Entwicklungsbiologisch gesehen ist es praktisch, wenn Jungs sich im Mutterleib erst mal genauso entwickeln wie die Mädchen. Die Brustwarze entwickelt sich beim Embryo ja schon ganz früh, noch bevor sich die Geschlechtsorgane entwickeln. Der Embryo hat also eine Brust, bevor er äußerlich zum Jungen oder Mädchen wird.
In den ersten 8 bis 10 Wochen der Schwangerschaft sehen männliche und weibliche Embryos also genau gleich aus, es gibt noch keine Penisse und keine weiblichen Geschlechtsorgane. Beide haben auch schon die Anlage für Brustwarzen, genauso wie beide schon die Anlagen haben, aus denen sich später Penis oder Klitoris bzw. Hodensack oder Schamlippen entwickeln. Aber die sehen noch gleich aus.
Dass sich die einen dann zu männlichen, die anderen zu weiblichen Föten entwickeln, passiert erst unter dem Einfluss von Testosteron. Da bekommt der männliche Embryo den Penis, und bei den Embryonen, die kein Testosteron freisetzen – also den Mädchen – entwickeln sich Klitoris und Schamlippen. Die Brust verändert sich durch das Testosteron in diesem Stadium aber noch nicht. Deshalb kommen also auch Jungen mit Brustwarzen zur Welt. Und die bildet sich auch nicht zurück.
Natur spart Kraft und Zeit durch Embryo-Brüste nach Schema F
Die Antwort klingt vielleicht noch nicht ganz befriedigend. Denn auch wenn männliche und weibliche Embryonen in den ersten Wochen gleich aussehen, ist das Geschlecht ja trotzdem schon genetisch bestimmt: Die werdenden Jungs haben ein Y-Chromosom, die Mädchen nicht. Insofern könnte man fragen: Warum hat die Evolution das dann nicht so eingerichtet, dass die männlichen Embryonen von Anfang an keine Brustwarzen haben? Hier sind die Brustwarzen wieder mal ein klassisches Beispiel dafür, dass man nicht bei allem, was die Evolution hervorgebracht hat, einen echten Sinn oder Überlebensvorteil suchen muss. In der Evolution bewährt sich oft einfach das, was Zeit und Kräfte spart.
Beim Heranreifen eines Organismus geht es auch um so etwas wie organisatorischen Aufwand. Es wäre aufwändig, männliche und weibliche Embryos so zu schaffen, dass sie von Anfang an verschieden sind. Viel einfacher ist es, wenn sie, solange es geht, gleich sind. Wenn die Gene also bei allen Embryos in den ersten Wochen alle das gleiche Programm abspulen können und die Geschlechtertrennung erst später vornehmen, wenn es unbedingt erforderlich ist. Das setzt aber voraus, dass alle Embryos all die Anlagen mitbringen, die sie später brauchen – je nachdem, ob sie zum Jungen oder Mädchen werden.
Deshalb haben alle Embryos Strukturen, aus denen sich unter dem Einfluss von Hormonen entweder Penis oder eben Klitoris entwickelt. Und genauso haben sie an der Brust Zellen, aus denen sich Brustwarzen und später bei der Frau Milchdrüsen entwickeln – und beim Mann eben nicht.
Im Ergebnis ist es so: Wir Männer haben die Brustwarzen nicht, weil sie zu irgendetwas gut wären. Sondern wir schleifen sie sozusagen mit, weil sie auch nicht weiter stören.
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