Umstrittene Forschung an Affen

Hirnforscher Logothetis will künftig in China arbeiten

Stand
Autor/in
Ulrike Mix
Onlinefassung
Anja Braun

Der Hirnforscher Nikos Logothetis will Deutschland verlassen und künftig in China forschen. Er war 2014 unter Druck geraten, als Bilder aus seinem Affenlabor veröffentlicht wurden.

Nikos Logothetis ist zurzeit Direktor des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen. In Shanghai wird ihm nun offenbar ein neuer Forschungscampus eingerichtet. Er könnte dort auch viele seiner jetzigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen.

Der international anerkannte Hirnforscher war in Deutschland öffentlich unter Druck geraten, als Filmmaterial aus seinem Affenlabor veröffentlicht wurde.

 Ein Rhesus-Affe mit einem Implantat wird in der Tierhaltung im Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik von einem Tierpfleger gefüttert.
Ein Rhesus-Affe mit einem Implantat wird in der Tierhaltung im Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik von einem Tierpfleger gefüttert.

Tierschützer zeigen verstörende Bilder aus Logothetis Affenlabor

Es begann im September 2014. Damals veröffentlichten Tierschützer heimlich gedrehte Aufnahmen aus Nikos Logothetis Tierversuchslabor. Zu sehen waren verstörende Bilder von Versuchsaffen. Affen, die sich wie wahnsinnig um die eigene Achse drehten. Affen mit blutüberströmten Köpfen.

Tierschützer stellten sich gegen Wissenschaftler

Während die einen sich auf die Seite der Tierschützer stellten, die immer wieder demonstrierend durch Tübingen zogen und ein Ende der Versuche forderten, stärkten vor allem viele Wissenschaftler Logothetis den Rücken und verteidigten seine Forschung.

Zahlreiche Tierschützer demonstrierten 2014 in Tübingen gegen den Einsatz von Affen in der Forschung am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik.
Zahlreiche Tierschützer demonstrierten 2014 in Tübingen gegen den Einsatz von Affen in der Forschung am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik.

Die Affenversuche waren genehmigt

Hirnforscher Logothetis betrieb Grundlagenforschung – bei der Mikroelektroden ins offene Hirn der Affen eingeführt werden, um ihre Hirnströme zu messen. Diese Tierversuche waren genehmigt.

Oberbürgermeister Palmer stellt sich hinter den Hirnforscher

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) stellte sich damals bei einer Demonstration gegen die aufgebrachten Tierschützer:

"Ich bin der Auffassung, dass diese Forschung einen Nutzen für den Menschen hat – dass dabei Menschen geholfen wird. Es wird nicht möglich sein, solche Forschungen ohne Leid für die Tiere zu realisieren."

Die Staatsanwaltschaft stellt Verstöße bei den Affenversuchen fest

Doch es blieb nicht bei öffentlicher Empörung. Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelte und stellte fest, dass es im Rahmen der Affenversuche Verstöße gegeben hatte. Zu einem Prozess gegen Nikos Logothetis kam es letztlich aber nicht. Das Verfahren wurde eingestellt - gegen Zahlung einer Geldauflage.

Affe im Käfig eines Tierversuchslabors
Affe im Käfig eines Tierversuchslabors

Logothetis fühlt sich in Tübingen angefeindet

Diese Vorgänge sind ein Grund dafür, dass der international anerkannte Forscher Tübingen verlassen will - mit 69 Jahren. Hinzu kommt, dass radikale Tierschützer ihn bedroht haben, wie er sagt. Tübingen sei seitdem für ihn nicht mehr der Ort, der es einmal war.

Max-Planck-Gesellschaft entzog Logothetis sämtliche Tierversuche

Letztlich entscheidend dürfte aber das Verhalten seines Arbeitgebers gewesen sein: Als die Staatsanwaltschaft gegen Logothetis ermittelte, entzog ihm die Max-Planck-Gesellschaft (kurz: MPG) jegliche Tierversuche. Bis zum Ende des Verfahrens.

Logothetis vermisst die Loyalität seines Arbeitgebers

Für Logothetis war der Entzug ein Vertrauensbruch. Wie viele andere Wissenschaftler weltweit hatte er erwartet, dass die Max-Planck-Gesellschaft sich vor ihn stellen würde. Schriftlich teilte er mit:

"Die Anschuldigungen gegen mich sind unhaltbar. Meine Mitarbeiter und ich haben alles getan, um das Wohlergehen der Tiere während der Versuche sicherzustellen. Wer unser Labor kennt, wird das ohne zu zögern bestätigen. Das Verhalten der Max-Planck-Gesellschaft ist deshalb für mich unverständlich und es hat Wissenschaftler weltweit geschockt."

Der Hirnforscher Nikos Logothetis fühlt sich von der Max-Planck-Gesellschaft ungerecht behandelt.
Der Hirnforscher Nikos Logothetis fühlt sich von der Max-Planck-Gesellschaft ungerecht behandelt.

Die Max-Planck-Gesellschaft fühlt sich im Recht

Die Max-Planck-Gesellschaft sagte öffentlich, dass einige der Vorschriften zur Haltung von Versuchstieren im Labor von Logothetis nicht eingehalten wurden. Den Vorwurf der Tiermisshandlung zu klären, sei Sache der Staatsanwaltschaft. Professor Logothetis für die Dauer der Ermittlungen die Tierversuche zu entziehen, sei die richtige Entscheidung gewesen, bekräftigt Pressesprecherin Christina Beck:

"Das Vertrauen in uns, in die sachgerechte Durchführung von Tierversuchen, ist ein Vertrauen der Gesellschaft, das wir in keinster Weise einer Gefährdung aussetzen dürfen. Weil unsere gesamte Forschung auf dem Vertrauen der Gesellschaft in uns und in die sachgerechte Durchführung von Tierversuchen beruht. Und vor diesem Hintergrund war das schlicht eine Vorsichtsmaßnahme, die letztlich auch alle anderen tierexperimentell forschenden Forscher in der MPG schützt."

Deshalb zieht es den Hirnforscher nach China

Die Kluft, die zwischen Logothetis und der Max-Planck-Gesellschaft entstand, konnte nie mehr zugeschüttet werden. Logothetis‘ Weggang wäre für beide Seiten die Lösung eines immer noch schwelenden Konflikts.

Noch ist nicht klar, ob Logothetis wirklich nach China geht und vor allem wann. Sein Vertrag am Tübinger Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik läuft noch fast drei Jahre. Es gibt seit einigen Monaten Gespräche darüber, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Zu welchen Konditionen ist allerdings noch nicht klar – zumal Logothetis offenbar einen Teil seiner Mitarbeiter mit nach China nehmen will.

Die MPG will das Tübinger Institut neu ausrichten

Die Max-Planck-Gesellschaft scheint dem Wissenschaftler keine Träne nachzuweinen. Logothetis stehe ohnehin an der Schwelle zur Emeritierung, sagt Pressesprecherin Christina Beck.

Die Max-Planck-Gesellschaft hat längst damit begonnen, das Tübinger Institut neu auszurichten. Künftig wird zum Thema Künstliche Intelligenz geforscht.

Max-Planck-Institut in Tübingen
Max-Planck-Institut in Tübingen
Stand
Autor/in
Ulrike Mix
Onlinefassung
Anja Braun