Simone Friedrich (Name geändert) ist leidenschaftliche Second-Hand-Shopperin. Früher war sie oft und gerne auf Online-Plattformen unterwegs – bequem von Zuhause im Netz einkaufen. Neben ihr geht es Millionen Nutzern dieser Plattformen vor allem um die Nachhaltigkeit, aber auch um die günstigen Preise. Genau das ist auch das Versprechen der Second-Hand-Branche. Und sie wächst stetig.
Das gigantische Geschäft mit der Nachhaltigkeit
Es locken nicht nur mehr und mehr Second-Hand-Shops, sondern auch viele Online-Marktplätze. Fast 16 Milliarden Euro Umsatz wurde im vergangenen Jahr mit Second-Hand-Ware erzielt. Über eine halbe Milliarde davon entfällt auf Vinted, eine der größten Plattformen für gebrauchte Mode.
Das Unternehmen, das 2008 im litauischen Vilnius gegründet wurde, ist rasant gewachsen und möchte auch künftig weiter expandieren. Nun hat eine Gruppe von Finanzinvestoren Anteile an der Secondhand-Plattform Vinted in Höhe von 340 Millionen Euro gekauft.
Schwierigkeiten beim Verkauf auf Vinted?
Simone Friedrich* war viele Jahre Kundin bei Vinted. Dort können Privatleute gebrauchte Artikel kaufen und verkaufen. Das Unternehmen verdient an den Provisionen für die Nutzung seiner Plattform. Das läuft jedoch nicht immer reibungslos.
Betrugsfälle und schlechter Kundenservice
Wenn man sich Rezensionen auf verschiedenen Bewertungsplattformen wie etwa Trustpilot anschaut, ist von rund 3.800 Vinted-Bewertungen jede zweite ein „mangelhaft“. Nutzer beklagen nicht nur den schlechten Kundenservice, sondern auch die Häufung an Betrugsfällen auf dem Online-Marktplatz und die Untätigkeit des Unternehmens, dagegen vorzugehen.
Vinted schließt eigenes Forum
Auch Simone Friedrich hat das im Vinted-Forum beobachtet. Der Kundenservice sei bei Betrugsfällen selten erreichbar gewesen und habe oft nur automatisierte Antworten geliefert. Sie warnte daher im Forum und informierte Nutzer regelmäßig darüber, wie man sich vor Betrugsmaschen schützen kann und welche Profile wenig vertrauenswürdig erscheinen. Rund 30 bis 40 Warnungen von Nutzern gingen dort pro Tag ein.
Simone Friedrich hoffte, dass Vinted die Betrugsmeldungen aus dem Forum irgendwann zur Kenntnis nimmt. Stattdessen machte das Unternehmen sein eigenes Online-Forum dicht. Offizielle Begründung: Es sei nicht mehr nur über Mode gesprochen worden und die Atmosphäre hätte darunter gelitten. Mit dem Vinted-Forum verschwand Anfang 2024 eine der wichtigsten Anlaufstellen für Betrugsopfer.
Designer-Produkte oder billige Fälschungen?
Das Unternehmen Globaleyez aus Köln ist spezialisiert auf die Überwachung von Online-Marktplätzen im Auftrag von großen Marken. Die Spezialisten dokumentieren unter anderem mit Testkäufen, ob es sich bei gehandelten Designer-Produkten um Originale oder billige Fälschungen handelt. Auch hier ist Vinted bereits bekannt.
Fashion Gucci, Louis, Prada: Second-Hand-Luxus ist im Hype
Immer mehr Menschen gehen in Second-Hand-Läden, um da Designer-Pieces zu kaufen. Woran liegt das?
Wie schütze ich mich vor Plagiaten und Betrugsmaschen?
Berit Dorau rät Käufern dazu, sich ein Profil ganz genau anzuschauen und auf die Hintergründe der Fotos der präsentierten Artikel zu achten.
„Bei mehreren unterschiedlichen Böden und Hintergründen sollte man stutzig werden und sich fragen, ob die Person in einem sehr großen Haus wohnt. Oder ist das vielleicht ein Fake-Profil, welches sich aus realen Angeboten einfach einen Kleiderschrank zusammengestellt hat?“, sagt Dorau.
