Rauchopfer Holger Gelhausen und seine Überwachungstechnik
Feuer begleitet uns seit Urzeiten, wärmen uns und bringen Sicherheit. Und Heizen mit Holz gilt als nachhaltig. Aber diese jahrtausendealte Beziehung zwischen Mensch und Feuer bekommt Risse. Plötzlich gelten Kaminöfen als Dreckschleudern, sollen sogar klimaschädlich sein. Einer, der das genauso sieht, ist Holger Gelhausen. Er und seine Familie fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt, leiden unter dem Qualm des Nachbarn.
„Wir haben oft Halsschmerzen und Husten, wenn der bissige Qualm bei uns ins Haus zieht,“ sagt der Marketingberater, „das sind krebserregende Giftschleudern“. Holger Gelhausen filmt seine Umgebung, hat viele Stunden Material gesammelt, eine Filmothek qualmender Schornsteine. Er betreibt diesen Aufwand, um solide Daten zu haben, die er später eventuell vor Gericht verwenden kann, um gegen die Dauerbequalmung seines Nachbarn vorzugehen. Ein zunächst befremdliches Verhalten, aber vielleicht ist seine Einschätzung der Gefahr gar nicht so falsch.
Umweltmedizinerin kritisiert die hohe Feinstaubbelastung durch Kaminöfen
Prof. Barbara Hoffmann von der Uniklinik Düsseldorf bestätigt das. „Kaminöfen sind gesundheitsschädigend, für mich selbst, wenn ich davorsitze, und für meine Nachbarn, die das einatmen müssen“, sagt sie. Bei der Holzverbrennung entstehen Ruß, gesundheitsschädliche Feinstäube und Gase wie Stickoxide und Schwefeloxide. Und es gibt krebserregende Substanzen, die sich zum Teil an die Partikel anlagern. Der ganz feine Feinstaub, ein Mikrometer und noch kleiner, geht bis in die Lungenbläschen und kann dort Entzündungsvorgänge verursachen. Entzündungen, die sich im gesamten Körper ausbreiten.
Im Herz kann es Herzinfarkten kommen, im Gehirn zu Schlaganfällen und zu vorzeitiger Demenz-Entwicklung. „Das setzt sich natürlich direkt um in eine reduzierte Lebensdauer,“ sagt die Medizinerin. Man hat ausgerechnet, dass die Konzentrationen von Feinstaub in Europa die Lebenszeit im Schnitt um neun Monate verkürzt. Bisher gibt es aber nur wenig Daten über die tatsächliche Belastung mit Rauch aus Kaminöfen.
Gas-Partikel-Fachmann Achim Dittler
Der Gas-Partikel-Experte Prof. Achim Dittler vom Karlsruher Institut für Technologie betreibt in seinem Wohngebiet Stutensee eine Messstation und vergleicht die Daten mit der Luftbelastung am Stuttgart Neckartor. Brennen in Stutensee die Kaminöfen, ist die Luft hier stärker mit Feinstaub belastet als an „Deutschlands dreckigster Straße“. Er kritisiert die falsche Messstrategie der Politik. In Wohngebieten gilt der Jahresdurchschnittswert als Referenz. Demnach wäre alles „im grünen Bereich“.
Aber in der Heizsaison, abends, am Wochenende, steigen die Werte so hoch, dass Anwohner Symptome einer Rauchgasvergiftung zeigen. Geht er mit seinen Messdaten zur Politik, kommt er nicht weiter. „Das Problem wird zunächst mit Empathie zur Kenntnis genommen, dann aber verantwortungslos und verharmlosend abgetan. Abgetan aufgrund von zahlreichen Regulierungslücken, die wir haben“, sagt Achim Dittler. Er zieht daraus die Konsequenz und will wegziehen.
Umweltbundesamt und Ofenbranche im Clinch
Was tut die Politik gegen das Problem? Dr. Marcel Langner von der zuständigen Fachbehörde im Umweltbundesamt ist sich des Problems bewusst. „Ein wichtiger Schritt wäre die Aufklärung und der Appell an alle, möglichst auf das Heizen mit Holz zu verzichten,“ sagt Langner. Mittel- bis langfristig müsse man natürlich auch technische Lösungen schaffen. Man müsse die Heizsysteme umstellen und die Förderung aus Bundesmitteln so gestalten, dass Holzheizungen vom Prinzip her nicht mehr auftauchen.
Ganz auf Verbrennen von Holz zur Wärmeenergiegewinnung verzichten? Dr. Johannes Gerstner, Sprecher der Europäischen Feuerstätten AG, sieht das Heizen mit Holz als wichtigen ökologischen Bestandteil bei der Energiewende. „Wir müssen alles nutzen, was uns hilft, die Klimaerwärmung zu verzögern“, sagt er. Dazu trüge Biomasse maßgeblich bei. Und es gäbe viele verschiedene Wege, den Feinstaub zu reduzieren. Die Branche sei dran, diese Dinge umzusetzen.
Ofenbaumeister
Aber welche technischen Möglichkeiten gibt es? Ofenbaumeister Hendrik Schütze hat sich emissionsarme Öfen auf die Fahnen geschrieben. Einer seiner Öfen trägt das Umweltsiegel „Blauer Engel“, das ihn als besonders emissionsarm und umweltfreundlich deklariert. Um das Siegel des Umweltbundesamtes zu bekommen, müssen die Öfen besonders geringe Abgaswerte einhalten, auch in der Anfeuerungsphase. Hier liegt ein großes Potential beim Nutzer, der in die Lage sein muss, seinen Ofen sinnvoll und effizient einzusetzen. 50 Prozent der Emissionen könnten eingespart werden, wenn der Ofenbenutzer bei der Wahl des Holzes, beim Anfeuern und beim weiteren Betreiben des Ofens alles richtig macht. Lernen kann er das in online-Kursen bei der Ofenakademie.
Linktipps:
Blauer Engel – das Umweltzeichen
Warum ist Feinstaub schädlich für den Menschen?