinyan ist überzeugt, dass es der russischen Staatsführung darum geht, die eigene Bevölkerung besser zu überwachen. Die offizielle Begründung lautet allerdings anders: Auch im Fall eines Krieges oder einer Staatskrise soll das Internet weiter funktionieren. Ganz von der Hand zu weisen sind solche Ängste nicht.
Neue Angriffswaffen im Internet
Wolfgang Kleinwächter ist Experte für Internetregulierung. Er warnt vor einem Wettrüsten im Cyberspace. Dabei wird Software als Waffe eingesetzt: Um Sicherheitslücken von Computerprogramme auszunutzen und um fremde Netzwerke unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Problematisch ist, dass sich diese Waffen im Cyberspace nur schwer identifizieren lassen. Einen Panzer oder eine Kalaschnikow oder ein Kampfflugzeug kann man viel leichter identifizieren als einen Computer-Virus, der vor einem Jahr irgendwo in einem Kraftwerk deponiert worden ist und dann durch einen bestimmten Befehl aktiviert wird und dann erheblichen Schaden anrichten kann.
Militär nutzt Internet als Waffe
Das Internet ist zum Operationsraum für Militärs und Nachrichtendienste geworden. Cyberwar wird diese Entwicklung oft genannt. Auch das Domain Name System wurde mittlerweile gelegentlich angegriffen.
Auch das Internet braucht Regeln
Chris Painter war zwischen 2011 und 2017 der oberste Beamte der amerikanischen Regierung für „Cyberangelegenheiten“. Seitdem ist er als Diplomat tätig.
Painter ist der Meinung, man müsse dafür sorgen, dass Regeln und Richtlinien existieren. Denn es könne sehr destabilisierend wirken, wenn jedes Land über solche Möglichkeiten verfüge und niemand wisse, wann und auf welche Art sie eingesetzt werden.
Wechselseitige Spionage und Sabotage
Das amerikanische Militär unterhält eine eigene Teilstreitkraft für den Cyberspace, das US Cyber Command. Im August wurde bekannt, dass sie das russische Stromnetz infiltrierte, um es bei Bedarf lahmlegen können. Laut einem Bericht der New York Times war dies eine Warnung an die Russen und sollte als abschreckende Maßnahme dienen.
Experten fordern völkerrechtliche Normen für den Cyberspace
Chris Painter und Wolfgang Kleinwächter haben in einer Arbeitsgruppe der UN – der Globalen Kommission für die Stabilität im Cyberspace – Vorschläge entwickelt, um die Verwendung des Internet für militärische Zwecke einzudämmen und es bestimmten völkerrechtlichen Normen zu unterwerfen. Die Staaten sollen auf bestimmte Cyber-Maßnahmen verzichten, meint Wolfgang Kleinwächter.
Die nächsten Schritte wären Abrüstungsverhandlungen und völkerrechtlich verbindliche Regeln. Gelingt es aber nicht dem wachsenden Misstrauen entgegen zu wirken, dann könnte am Ende das Internet auseinanderbrechen, sagt Wolfgang Kleinwächter. Und zwar in einzelne voneinander abgeschottete Machtbereiche unterschiedlicher Cyber-Großmächte.