Sicherheitsmaßnahmen gegen Fake-Profile
Laut Vinted „verfügt die Plattform über eine Vielzahl von Sicherheitsmaßnahmen, um Angebote und Konten zu identifizieren. Dafür gibt es verschiedene Gründe, wie etwa der Verdacht auf betrügerische Aktivitäten, mögliche Zweifel an der Authentizität eines Artikels.“
Markenartikel auf Echtheit geprüft?
Zudem verweist Vinted auf den im Herbst 2023 gegründeten Hamburger Verfication Hub. Dort werden Markenartikel von Experten auf Echtheit überprüft. Diesen Service bietet Vinted für Artikel ab einem Kaufpreis von 100 Euro an. Die zusätzlichen Gebühren dafür zahlt der Käufer.
Dass diese Sicherheitsmaßnahmen offensichtlich nicht ausreichen, zeigt die Praxis. Daher sind Prävention und Aufklärung gerade im Bereich des Online-Betrugs so wichtig. Doch wer ist dafür in Deutschland überhaupt zuständig?
Verunsicherung durch Plattformen-Steuertransparenzgesetz Was private Online-Verkäufer wissen sollten
Für kaum einen privaten Verkäufer hat das Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) für Online-Marktplätze Folgen. Trotzdem stellen die Betreiber eine große Verunsicherung fest.
Wo finde ich als Betrugsopfer Hilfe?
- Zunächst sollte man den Gang zur nächsten Polizeistation antreten oder bei einer der Online-Polizeiwachen Anzeige erstatten.
- Nach Eingang der Strafanzeige nimmt die zuständige Polizeidienststelle die Ermittlungen auf.
- Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen wird der Vorgang der Staatsanwaltschaft zur weiteren Sachentscheidung vorgelegt.
„Ermittlungen in diesem Deliktsbereich können mitunter komplex sein. Dies liegt zunächst an der teilweise schwierigen Spurensituation bei flüchtigen Internetspuren. Teilweise legen es die Täter auch auf ein verschleierndes Vorgehen an, etwa in dem sie Waren- oder Finanzagenten dazwischenschalten”, sagt Markus Hartmann, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW. Dass Betrüger erfolgreich ermittelt werden, ist also nicht gewiss.
Österreichische Informationsplattform hilft bei Internetbetrug
Da es keine zentrale Anlaufstelle in Deutschland gibt, müssen Betroffene nach Österreich ausweichen. Watchlist Internet, eine unabhängige Informationsplattform zum Thema Internetbetrug des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) mit Sitz in Wien, setzt auf Prävention und Warnmeldungen zu unterschiedlichen Online-Scams.
Im Ernstfall: Vorfälle melden
Die Verbraucherschützer von Watchlist Internet bieten via Online-Formular die Möglichkeit, aktuelle Betrugsfälle zu melden und damit andere zu warnen. Der Bedarf ist enorm.
Rund 1.000 Meldungen zu Online-Betrugsmaschen gehen monatlich ein. Etwa 260.000 Menschen pro Monat besuchten im letzten Jahr die Homepage von Watchlist Internet.
Louise Beltzung vom ÖIAT kann das bestätigen. „Wir erfahren über diese Meldungen recht schnell, wenn neue Trends aufkommen, weil dann zu einem bestimmten Betrugsfall viele Meldungen hereinkommen. Wir können dann Schwerpunkte setzen. Wir arbeiten mit Prävention, weil wir wissen: Am besten geholfen ist, wenn Personen nicht in die Falle tappen.“
Tipps für Second Hand Plattformen
Wer also regelmäßig auf Online-Marktplätzen auf der Suche nach gebrauchten Schnäppchen ist, sollte Vorsicht walten lassen, sich gut informieren und keine persönlichen Daten rausgeben.
Im Zweifelsfall ist der Kauf im nahegelegenen Second-Hand-Shop sicherer und meist sogar nachhaltiger.