Feinstaub senkt menschliche Produktivität
Bei Steffen Künns Forschung geht es um Effizienz und Produktivität – eben darum, wie man das meiste aus Arbeitern herausholt. Schlechte Luft zum Beispiel mindert die Leistung.
Aber das ist nur das grobe Bild der Effekte von Feinstaub. Man kann es auch ganz fein betrachten, auf der medizinischen Ebene:
- Feinstaub kann über die Nase ins Gehirn vordringen.
- Außerdem können die Partikel Entzündungen in der Lunge hervorrufen, bei denen wiederum schädliche Eiweiße entstehen.
Einfluss von Feinstaub auf Hirnleistung von Schachspielern
Zwischen dieser groben und der feinen Beobachtung liegt die Frage, ob und wie sehr der Feinstaub wirklich beim Denken stört. Dabei kommt man, so Künn allerdings schnell an die Grenzen des empirisch Machbaren:
Es gibt eben kaum ein objektives Maß dafür, wie „gut“ jemand, der Denkarbeit leistet, arbeitet. Die Forscher mussten ein anderes Studienobjekt suchen. So kamen sie durch Brainstorming auf Schachspieler.
„Schach ist ein Spiel, dafür braucht man keine körperliche Anstrengung. Das ist eine rein kognitive Tätigkeit. Wir messen die Denkleistung.“
Schachcomputer bewertet Schachspieler, Sensoren messen Luftqualität
Für die Messung haben sie sich ein Schachturnier in Köln vorgenommen. Sie untersuchten die Daten aus drei Jahren, insgesamt 21 Spieltage, knapp 600 Partien, 30.000 Schachzüge. Die Qualität jedes einzelnen Zuges ließen sie von einem Schachcomputer bewerten. So konnten sie ermitteln, wie oft die Spieler Fehler begingen.
Mit verschiedenen Sensoren wurde dann noch die Luftqualität im Raum gemessen: Wie zum Beispiel: Feinstaub-Konzentration, CO2, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, aber auch Geräusche und andere Luftqualität-Maße.
Mehr Feinstaub, mehr Fehler
Die Geräusch-Messungen werden gleich noch wichtig. Erstmal das Ergebnis: Stieg die Feinstaub-Belastung um zehn Mikrogramm pro Kubikmeter – was in Städten durchaus vorkommt – dann stieg gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Spieler, einen Fehler zu begehen, im Schnitt um 26 Prozent.
Die Forscher beurteilen das als einen starken Effekt. Mehr noch:
Andere Faktoren wie der Verkehr werden ausgeschlossen
Wenn die Spieler unter Zeitdruck waren, hatte übrigens auch das CO2 in der Luft einen Einfluss auf die Fehlerrate, ansonsten nicht. Man könnte jetzt sagen: „Aufgabe erledigt!“ Die Forscher haben einen Einfluss von Feinstaub auf die geistige Leistung nachgewiesen. Aber so einfach ist es eben nicht.
Ein Schachturnier ist kein gut kontrolliertes Experiment. Die Forscher haben nicht alle Faktoren im Griff. Könnte es sein, dass der Feinstaub nur einen scheinbaren Einfluss hat, und die Ursache in Wahrheit eine andere ist? Wie wäre es mit folgendem Szenario: Feinstaub entsteht durch den Verkehr. Vielleicht waren die Spieler an verkehrsreichen Tagen einfach gestresst, weil sie vor der Partie im Stau standen.
Denkarbeit lieber im Grünen?
„Kontrollieren“ heißt: Die Forscher ermitteln auch Verkehrsdaten und zeigen, dass die keinen messbaren Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit haben. Gleiches gilt für die Temperatur und für eventuellen Verkehrslärm beim Turnier – daher die Geräuschmessungen. All das sind starke Hinweis darauf, dass es tatsächlich der Feinstaub war. Was können Arbeitsökonomen, bei denen es wie gesagt um Produktivität und Effizienz geht, mit so einem Ergebnis anfangen?
Denkarbeit nur noch im Grünen? Das wäre vielleicht eine extreme Schlussfolgerung aus der Studie. Das Ergebnis zeigt aber in jedem Fall, dass Arbeitgeber ein direktes wirtschaftliches Interesse daran haben könnten, ihre Mitarbeiter möglichst saubere Luft atmen zu lassen.