In der Gentherapie von Menschen mit erblichen Krankheiten konnten mit der Genschere CRISPR/Cas-9 schon erste Erfolge gefeiert werden. Für einige Forscher wäre jetzt der nächste Schritt, die genetischen „Fehler“ direkt zu Beginn der Entwicklung, im menschlichen Embryo, zu korrigieren. Doch so leicht, wie man sich das vorgestellt hat, ist es scheinbar doch nicht. Das zeigen drei vorveröffentlichte Studien: Studie 1, Studie 2 und Studie 3 .
Die Gene entscheiden über angeborene Krankheiten
Eine Mutation, die blind macht; eine Genvariante, die zu einem geschwächten Herz führt. Es sind kleinste Veränderungen in der DNA, die darüber entscheiden, ob ein Baby gesund zur Welt kommt oder eine angeborene Krankheit hat.
Verlockungen der Genforschung
Als Genetikerin oder Reproduktionsbiologe würde man das den Eltern und Kindern gerne ersparen: Ein paar Schnitte in der DNA, ein paar Basen ausgetauscht, nur ganz kleine Veränderungen und die Krankheit ist besiegt.
CRISPR/Cas9 hat die Gentechnik revolutioniert
Seit einigen Jahren hat die Forschung ein Werkzeug, das scheinbar genau das kann: CRISPR/Cas9. Schnell, präzise, leicht zu bedienen – innerhalb kürzester Zeit hat CRISPR die Gentechnik revolutioniert. Aber ob und wie dieses Werkzeug auch in menschlichen Embryonen eingesetzt werden könnte, wie diese speziellen Zellen auf den Eingriff reagieren, das ist noch kaum erforscht.
CRISPR/Cas an Embryonen in den meisten Ländern weltweit eingeschränkt
Im Jahr 2015 wurden in China das erste Mal Gene von menschlichen Embryonen mit CRISPR/Cas verändert. Seitdem gibt es weltweit nicht viele Forschungsgruppen, die sich mit solchen Fragen beschäftigen - in den meisten Ländern sind Versuche an menschlichen Embryonen nicht erlaubt und wenn, dann nur unter strengen Auflagen möglich. Die Embryonen müssen überall nach wenigen Wochen wieder zerstört werden.
Großes Risiko bei Manipulationen an menschlichen Embryonen
Vor eineinhalb Jahren sorgte ein chinesischer Forscher dann aber für Aufsehen, weil er erklärte, er habe Embryonen nach der Veränderung eben nicht zerstört, stattdessen seien zwei Mädchen auf die Welt gekommen, dessen Gene er verändert habe. Der Aufschrei war groß, weltweit verurteilten Kritiker diesen Schritt: Das Risiko, dass auch Genabschnitte verändert wurden, die man gar nicht treffen wollte, sei viel zu groß.
Nicht geplante Zellveränderungen
Drei Studien, die jetzt auf einem Preprintserver veröffentlicht wurden, zeigen, dass die damals geäußerten Bedenken begründet waren. Noch sind die Arbeiten nicht von anderen Fachleuten beurteilt worden, doch zusammengenommen ergeben sie ein erschreckendes Bild:
Da ist zum Beispiel eine Studie von Entwicklungsbiologen aus London, die in etwa 20 Prozent der behandelten Zellen Veränderungen fanden, die nicht geplant waren.
Zum Teil wurden große Teile der DNA einfach gelöscht, bis zu 20.000 Basenpaare einfach weg. Auch Reproduktionsmedizinern aus Portland fanden große Regionen rund um das anvisierte Gen, die anders aussahen, als erwartet.
Und Stammzellforschern der Columbia University in den USA beobachteten, dass die Hälfte der Embryonen zumindest Teile des Chromosomen verloren, auf denen das Gen lag, das man verändern wollte. Manchmal verschwand sogar das ganze Chromosom.
Chaos im Genom einiger Embryonen
Nach der CRISPR-Behandlung herrschte Chaos im Genom einiger Embryonen. Von einer kontrollierten Veränderung kann keine Rede sein.
Der amerikanische CRISPR-Experte Fyodor Urnov sagte gegenüber der Fachzeitschrift Nature, diese drei Studien seien wie eine Rakete in der Raumfahrt, die kurz vor dem Start explodierte.
Bisher konnte man nämlich den Eindruck gewinnen, der Durchbruch in der medizinischen Anwendung von CRISPR an menschlichen Embryonen sei zum Greifen nahe. Das sieht jetzt aber anders aus.