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Medizin

Herzschwäche: Prognose mit Blick in die Augen? 

Stand
Autor/in
Katharina Ditschke
Portraitbild der Reporterin  Katharina Ditschke.
Onlinefassung
Leila Boucheligua

Krankheiten wie Diabetes oder Multiple Sklerose lassen sich auch an der Netzhaut oder den Blutgefäßen ablesen. Ob sich anhand der Pupillenreaktion auch der Verlauf einer Herzschwäche – weltweit eine der häufigsten Todesursachen – vorhersagen lässt, untersucht jetzt ein Forscher-Team in Brandenburg.

Jemandem tief in die Augen schauen – das hat in der Medizin eine ganz besondere Bedeutung. Die Verbindung zwischen Auge und Herz ist auf den ersten Blick wortwörtlich nicht die naheliegendste. Könnte sie aber sein. 

Ein Forscherteam am Herzzentrum Brandenburg will Menschen, die an Herzschwäche leiden, schnell und einfach eine Prognose für ihre Erkrankung geben. Und das anhand ihrer Augen. Dr. Tanja Kücken und ihr Team forschen an einem Test, mit dem in Sekunden frühe Anzeichen für Komplikationen in den Pupillen der Patientinnen und Patienten erkannt werden könnten.  

Vier Million Menschen in Deutschland haben eine Herzschwäche

Unerkannt kann eine Herzschwäche einen dramatischen Verlauf nehmen. An Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt, leiden in Deutschland immerhin rund vier Millionen Menschen. Sie ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen.

Die Diagnose erfolgt standardmäßig anhand von Symptomen, Blutwerten und Bildgebung wie etwa ein Herz-Ultraschall oder Langzeit EKG. Typische Symptome sind Luftnot und geschwollene Beine. Leiden Patientinnen und Patienten an Herzschwäche, werden sie unter anderem medikamentös eingestellt.  

Doch was haben die Augen mit dem Herzen zu tun? Die Augen, genauer gesagt die Reaktion der Pupillen, wird vom so genannten autonomen Nervensystem gesteuert. Dieses regelt alle unwillkürlichen Funktionen im Körper wie zum Beispiel die Atmung, die Verdauung, und auch den Herzschlag. Studienleiterin Dr. Tanja Kücken erklärt den Zusammenhang:  

Die Patienten, die eine Herzschwäche haben, und insbesondere die, die Beschwerden und Symptome haben, haben erhöhte Stresslevel. Bei ihnen ist der eine Teil des autonomen Nervensystems permanent unter Aktion. Dieses Ungleichgewicht macht unser autonomes Nervensystem auf Dauer kaputt. Und das ist es, was wir versuchen, zu diagnostizieren.

An diesem Punkt setzt der Test an. Da das autonome Nervensystem auch die Reaktion der Pupillen steuert, könnten sich daran möglicherweise kommende, schwerwiegende Folgen am Herzen ablesen lassen. Das können Herzrhythmusstörungen, aber auch ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall sein.

Handpupillometer

Für die Messungen benutzen die Forscherinnen ein Pupillometer, um die Reaktion der Pupillen zu messen. Dr. Susanne Fichtner koordiniert die Untersuchung und beschreibt den Ablauf: 

Meistens kommen die Patienten über die Notaufnahme zu uns, da sie eben an akuten Wassereinlagerungen in der Lunge oder den Beinen leiden. Wir versuchen sie innerhalb der nächsten 24 bis 48 Stunden zum ersten Mal pupillometrisch zu analysieren. Dazu haben wir ein kleines Handmessgerät, das aussieht wie ein Fotoapparat. Das müssen wir nur an die Augen der Patienten halten, dann gibt es ein kleines Blitzlicht und daraufhin reagiert die Pupille mit einem Zusammenziehen.

Kurz bevor die Patienten entlassen werden, wird die Messung wiederholt und durch einen weiteren Test ergänzt. Die Pupillen werden dann vermessen, während die Probandinnen und Probanden Aufgaben lösen – etwa Zahlenreihen vervollständigen. Die Forscherinnen hoffen, einen der Parameter ausfindig zu machen, der ihnen eine Prognose für Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche erlaubt.  

Eyetracker
Mithilfe eines Eyetrackers untersuchen Dr. Tanja Kücken und ihr Team die Pupillen der Patientinnen und Patienten auf verschiedene Parameter.

Zweijährige Studie sucht nach entscheidenden Werten

Bisher fanden japanische Wissenschaftler erste Indizien dafür, aber noch keine eindeutigen Aussagen. Am Ende könnte es einer dieser Werte sein: die Geschwindigkeit, in der sich die Pupille beim Lichtreiz zusammenzieht, die Beschleunigung, vielleicht auch der Radius oder die Zeit der Entspannung. 

Am Herzzentrum Brandenburg werden derzeit 100 Patientinen und Patienten mit Herzinsuffizienz untersucht. Die Studie ist auf zwei Jahren angelegt. Findet das Forscherteam von Tanja Kücken in ihrer Studie entscheidende Pupillenwerte, ließe sich die Augenmessung bestenfalls als einfache, schnelle und kostengünstige Methode in Kliniken und Praxen etablieren. Für Betroffene mit Herzschwäche würde das potenziell lebensrettende Hinweise bedeuten.

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