Der Fund ihres über 7.000 Jahre alten Grabes ist für die Archäologie ein absoluter Glücksfall. Denn die Frau lebte in der Jungsteinzeit. In der Zeit als die Menschen von der nomadischen zur sesshaften Lebensweise wechselten. Damals änderte sich das Leben der Menschheit gravierend, weshalb diese Zeit auch als "neolithische Revolution" bezeichnet wird. In der Jungsteinzeit wurden aus Jägern und Sammlern sesshafte Bauern. Die „Perlenfrau von Ammerbuch" ist eine der ersten Bäuerinnen nördlich der Alpen.
Die erste Bäuerin
Die Archäologen bargen das Skelett der Perlenfrau bei Ammerbuch, in der Nähe von Tübingen. Die Datierung der Knochen zeigt: Die Frau starb im 53. Jahrhundert vor Christus. Durch eine detaillierte Untersuchung der Knochen und Zähne konnten die Forscher Rückschlüsse auf das Leben und den Alltag der 30 bis 40 Jahre alten Frau ziehen:
Auf die Spur dieser Frühsiedlung in Süddeutschland kamen die Forscher, als sie die Gegend mit Geomagnetik untersuchten. Die Messungen zeigten Strukturen im Untergrund: Ein Grabensystem, das die steinzeitliche Siedlung sicherte. Im Heimatdorf der Perlenfrau hat es gebrannt. Die Archäologen fanden Schutt abgebrannter Häuser und verkohlte Getreidekörner.
Perlenschmuck aus der Jungsteinzeit
Die Perlenfrau von Ammerbuch war eine dieser ersten Bäuerinnen und starb im Alter von 30 bis 40 Jahren. Sie wurde in typischer Seitenlage mit angezogenen Beinen bestattet. Was den Fund aber so einzigartig macht, ist ihr Perlenschmuck: In ihrem Grab lagen 16 fein gearbeitete Perlen aus Kalkstein. Die Tote trug sie wohl, aufgereiht an einer Lederschnur, als Kette um den Hals. Für die Archäologen ein absoluter Glücksfall, denn Ketten dieser Art kennen sie bislang nur aus dem Balkanraum oder dem Karpatenbecken im heutigen Ungarn.
Genetische Analysen deuten darauf hin, dass die ersten Bauern aus dem Südosten nach Mitteleuropa kamen, zusammen mit ihren Haustieren und Kulturpflanzen. Die „Perlenfrau von Ammerbuch“ ermöglicht den Archäologen nun neue Einblicke in diese große Wanderung. Die Einwanderer brachten dabei nicht nur eine völlig neue Lebensform mit sich, sondern hatten wohl auch noch kulturelle Beziehungen mit ihrer alten Heimat.
Kunstvoll gearbeiteter Schmuck
Die bislang einzigarten Kalkstein-Perlen wurden sorgfältig bearbeitet, wirken wie Marmor und zeigen die hohe Kunstfertigkeit der Menschen in der Jungsteinzeit.
Für die Frau, die vor 7300 Jahren in einer kleinen Siedlung im heutigen Süddeutschland starb, waren sie zu Lebzeiten wohl ihr größter Schatz. Das sie mit ihren Perlen begraben wurde, erzählt auch viel über diese Dorfgemeinschaft, über Zusammenhalt und Mitgefühl. Die mit ihrer Perlen-Kette begrabene Frau von Ammerbuch war Teil einer solchen Gemeinschaft, eine der ersten Bäuerinnen Mitteleuropas, in einer der spannendsten Epochen der Menschheitsgeschichte. Die Menschen der Jungsteinzeit gründen die ersten Dörfer, bilden eng verbundene, soziale Einheiten und beginnen als erste, sich die Welt nach ihrem Bild zu formen.