Archäologie

Die Eismumie Ötzi hatte dunkle Haut und eine Glatze

Stand
Autor/in
Thomas Hillebrandt
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Der Gletschermann Ötzi sah ganz anders aus als bislang gedacht. Das ergab eine neue, umfassende Studie seines Erbguts.

Über keinen Menschen weiß die Wissenschaft mehr – über keinen lebenden und keinen toten. Seit „Der Mann aus dem Eis“, „Die Gletschermumie vom Hauslabjoch“, im September 1991 in den Südtiroler Alpen gefunden wurde, haben Experten und Expertinnen aus der Archäologie, der Botanik, der Medizin oder der Genetik den allgemein „Ötzi“ genannten Mann nach allen Regeln ihrer jeweiligen Wissenschaft untersucht

Daher wissen wir: Er war zu seinen Lebzeiten ca. 1 Meter 60 groß, wog etwa 50 Kilogramm, litt an zahlreichen Krankheiten und starb im Alter von 45 bis 50 an einem Frühlingstag vor mehr als 5.300 Jahren, als ihn ein aus dem Hinterhalt abgeschossener Pfeil in den Rücken traf. Ein bislang ungeklärter Mordfall.

"Ötzi", die Mumie aus dem Eis,  wurde 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckt. Seither wird der Gletschermann mit verschiedenen wissenschaftlichen Methoden genaur untersucht.
"Ötzi", die Mumie aus dem Eis, wurde 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckt. Seither wird der Gletschermann mit verschiedenen wissenschaftlichen Methoden genauer untersucht.

Kontaminiertes DNA-Material sorgte für falsches Bild von Ötzi

Doch als relativ sicher geklärt galt die Frage „Wie hat Ötzi ausgesehen?“. Denn schon 2012 wurde Ötzis Genom entschlüsselt, als erstes Genom einer Mumie. Der wissenschaftliche Aufwand war enorm, und das Bild, dass man sich daraufhin von Ötzi zu seinen Lebzeiten machte, zeigt ihn als „frühen Europäer“, als hellhäutigen Mann, mit schulterlangem, dunklem, welligem Haar, einem Bart und von der Sonne gebräunter Haut. Doch dieses Bild entstand, wie man heute weiß, auch auf der Basis von kontaminiertem DNA-Material - und ist eindeutig falsch.

So wurde Gletschermann Ötzi bislang präsentiert: Mit langen Haaren und relativ heller Haut. Nach neuen Erkenntnissen ist diese Vorstellung von Ötzis Aussehen zu Lebzeiten wohl falsch.
So wurde Gletschermann Ötzi bislang präsentiert: Mit langen Haaren und relativ heller Haut. Nach neuen Erkenntnissen ist diese Vorstellung von Ötzis Aussehen zu Lebzeiten wohl falsch.

Ötzis Vorfahren waren bäuerliche Zuwanderer aus Anatolien

Mit neuer Sequenziertechnologie und neuen genetischen Analysemethoden hat ein Forschungsteam des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und von Eurac Research aus Bozen eine sehr viel exaktere und unverfälschte Rekonstruktion von Ötzis Genom erstellt. Das Ergebnis: Ötzis Vorfahren waren vor allem bäuerliche Zuwanderer aus Anatolien, nur knapp neun Prozent seines Genoms stammen von europäischen Jägern und Sammlern.

Veranlagung für Diabetes, Übergewicht und Glatze in den Genen von Ötzi entdeckt

Ötzi hatte demnach ziemlich dunkle Haut, die nicht auf Sonnenstrahlung oder nachträgliche Färbung im Laufe der Jahrtausende zurückgeht – und er hatte dunkle Augen und trug die genetische Veranlagung für Diabetes und Übergewicht in sich.

„Der Mann aus dem Eis“ war also nicht der „typische hellhäutige Europäer“, den wir so lange und wohl auch sehr gern in ihm gesehen haben. Und, das ist nun eindeutig belegt, er war auch nicht mit einer respektablen Mähne versehen. Die Gene lügen nicht: Als Ötzi vor mehr als 5.300 Jahren auf einem Alpengletscher starb, hatte er kein langes, dichtes Haupthaar mehr, sondern eine Glatze.

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Über die Alpen · Zurück in die Steinzeit

Ein Toter liegt im Schnee. Seine Haut ist lederartig. Teile seiner Kleidung und Ausrüstungsgegenstände finden sich. Es ist eine Gletschermumie, ein Mann aus der Steinzeit. Seit 5000 Jahren liegt er in den Ötztaler Alpen. Schon nach wenigen Tagen bekommt der Steinzeitmensch von den Medien den Namen Ötzi verpasst. Archäologen rekonstruieren akribisch seine gut erhaltene Wanderausstattung, Kleider, Waffen und Taschen.
Ingo und Henning sind bereit, den Spuren des Ötzi zu folgen. Vom Bodensee aus werden sie die Alpen überqueren. Über uralte Transitwege und steinzeitliche Jägerlager wollen sie bis zum Similaun, wo der Ötzi lag. Zu Fuß und in der gleichen Ausrüstung, die der Mann aus dem Eis trug. Aber ist das machbar? In Steinzeitkleidern über schneebedeckte Dreitausender?
Nachts müssen sie sich einen Unterschlupf aus Zweigen bauen oder unter Felsvorsprüngen schlafen. Sie müssen lernen, Kälte und Nässe zu ertragen. Zu essen gibt es nur, was sie am Wegrand finden und kärgliche Fleischkrumen aus dem Vorratsbeutel. Der Weg führt sie über steile Gipfel und durch rauschende Flüsse, bis sie schließlich am Fundort des Ötzi ankommen. Von hier aus geht es weiter nach Süden, bis nach Bozen. Vielleicht können die Wanderer hier Feuerstein gegen neue Nahrung tauschen?

Zurück in die Steinzeit SWR

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