Wo landen alte Speiseöle aus deutschen Küchen?
Wer kennt es nicht: immer wieder landen Fettreste einfach im Küchen-Abfluss oder in der Toilette. Die Folge sind oft genug Verstopfungen in den Abwasserleitungen. Auch der Aufwand für die Kläranlagen steigt. Im Abfall-ABC der Stadt Stuttgart zum Beispiel wird empfohlen, Öl über die Restmülltonne zu entsorgen. Auch Wertstoffhöfe nehmen ranziges Öl oder altes Frittierfett an. In Öhringen und Dörzbach im Hohenlohekreis versucht man es anders. Dort gibt es das Projekt „Jeder Tropfen zählt“ .
Die Haushalte haben grüne Sammelflaschen bekommen, in denen sie ihr gebrauchtes Öl sammeln können. Wenn die Flasche voll ist, kann man es zu einem Sammelcontainer in der Nähe bringen – im Tausch gibt’s einen sauberen Behälter zurück. Pro 1,2 Liter-Flasche soll sich Biokraftstoff für eine Fahrt von etwa 20 Kilometern mit dem Auto gewinnen lassen.
Was genau passiert mit dem Altfett?
Der Inhalt der angelieferten Sammelflaschen wird in einer Recycling-Anlage aufgeschmolzen, erhitzt und getrennt in Speiseöl, Wasser und Feststoffe wie Paniermehl oder Reste von Pommes. Der größte Teil des Altfetts wird für die Herstellung von Biodiesel verwendet. Ein Teil wandert in die Produktion von Kosmetikartikeln und Reinigungsmitteln.
Altfett von Privathaushalten – noch eine Nische
Die Sammlung im Projekt „Jeder Tropfen zählt“ soll es den Bürgern möglichst bequem machen – auf jeden Fall bequemer, als wenn sie zum Wertstoffhof fahren müssten. Der Geschäftsführer schätzt, dass in Deutschland pro Person und Jahr derzeit nur rund 80 Gramm Altfett gesammelt werden – obwohl geschätzt 1.300 Gramm anfallen. Mit Hilfe des Modellprojekts komme nach einigen Jahren immerhin mehr als ein halbes Kilo pro Kopf und Jahr zusammen – das zeigten Erfahrungen aus bayerischen Gemeinden.
Das ganze Potential von – seiner Meinung nach – bundesweit rund 100.000 Tonnen im Jahr wird sich aber nie ausschöpfen lassen, glaubt der Fachmann. Im Vergleich zum Altfett aus Gastronomie und Lebensmittelindustrie ist die Sammlung von Privathaushalten sowieso eine Nische. Convenience-Food-Hersteller, Fast-Food-Ketten, Dönerbuden und andere geben in Deutschland schon heute das meiste Altfett ab – nach Branchenschätzungen mehr als 200.000 Tonnen pro Jahr – Rohstoff vor allem für Biodiesel.
Was hat die Umwelt davon?
Biodiesel aus Abfällen ist deutlich klimafreundlicher als fossiler Diesel, wirbt die Branche. Abfallbasierter Biodiesel mindert die Treibhausgasemissionen demnach um über 90 Prozent. Wenn er fossilem Diesel beigemischt wird, wird auch der ein bisschen weniger klimaschädlich. Auch das Heidelberger Ifeu-Institut bestätigt: Solange überhaupt mit Diesel-Kraftstoff gefahren wird, ist es immer besser, Diesel aus Abfall zu verwenden. Fossilen Diesel zu ersetzen sei auch umweltfreundlicher als das Fett in einer Müllverbrennungsanlage zu verbrennen – selbst wenn dabei noch Strom und Wärme erzeugt wird.
Aber es gibt auch Haken.
Biokraftstoffe sind umstritten
Was dem Diesel beigemischt wird, das stammt nicht nur aus Abfällen, sondern ist zu einem erheblichen Teil Sprit aus Palmöl und Raps. Solche Agrokraftstoffe seien eine Katastrophe für Klima und Umwelt, klagt die Deutsche Umwelthilfe DUH. Stichworte sind „Zerstörung von Regenwald“ und die Diskussion um „Tank oder Teller“. Und an der Tankstelle kann niemand „Diesel ohne Agrokraftstoffe aber mit Diesel aus Abfällen“ bestellen. Aus Sicht der Umweltschützer sind die Altfette ein Feigenblatt, um Biodiesel schönzureden.
Im Individualverkehr geht die Reise sowieso in Richtung E-Mobilität.
Unterm Strich
Altfett zu nutzen ist auf jeden Fall sinnvoll – auch das von Privathaushalten, das heute noch kaum gesammelt wird. Aber dann ist die Frage, was genau damit passiert.
Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich dafür ein, das Fett zunächst für Seife, Waschmittel und Co zu nutzen. Im Straßenverkehr sagt sie: Finger weg von allen Biokraftstoffen. Aber den Schiffsverkehr und den Flugverkehr könnten abfallbasierte Biokraftstoffe künftig umweltfreundlicher machen.