Der 62 Jahre alte Manfred Genditzki saß 13 Jahre unschuldig in Haft. Er kam bereits im vergangenen Herbst frei, nachdem ein Gutachter der Universität Stuttgart durch die Analyse biomechanischer Prozesse und thermodynamischer Prozesse nachgewiesen hatte, dass die Verletzungen, die das angebliche Mordopfer hatte, nicht durch Anwendung von Gewalt, sondern beim Sturz in die Wanne entstanden waren.
Professor Syn Schmitt leitet das Institut für Modellierung und Simulation Biomechanischer Systeme an der Uni Stuttgart.
Großer Erfolg für Wissenschaft
Schmitt sieht es als großen Erfolg für ihre wissenschaftliche Forschung, da es das erste Mal war, dass ein biomechanisches Simulationsverfahren als Beweismethode vor Gericht anerkannt wurde.
Forschung beschäftigt sich mit menschlichen Bewegungen
Professor Schmitts Grundlagenforschung beschäftigt sich damit, wie Menschen Bewegung lernen, was beispielsweise beim Stolpern passiert. Praktische Anwendungen waren bisher eher auf die Autoindustrie beschränkt:
Also: wie fällt ein Mensch einer bestimmten Größe aus einer bestimmten Haltung über eine Motorhaube und wo schlägt er mit dem Kopf auf? Da ist der Schritt zum Sturz in die Badewanne nicht weit.
Simulationsergebnisse können Unschuld von vermeintlichem Täter beweisen
Professor Schmitts Simulationen zeigen, dass man bei einer Gleichgewichtsstörung, wenn man weit genug von der Badewanne entfernt steht, natürlich nicht unbedingt in die Wanne fallen muss. Näher an der Wanne und bei bestimmten Handgriffen ist die Gefährdungslage aber dramatisch anders:
Unweigerlich, das heißt sogar unabhängig von sogenannten Rettungsbewegungen – wie zum Beispiel Rudern mit den Armen, so Schmitt. Man fällt sozusagen trotzdem rein, also aktiv im Fallen kann man sich nicht retten.
Der Sturz erfolgt nach den Regeln der Physik
Entscheidend für die Simulation ist die Ausgangsposition, sagt Syn Schmitt, in diesem Fall lag die Tote in der Wanne leicht seitlich auf dem Bauch, das linke Bein hing über den Rand.
Schmitt kann sogar zeigen, wo sich die Tote beim Sturz in die Wanne wahrscheinlich den Kopf angeschlagen hat. Und er hat nicht nur mit Computer-Modellen geforscht, sondern auch Versuche mit echten Menschen gemacht, unter anderem mit einer 100 Jahre alten Dame, die sich über eine Badewanne nach vorne gebeugt und gezeigt hat, wie sie sich verhalten hätte. Genaue Prozentzahlen für die Zuverlässigkeit seiner Berechnungen hat er keine – noch keine - aber er sagt:
Syn Schmitt hofft nun, dass seine biomechanischen Simulationsverfahren als Gutachten häufiger zum Einsatz kommen – natürlich immer dann, wenn es um Bewegung geht.