Klimawandel

Die AfD sagt: Mehr CO2 fördert das Pflanzenwachstum. Stimmt das?

Stand
Autor/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Zusätzliches CO2 hat "Düngeeffekt"

Diese These wird von Klimawandel-Skeptikern immer wieder bemüht. Sie findet sich auch im Parteiprogramm der AfD. Dort steht: Der Weltklimarat und die deutsche Regierung "unterschlagen die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus".

Das klingt auf den ersten Blick plausibel: Pflanzen betreiben Photosynthese, sie verwandeln mithilfe von Sonnenlicht CO2 und Wasser zu Biomasse. Man kann also sagen: CO2 ist die "Hauptnahrung" von Pflanzen – je mehr CO2 in der Luft, desto besser müssten sie also wachsen. Im Labor stimmt das auch, und dieser Effekt wird sogar genutzt. In Gewächshäusern reichert man manchmal die Luft mit CO2 an, sodass die Tomaten besser wachsen. Zusätzliches CO2 hat insofern tatsächlich einen "Düngeeffekt".

Es gibt auch eine vielbeachtete Studie, die 2016 zum Ergebnis kam: Der Globus ist insgesamt grüner geworden – die grünen Flächen haben weltweit zugenommen, und die Ursachen dafür liegen zu etwa zwei Dritteln in der erhöhten CO2-Konzentration der Atmosphäre. Auch das klingt wie ein Beweis für die "Dünge-Theorie". Doch die Natur ist etwas komplizierter.

"Düngeeffekt" im Freiland schwächer als im Labor

Der CO2-Düngeeffekt wurde wissenschaftlich recht intensiv erforscht. Die wichtigsten Ergebnisse sind: Im Freiland ist er schon sehr viel schwächer als im Labor. Und es kommt sehr auf die Pflanze an. Bestimmte Pflanzen wie Mais oder Hirse können das zusätzliche CO2 gar nicht verarbeiten. Sie wachsen kein bisschen schneller. Andere Pflanzen wie Soja oder Weizen sehr wohl . Aber – auch das wurde gezeigt – das geht dann zulasten der Qualität, der schneller wachsende Weizen enthält weniger Eiweiß. Ernährungsphysiologisch ist das schlecht. Insofern hat mehr CO2, anders als die AfD schreibt, nicht unbedingt eine "positive Wirkung auf die Welternährung".

Kontraproduktiv im Regenwald: Lianen verdrängen Bäume

Aber es geht noch weiter: In tropischen Wäldern hat man festgestellt, dass bei einer erhöhten CO2-Konzentration Lianen schneller wachsen und dann andere Pflanzen verdrängen – Bäume zum Beispiel. Bäume sind aber wichtige Kohlenstoffspeicher. Und das zeigt schon, wie schwierig es ist, einfach zu sagen "Die grünen Flächen nehmen zu". Wenn im Regenwald die Bilanz ist: Mehr Lianen, weniger Bäume, dann ist das kontraproduktiv, denn – obwohl ein lianenreicher Wald mehr grüne Blätter haben mag, speichert er dann trotzdem weniger Kohlenstoff.

Erhöhter Umsatz, aber stagnierender Gewinn

Bei Bäumen hat man aber noch etwas ganz anderes beobachtet. Es gab Experimente, etwa in der Schweiz, da hat man natürliche Wälder einer erhöhten CO2 -Konzentration ausgesetzt, indem man durch die Kronen perforierte Schläuche gelegt hat, durch die CO2 austritt. Und das über Jahre. Das Ergebnis war: Der Stoffwechsel der Bäume hat sich zwar beschleunigt, sie sind aber trotzdem nicht schneller gewachsen. Die Erklärung war: Die Bäume haben zwar mehr Photosynthese betrieben, konnten also aus dem zusätzlichen CO2 mehr Zucker und Stärke bauen. Aber daraus wurde keine Pflanzenmasse, sondern die Stärke landete im Boden und wurde dort wieder von Mikroorganismen abgebaut. Anders gesagt: Wäre der Wald ein Unternehmen, könnte man sagen: Der Umsatz hat sich durch das zusätzliche CO2 zwar erhöht, der Gewinn dagegen stagnierte.

