Marktcheck checkt Amazon

Überzeugt der Online-Gigant bei Qualität und Arbeitsbedingungen?

Stand
Autor/in
Julian Gräfe
Jörg Hommer
Onlinefassung
Margareta Holzreiter

Amazon lockt seine Kundschaft mit einer umfangreichen Produktpalette, bequemem Einkauf sowie leichtem Umtausch. Doch wie gut sind Qualität und Preise der Produkte? Und wie steht es um Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen? 

Amazon ist Deutschlands größter Online-Händler. Kaufen kann man dort fast alles. Rund 15 Millionen Mal wird die Website amazon.de am Tag aufgerufen. Warum kaufen die Kunden gerade hier? Ist der Konzern besser als die Konkurrenz? Wir checken Amazon unter diesen Aspekten:

Check 1: Der Preis

Mit dem Werbespruch „Das ist ein niedriger Preis!“ stellt Amazon sich aktiv als besonders günstig dar. Stimmt das? Tobias Schlögel arbeitet bei einem Unternehmen, das für Online-Händler die Preise der Konkurrenz beobachtet. Für unseren Check hat er über fünf Wochen hinweg die Preise von über 800 Amazon-Topsellern mit den Preisen auf anderen Plattformen verglichen. Ziemlich aufwändig, denn die Preise bei Amazon können sich an nur einem Tag schon über 20-mal verändern.

Fließband mit Amazon-Paketen.
Während diese Artikel gerade das Lager verlassen, könnte sich ihr Preis online schon wieder verändert haben.

Der Mythos, dass Amazon den günstigsten Preis bietet, konnte in der Analyse von Tobias Schlögel nicht bestätigt werden: Amazon war in nur 30 Prozent der Fälle am günstigsten. Die großen Hauptkonkurrenten Otto, Ebay und Zalando schneiden zwar deutlich schlechter ab, sie bieten fast nie den besten Preis. Die günstigsten Preise aber finden Verbraucher für zwei Drittel der gecheckten Produkte bei kleinen Online-Händlern.

Tipp: Die besten Schnäppchen der kleinen Händler konnten wir mithilfe von großen Online-Vergleichsportale finden.

Check 2: Lieferzeit

Aber lohnt es sich vielleicht trotzdem, zum teureren Amazon-Produkt zu greifen, weil die Lieferung schneller ist? Um das zu checken, bestellen wir ähnliche Artikel bei Amazon – ohne Prime, Amazon mit Prime, Kaufland und Otto.

Mit dem Klingeln der Paketlieferdienste zeigt sich: Amazon Prime liefert zwar schnell, kann die großen Konkurrenten aber nicht unbedingt abhängen. Denn bei fünf von sechs Bestellungen erreichen uns etwa zeitgleich mit der Prime-Lieferung auch Pakete der Konkurrenz.

Check 3: Qualität der Eigenmarke

Amazon verschickt mittlerweile nicht nur die Waren kleinerer Online-Händler, sondern verkauft auch eigene Produkte für den täglichen Gebrauch unter der Eigenmarke „Amazon Basics“. Die Artikel sind sehr günstig, aber wie gut ist deren Qualität?

Wir machen den ersten Check mit Staubsaugern. Auf Hartboden und Teppichboden vergleicht der Verband der Elektroingenieure für uns drei verschiedene Geräte:

  • Amazon Basics, ca. 56 €
  • Hoover Brave, ca. 63 €
  • Bosch Silence, ca. 200 €
Staubsauger von Amazon, Hoover und Bosch nebeneinander.
Drei Staubsaugermarken wurden bei unserem Test verglichen, von links: Hoover, Amazon Basics und Bosch.

Alle Geräte sind Beutelstaubsauger mit einer Leistung von 700 Watt. Die erfreuliche Nachricht zuerst: Auf Hartboden schaffen es alle drei Staubsauger, mehr Staub aus den Ritzen zu saugen, als die Norm vorschreibt. Auf Teppich dagegen hebt sich der Bosch-Staubsauger deutlich ab, der Hoover liegt auf dem zweiten Platz und der Amazon-Sauger erbringt die schwächste Saugleistung. Amazon möchte dieses Testergebnis nicht kommentieren.

Auch in der alltäglichen Nutzung im Haushalt können Amazon und Hoover nicht mit Bosch mithalten: Unserer Testfamilie sind die Kabel zu kurz, der Amazon-Sauger steht zu instabil, kippt bei der Nutzung um.

