Im Sommersemester 2020 waren viele Universitäten und Hochschulen durch die kritische Corona-Infektionslage quasi gezwungen auf Online-Prüfungsformate für ihre Studierenden umzustellen. Das hatte deutliche Auswirkungen auf das Prüfungsverhalten der jungen Menschen.
Schummeln durch Spickzettel und unerlaubte Absprache
In einer anonymen und repräsentativen Umfrage hat ein Forschungsteam der Universitäten Mannheim, Landau und Augsburg deutschlandweit rund 1.600 Studierende gefragt, ob sie in den Prüfungen im Corona-Wintersemester 2020 geschummelt haben.
Als "Schummeln" galt dabei die Nutzung unerlaubter Hilfsmittel, also beispielsweise Spickzettel, aber auch die unerlaubte Zusammenarbeit mit Kommilitoninnen und Kommilitonen. Gerade wenn mehrere Studierende desselben Fachs in einer WG wohnen, ist es leicht, sich unerlaubt während der Klausur abzusprechen, so Studienleiter Stefan Janke von der Uni Mannheim.
Fehlende Überwachung verführt zum Schummeln
Je leichter die Möglichkeit zum schummeln, desto größer scheint auch die Verführung dazu. So haben über 60 Prozent der Studierenden zugegeben, in den Online-Prüfungen geschummelt zu haben. Für die wenigen noch stattfindenden Präsenzprüfungen räumten immerhin über 30 Prozent ein, mindestens einmal geschummelt zu haben.
Warum die Zahl der Betrügereien gerade bei den Online-Prüfungen so extrem hoch ist, dazu kann die Studie keine direkte Auskunft geben. Studienleiter Stefan Janke vermutet, dass vor allem die fehlende digitale Überwachung der Studierenden während der Online-Prüfungen zum Schummeln verleitet.
Veränderter Prüfungsstil verunsichert Studierende
Zur Gelegenheit des einfachen Schummelns kam aber auch die Unsicherheit der Studierenden nach dem ersten Semester digitaler Lehre hinzu. Sie wussten nicht, wie die Online-Prüfungen aussehen würden. Und die Lehrenden wollten es auch nicht zu einfach machen. Viele haben daher auf Speedtests gesetzt oder die Aufgaben schwieriger gemacht.
Viele Studierenden waren daher verunsichert, ob ihre bewährten Lernstrategien der neuen Prüfungssituation standhalten würden. Das hat möglicherweise den Eindruck verstärkt, dass man die Prüfungen ohne Betrugsverhalten vielleicht gar nicht schaffen könnte.
Online-Prüfungen haben Zukunftspotential
Aus diesen Praxiserfahrungen leiten die Studienautoren jetzt ab, wie in Zukunft Online-Prüfungen besser gestaltet werden können. Denn Psychologe Stefan Janke ist sicher, die Hochschulen werden auch nach der Corona-Pandemie weiter Online-Prüfungen anbieten – vermutlich nicht mehr als Ersatz für Präsenzklausuren, sondern um eine bessere Form des Prüfens einzusetzen.
In Open-Book-Klausuren zum Beispiel sind alle Hilfsmittel zugelassen, inklusive Prüfungsmaterial, Vorlesungsaufzeichnungen und Internet. Die Prüfungsfragen zielen dann nicht mehr auf schlichtes Faktenwissen, sondern auf die Anwendung des Stoffes ab und fördern somit das Tiefenlernen.
Ein weiteres alternatives Online-Prüfungsformat ist die Zusammenarbeiten mehrerer Studierenden in einem Gruppenprojekt, um innerhalb einer begrenzten Zeit zum Prüfungsergebnis zu kommen. Angesichts der Arbeitswelt, in der immer häufiger die Arbeit in Teams gefragt ist, hält Psychologe Janke die Anwendung dieser Prüfungsform für besonders sinnvoll.