Mittels weißen Rauschen lassen sich möglicherweise Symtome von Alzheimer und Parkison im Tiefschlaf abmildern.

Neurologie

Alzheimer und Parkinson im Schlaf bremsen

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Patric Seibel
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Leila Boucheligua
Ralf Kölbel

Forschende aus Zürich haben ein Stirnband entwickelt, das Schlafphasen erkennt und dann über akustische Signale bestimmte Gehirnwellen verstärkt. Erste Ergebnisse zeigen, dass so manche Demenzkrankheiten verlangsamt werden könnten.

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Ein rauschendes Stirnband, das Schlafphasen erkennt und über akustische Signale bestimmte Gehirnwellen verstärkt – dieses Gerät haben Zürcher Forschende entwickelt. Sie widmen sich schon seit längerem der Frage, wie Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz im Schlaf bekämpft werden können.

Heraus kam nun der sogenannte "Sleep Loop". Über ein Stirnband werden leise akustische Signale eingesetzt, um die langsamen Wellen im schlafenden Gehirn zu verstärken. Es liegen bereits erste ermutigende Ergebnisse vor, die zeigen, dass so manche Demenzkrankheiten verlangsamt werden könnten. In Kürze startet eine große Studie, die umfassende Erkenntnisse über Einsatzmöglichkeiten und Effizienz bringen soll.

Das von ETH-​Forschenden entwickelte SleepLoop-​System gibt zum richtigen Zeitpunkt einen Ton ab. Damit sollen langsame, für den Tiefschlaf wichtige Gehirnwellen verstärkt werden. (Bild: SleepLoop)

Bei neurodegenerativen Erkrankungen sind die Wellen im Tiefschlaf niedriger

Die langsamen Delta-Wellen, die im Tiefschlaf in unserem Gehirn schwingen, sind die Basis für viele Prozesse. Sie synchronisieren das Gehirn, bringen die unterschiedlichen Teile quasi auf eine Wellenlänge, damit etwa neue Informationen im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden können.

Daneben werden im Tiefschlaf Abfallprodukte im Gehirn abtransportiert. Solche Schadstoffe gelten als mitverantwortlich für Parkinson. Wer an der neurodegenerativen Erkrankung leidet, bei dem sind die langsamen Wellen im Tiefschlaf niedriger und der Abtransport der Schadstoffe funktioniert entsprechend schlechter.

Mit dem Sleep Loop konnten die Zürcher bereits langsame Wellen erfolgreich manipulieren, so Christian Baumann, Professor für Neurologie an der Universität Zürich:

Wenn man diese langsamen Wellen stimuliert und das immer zur gleichen Zeit, wenn sie praktisch ganz oben an der Spitze sind, dann führt das dazu, dass diese langsamen Wellen höher werden, die Amplitude wird größer. Wahrscheinlich gibt es eine höhere Synchronisation und diese höheren Wellen zeigen an, dass der Schlaf tiefer wird.

Mittels weißem Rauschen lassen sich möglicherweise Symtome von Alzheimer und Parkison im Tiefschlaf abmildern.
Mittels weißem Rauschen lassen sich möglicherweise Symtome von Alzheimer und Parkison im Tiefschlaf abmildern.

Ein Stirnband misst den idealen Zeitpunkt für die Stimulation

Der akustische Schrittmacher für die Welle kommt über ein Stirnband. Ein integrierter Messfühler soll den idealen Zeitpunkt dafür ermitteln – immer dann, wenn die Welle auf ihrem Scheitelpunkt ist, hört der Patient über Kopfhörer im Stirnband das Signal: "Pink noise".

Professor Baumann erklärt, dass es sich dabei um einen sehr leisen Ton handelt, der knapp über der Hörschwelle liegt und individuell angepasst werden muss. Gerade Parkinson- und Alzheimer-Patienten seien häufig ältere Menschen, bei denen das Gehör nicht mehr ganz so gut funktioniert wie früher, so Baumann weiter.

Man muss schauen, wo die Hörschwelle eines Individuums ist und geht dann ein bisschen höher mit der Lautstärke, sodass dieser Pink noise, das ist ein leises Rauschen, über Kopfhörer gerade noch wahrnehmbar ist. Es darf aber nicht zu laut werden, die betreffende Person soll ja nicht aufgeweckt werden.

Jetzt soll die Technik bei älteren Patientinnen und Patienten getestet werden

Mit jungen Probandinnen und Probanden gibt es schon vielversprechende Ergebnisse. Nun will das Züricher Forschungsteam herausfinden, wie gut die Sleep-Loop-Technik bei älteren Patienten funktioniert. Der Tübinger Neurowissenschaftler und Schlafforscher Professor Jan Born ist gespannt auf die Ergebnisse. Bisher zeigt die Forschungsliteratur bei älteren Menschen keine eindeutigen Effekte:

Das alternde Gehirn scheint nicht mehr so flexibel auf die Stimulation zu reagieren wie das junge Gehirn. Das heißt, bei jungen Menschen, die ohnehin gut schlafen, zeigen sich robustere Effekte als bei älteren Menschen, bei denen sich der Rhythmus schwerer beeinflussen lässt.

Die Technologie wurde, wie häufig in der Forschung, zunächst an Studierenden getestet. Der Schlaf junger Menschen ist sehr klar strukturiert und die Wellen in ihrer unterschiedlichen Länge gut definiert, sagt Professor Baumann. So lässt sich im EEG der Tiefschlaf gut von anderen Phasen unterscheiden.

Sleep-Loop -Gerät © SleepLoop; Foto: ETH Zürich  Heinz Hönger)
Das SleepLoop-​System soll mit Hilfe bestimmter Tonsignale dabei helfen, Alzheimer und Parkinson einzudämmen.

Die Ausprägung der Wellen verändert sich mit dem Alter – und bei Erkrankungen

Je älter man wird, desto schwieriger wird das, erklärt Professor Baumann. Das liegt daran, dass die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die sogenannten Synapsen, schwächer und weniger werden. Damit treten diese großen und langsamen Wellen nicht mehr so akzentuiert auf.

Noch verrückter wird es, wenn jemand nicht nur älter wird, sondern auch noch krank, so Baumann weiter. Bei Parkinson- und Alzheimer-Erkrankten verändert sich die gesamte Schlafarchitektur und damit die Schlafableitung, die gemessen werden kann.

Das erschwert den Einsatz dieser Technologie nochmals, weil man in Wellen, die sich nicht mehr so stark unterscheiden, wie bei Jungen und Gesunden, versuchen muss, die richtigen rauszupicken, um diese dann zu stimulieren. Daran haben wir lange gearbeitet – es gelingt jetzt, aber selbst nach vielen Jahren nicht bei allen Patienten gleichermaßen gut.

Für Professor Baumann und das Forschungsteam bedeutet das, dass sie die Sleep-Loop-Technologie weiter verfeinern und individualisieren müssen. Wahrscheinlich werden nicht alle Patientinnen und Patienten von dem Effekt profitieren, aber zumindest bei einigen Menschen mit Parkinson könnte eine Verstärkung der langsamen Hirnwellen im Schlaf helfen. Ob das klappt, ist allerdings erst nach Abschluss der Studie in rund fünf Jahren klar.

Jede Schlafphase hat ihre spezifischen Hirnfrequenzen.
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