Kann die Bratpfanne von Amazon Basics im Wert von etwa 23 Euro mehr überzeugen? Während die Testfamilie beim Pfannkuchen backen sehr zufrieden ist, zeigt sich im Labor der Versuchs- und Prüfanstalt in Remscheid ein anderes Bild: Testleiterin Sabine Amme kann beim Erhitzen einer Puderzuckermasse feststellen, dass sich die Bratfläche der Pfanne nur sehr ungleich erhitzt.

Im Labor simuliert sie auch die Abnutzung der Beschichtung nach drei Nutzungsjahren. Die Pfanne zeigt anschließend leichte Beschädigungen der Beschichtung. Die Bewertung von Sabine Amme lautet daher nur: befriedigend.

Kopiert Amazon mit den Basics-Produkten andere Hersteller?

Dass Amazon sich bei der Entwicklung der Basics-Artikel auch mal von den Produkten anderer Händler auf ihrer Plattform inspirieren lässt, musste Peter Dehring aus San Francisco selbst erfahren. Unter der Marke Peak Design hat er seine Bestseller-Tasche „Everyday Sling“ über Amazon vertrieben. Im Herbst 2020 dann der Schock: Amazon bietet eine optisch fast identische Tasche an und nennt sie ebenfalls „Everyday Sling“.

Tasche "Everyday Sling", die von Amazon kopiert wurde.
So sieht die originale "Everyday Sling"-Tasche aus.

Klaut Amazon also die Ideen seiner Händler und verkauft dreist Plagiate? In den USA ist die Beobachtung, die Peter Dehring mit „Everyday Sling“ gemacht hat, zumindest kein Einzelfall und auch in Deutschland ist solch ein Szenario möglich.

Prof. Jürgen Kühling ist Chef der deutschen Monopolkommission und beobachtet den Online-Handel genau. Er hält solche Fälle für besonders fragwürdig:

"Wenn Amazon anfängt Produkte nachzuahmen, die andere erfolgreich auf seiner Plattform präsentieren, dann ist das schon besonders problematisch. Weil nur Amazon hat Zugriff auf all die Daten, wie die Produkte sich verkaufen, wie die Produkte funktionieren, wie man sie präsentieren kann. Und das heißt, dieses Nachahmen von Produkten durch Amazon ist was ganz anderes, als wenn irgendwelche Drittanbieter das tun.“

Und auch ohne Plagiate könnte Amazon seine Vormachtstellung ausnutzen: Die EU-Kommission in Brüssel prüft derzeit, ob der Konzern mit den Basics-Produkten seine Konkurrenten übervorteilt. Prof. Jürgen Kühling erklärt:

"Das Problem ist natürlich tatsächlich, dass Amazon dann in eine Doppelrolle gerät. Amazon ist dann einerseits Spielregelgeber auf seiner Plattform und andererseits einer der Spieler, der auf dieser Plattform spielt. Und das hat zumindest das Risiko, dass hier Diskriminierungsanreize geschaffen und möglicherweise auch genutzt werden.“

Insgesamt kann uns die Qualität der gecheckten Amazon Basics Produkte nicht ausreichend überzeugen. Dass Amazon die Daten seiner Konkurrenten illegal für die Linie Basics benutzt, ist nicht ausgeschlossen.

Check 4: Service

Wie überzeugend ist Amazons Kundenservice? Auch das wollen wir testen und bestellen Hängematten bei Amazon, Otto und Kaufland. Anschließend kontaktieren wir den Kundenservice und geben vor, dass die Naht am Stoff nicht ganz sauber ist, außerdem erfinden wir eine Hautallergie. Bei Amazon fragt man erst gar nicht viel nach, wir bekommen sofort ein Retouren-Etikett. Ebenso bei Otto. Bei Kaufland will der Händler Fotos vom Mangel sehen, retour geht das Paket deswegen erstmal nicht.

Zu dem Schluss, dass die Kundenzufriedenheit bei Amazon an erster Stelle steht, kommt auch eine wissenschaftliche Arbeit von Eva Stüber. Am Institut für Handelsforschung beobachtet sie Amazon schon seit Jahren und ist von der Kundenfreundlichkeit des Unternehmens überzeugt: "Was das Thema Liefergeschwindigkeit angeht, was das Thema Service angeht: Bei Amazon gibt es keine Probleme, wenn man mit den Mitarbeitenden in der Servicehotline telefoniert, sondern es wird nur in Lösungen gedacht. (…)“

Der Service von Amazon scheint also insgesamt schnell und kundenfreundlich.

