Zahlen und Rechnen – damit stehen doch so manche Menschen auf dem Kriegsfuß. In Zusammenhang dazu fällt häufiger der Begriff "Dyskalkulie", eine diagnostizierte Rechenschwäche. Die Betroffenen können nur schlecht Kopfrechnen und haben Schwierigkeiten beim Abschätzen von Mengen.
"Wenn man die Diagnose Dyskalkulie stellt, macht man es sich leicht"
Professor Sebastian Wartha leitet an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe das Institut für Mathematik. Er findet die Verwendung des Begriffs "Dyskalkulie" problematisch.
Der Matheprofessor kritisiert, dass durch die Diagnose Dyskalkulie, ohne böse Absichten, Lehrende das Zuständigkeitsgefühl verlieren. Laut Wartha, fühlen sich das Lehrpersonal und das ganze Schulsystem zuständig, solange Kinder Schwierigkeiten beim Rechnen haben. Sobald jedoch der Begriff Dyskalkulie zu hören sei, klingt es pathologisch und das Zuständigkeitsgefühl wechselt eher zu Therapeut:innen, Psycholog:innen und Ärzt:innen.
Trotzdem ist es wichtig anzuerkennen, dass solch eine Diagnose den Betroffenen und auch deren Eltern eine Erklärung liefern kann, warum sich das Kind schwertut. "Aber anders als bei anderen Erkrankungen gibt es keine wirksame Pille dagegen. Und daher sei gerade der Umgang mit der Diagnose wichtig," so der Professor.
Auf die Diagnose muss spielerische, aber intensive Förderung folgen
Die wirksamste Therapie gegen eine Rechenschwäche ist eine intensivere Zusammenarbeit beim Lernen. Die Pädagog:innen können schauen was die Kinder bereits schaffen, dann darauf eingehen und überlegen, wie sie die Kinder beim Lernen unterstützen können. Der Mathematikprofessor betont, dass es ein gemeinsamer Prozess ist, der die Kinder auch von Druck befreien soll:
Individuelle Förderung ist in Schulen auch Frage der Kapazität
Im Prinzip zeige die Diagnose laut Wartha auch Schwachstellen in der Grundschulpädagogik auf. Als Pädagog:in solle man grundsätzlich allen helfen, etwas zu lernen, das ist mitunter sehr anstrengend, und oftmals keine rein pädagogische, sondern eher eine organisatorische Frage: Sind die Schulen nicht nur inhaltlich in der Lage den Kindern zu helfen, sondern haben sie auch die Kapazitäten sie pädagogisch zu unterstützen?
Der Mathematikprofessor hat in seinen Kursen die Erfahrung gemacht, dass mit allen Menschen Mathematik betrieben werden kann. Das kann zugegebenermaßen manchmal auch etwas länger dauern und braucht dann auch eine intensivere Zusammenarbeit. Er möchte jedoch niemanden aufgeben und setzt sich dafür ein, dass Kapazitäten für speziellere und intensivere Förderungen geschaffen werden.