Pflanzen leben nicht von CO2 allein

Und man darf eins nicht vergessen: Keine Pflanze lebt nur von CO2 alleine. Sie kann es nur dann verarbeiten, wenn auch andere Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff ausreichend vorhanden sind. Das ist aber oft nicht der Fall. Der Klimawandel führt in vielen Regionen auch zu verstärkter Trockenheit, und ohne Wasser nützt das zusätzliche CO2 den Pflanzen gar nichts. Im Gegenteil, sie geraten durch den Wassermangel noch eher in Stress.

Fazit

Ja, es gibt einen Düngeeffekt durch CO2. Der ist aber kleiner als gedacht und führt insgesamt eher zu einer veränderten Vegetationszusammensetzung. Und was die Welternährung betrifft: Hier werden die möglichen Wachstums-"Gewinne" durch das zusätzliche CO2 durch die anderen Folgen des Klimawandels – unberechenbarere Wetterlagen, mehr Stürme, in vielen Regionen mehr Trockenheit usw. – mehr als zunichte gemacht.

Umwelt Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre liegt bei 0,04 Prozent. Wie kann eine so geringe Menge das Klima erwärmen?

CO2 verhindert, dass Wärmestrahlen die Erde Richtung Weltraum verlassen. Dadurch erwärmt sich das Klima, obwohl der CO2-Gehalt in der Atmosphäre mit 0,04 Prozent scheinbar gering ist. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

CO2-Emission Was ist klimaschädlicher: Fleisch oder Milchprodukte?

Milch hat in gesundheitsorientierten Betrachtungen einen recht guten Stellenwert. Aus CO2-Sicht hingegen stammen Milchprodukte vor allem aus der Rinderhaltung. Die Rinderhaltung hängt aber sehr stark mit Methanemissionen zusammen und hat deswegen einen sehr negativen Effekt auf das Klima. Von Michael Bilharz | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

SWR2 Impuls SWR2

Derzeit gefragt

Zeit und Raum Woher weiß man, ob ein Stern, den wir nachts sehen, noch existiert?

Sterne hören auf zu leuchten, wenn sie nicht mehr existieren. Der Stern Beteigeuze ist ein interessantes Beispiel. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Körper Wie lange braucht ein Lichtsignal vom Objekt ins Gehirn?

Bis wir ein Objekt erkennen, brauchen wir etwa 150 Millisekunden. Die meiste Zeit davon verbringt das Signal "in unserem Kopf". Warum ist das so? Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Architektur Dom, Münster, Kathedrale, Basilika – Was sind die Unterschiede?

Ein Dom ist ein großes, historisch bedeutsames Kirchenhaus. Ebenso die Kathedrale, aber Kathedralen sind außerdem Bischofssitz. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Zeitgeschichte Gab es Zusagen an Moskau, die NATO nicht nach Osten zu erweitern?

Wurde in den Verhandlungen 1990 eine entsprechende Zusage getroffen? Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Identität Wie viele Geschlechter gibt es – und was folgt daraus?

Alles hängt davon ab, wie man Geschlecht definiert. | Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Astronomie Wie lautet der Merkspruch für die Reihenfolge der Planeten?

Früher hieß er "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten." Seit Pluto weggefallen ist kann man sagen: "Mein Vater erklärt mir jeden Samstag unseren Nachthimmel." Von Tilman Spohn

Gesundheit Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?

Das Rauchen hat viele Auswirkungen auf den Körper. Manche verschwinden, wenn man aufhört, schneller, andere brauchen länger. Recht schnell verschwinden die unmittelbaren Symptome, also der Raucherhusten und die Kurzatmigkeit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.