Check 5: Nachhaltigkeit

Apropos Retouren-Sendungen: Amazon hat mit Amazon Warehouse mittlerweile zwar ein Outlet für Rücksendungen, steht aber weiterhin unter Verdacht, nicht nur viele Retouren, sondern immer wieder auch unverkaufte Neuware zu vernichten – alles andere als nachhaltig. Was wir herausgefunden haben, lest ihr hier:

Während über die Warenproduktion und -vernichtung wenig offengelegt wird, kümmert sich Amazon in puncto Nachhaltigkeit vor allem um eine umweltfreundlichere Warenauslieferung: Am Verteilzentrum Essen setzt Amazon bereits mehr als 100 Elektrofahrzeuge ein, die die Ware in der Region verteilen. Der Konzern verfolgt damit laut eigenen Angaben einen großen Plan: CO2-Neutralität bis 2040.

Amazon-Transporter mit Aufschrift zu E-Mobilität.
Auf ihren E-Lieferfahrzeugen wirbt Amazon, dass man CO2-neutrale Lieferungen zum Ziel habe.

Das Problem dabei ist, dass Amazon bei der Lieferung mit vielen Subunternehmen zusammenarbeitet, deren CO2-Bilanz allerdings nicht miteingerechnet wird. Dr. Björn Asdecker ist Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg. Aus seiner Sicht müsse man bezüglich der Nachhaltigkeit des Unternehmens berücksichtigen, dass Amazon ein Konzern sei, für den jede Entscheidung nicht in erster Linie nachhaltig, sondern primär wirtschaftlich lohnenswert sein müsse: „Man muss einfach sagen, dass wir bei Amazon mit einem Händler zu tun haben, der nicht von Nachhaltigkeits-Überlegungen geprägt ist, sondern von ökonomischen Überlegungen.“

Check 6: Fairness

Wie steht es um die Arbeitsbedingungen bei den Subunternehmen? Wie fair werden die dort angestellten Fahrerinnen und Fahrer behandelt? So richtig herausfinden können wir das zunächst leider nicht, denn als wir am Verteilzentrum Mannheim nach Gesprächspartnern suchen, möchten die meisten Angestellten dort nicht mit uns sprechen. Der Grund ist eine WhatsApp-Nachricht, in der rumänischsprachige Paketzusteller davor gewarnt werden, mit unserem Kamerateam zu sprechen.

Ein Lieferant hält ein Paket.
Dieser Lieferant arbeitet für einen Subunternehmer und möchte anonym bleiben.

Stattdessen sprechen wir mit Anetta Trufan. Sie arbeitet für Faire Mobilität Mannheim. Daher kennt sie die dringendsten Anliegen der überwiegend osteuropäischen Angestellten: Häufig ginge es um Probleme bei der Entlohnung und der Verrechnung von Arbeitsstunden.

Mit ihr treffen wir einen ehemaligen Fahrer eines Amazon-Subunternehmens. Er berichtet, dass man ihn für seinen Vollzeitjob inklusive Überstunden nur unzureichend bezahlt habe. Auf die Nachfrage, warum man seine Stunden nicht korrekt abrechne, habe er keine nachvollziehbare Erklärung erhalten. Außerdem enthielt sein Arbeitsvertrag eine ungewöhnliche Klausel: Bei einem Unfall hätte er den Schaden selbst bezahlen müssen.

Tricksen die Subunternehmen bei Verträgen mit ihren Mitarbeitenden? Und welche Verantwortung trägt Amazon? Man schreibt uns:

"Wir erwarten von unseren Partnern, dass sie ein erstklassiges Arbeitserlebnis für ihre Fahrer:innen bieten und wir überprüfen sie aktiv, um die Einhaltung sicherzustellen."

Es scheint allerdings, als gäbe es bei diesen Überprüfungen noch Luft nach oben.

Unser Amazon-Fazit

  • Beim Preis kann Amazon gegenüber den großen Konkurrenten punkten. Wer sich aber auf Vergleichsportalen umschaut, der findet für etwa zwei Drittel der Produkte günstigere Preise bei kleinen Händlern.
  • Die Qualität der von uns getesteten Amazon Basics Produkte hat nicht überzeugt. Sowohl im Praxis - als auch im Labortest.
  • Beim Service ist Amazon kundenfreundlich und schnell, bei der Liefergeschwindigkeit können andere große Anbieter jedoch fast immer mithalten. Wenn man kein Amazon Prime nutzt, dann sind andere Online-Shops teilweise sogar schneller.
  • In Sachen Nachhaltigkeit ist Amazon bemüht, führt Elektrofahrzeuge ein und bietet Retourenware online an, dennoch werden immer noch Waren vernichtet und Subunternehmer werden in puncto Nachhaltigkeit nicht berücksichtigt.
  • Auch die Kontrolle der einzelnen Subunternehmer, die die Paketzustellung für Amazon übernehmen, lässt teilweise noch zu wünschen übrig.
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Autor/in
Julian Gräfe
Jörg Hommer
Onlinefassung
Margareta Holzreiter