Frau Sandhack, mit der grenzüberschreitenden Kooperation der vier Sender ZDF, ORF, SRF und ARD nimmt Kulturzeit eine besondere Stellung unter den deutschsprachigen Kulturformaten ein. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Nirgendwo in 3sat wird der Partnergedanke so konsequent gelebt wie in der Kulturzeit: Bei uns geht es darum, dass vier Sender aus drei Ländern zusammenarbeiten – in einer gemeinsamen Redaktion, die von einer ZDF-ARD-Doppelspitze geleitet wird. Jeder Sender stellt im Wochenwechsel einen Moderator bzw. eine Moderatorin, täglich wird für Absprachen nach Basel und Zürich geschaltet. Von der ARD ist im Übrigen der HR mit der Moderatorin Cécile Schortmann und mit zwei Redakteur*innen vertreten, die als CvD und als Autor*innen arbeiten. Vier Mitarbeiterinnen kommen wie ich vom SWR, die auch als CvD bzw. als Autor*innen eingesetzt werden. Sie alle arbeiten hier in der Mainzer Redaktion. Und täglich wird diskutiert, gestritten und entschieden, welche Beiträge produziert, welche Gäste eingeladen, welche Beiträge von den Kultursendungen – der ARD vor allen – übernommen werden. Unsere Partner aus Österreich und der Schweiz bringen jede Woche Filme und Themen ein.
Kolleginnen und Kollegen aus vier TV-Kulturen halten sich gegenseitig den Spiegel vor und ringen darum, den Tag nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Netz abzubilden. Und gerade das, was auf den ersten Blick schwierig erscheint, ist Bedingung für unseren Erfolg: für den gemeinsamen kreativen Geist von vier Sendern – die Zusammenführung dieser Programme macht erst unsere Qualität aus. Das ist in Zeiten wie diesen, in denen öffentlich-rechtliche Inhalte gerne auch einmal infrage gestellt werden, ein starkes Zeichen. Dass es das – und dass es uns – heute noch so gibt, zeigt auch die visionäre Kraft der damaligen Gründer.
Was macht Kulturzeit als Format einzigartig? Und wie hat sich die Sendung im Laufe der Jahre verändert?
Wir sind mit Kulturzeit in ein neues Zeitalter gestartet: Kultur zur Primetime – das war einst ein Wagnis und ist bis heute einzigartig geblieben. Kultur live zwischen den heute-Nachrichten und der Tagesschau. Und Kultur täglich von Montag bis Freitag. In der Verbindung von Feuilleton und Fernsehen, aktuell und international, liegt bis heute die besondere Qualität.
Wir verstehen uns als ein Magazin, das sich einmischt. Und die Frage, was Kultur ist, haben wir uns immer wieder gestellt. Sie betrifft unser Selbstverständnis: wie wir leben, wie wir miteinander umgehen wollen. Es gibt nicht viele Sendungen, die von sich behaupten können, sie seien unverwechselbar. Kulturzeit gehört dazu: Wir bilden die Dinge nicht bloß ab, sondern gehen tiefer – entdecken eher das Versteckte und die Details. Den Finger in die Wunde zu legen, das ist der Anspruch, dem wir uns täglich stellen.
Und wir spannen den Kulturbegriff weit, um aktuell zu informieren und Hintergründe zu liefern. Wir sind ein Forum für alles, was sich in Büchern und Literatur, in Filmen, auf den Bühne, in Architektur und Musik, in gesellschaftlichen Diskussionen, in Debatten im Netz zeigt. Wichtig ist für uns der kulturzeitgemäße Ansatz, der deutlich sein und der sich in jedem Fall von den politischen Magazinen unterscheiden muss. Es ist die Mischung, die die Qualität der Sendung ausmacht: aus Aktualität, gut aufbereiteten Informationen, originellem Zugang und anspruchsvollen Themen.
Was sind die aktuellen und künftigen Herausforderungen für Kulturzeit?
Wir als Kulturjournalist*innen müssen klar und unmissverständlich zeigen, dass wir auf der Seite der Öffentlichkeit stehen. Dass wir genau zuhören und dass wir verstehen, was sich innerhalb der Gesellschaft abspielt. Wichtig ist zu erklären, was passiert. Wir haben nicht die Aufgabe, unseren Zuschauer*innen zu sagen, was sie denken sollen; vielmehr möchten wir sie zum Nachdenken anregen. Unsere Aufgabe ist es also, darüber zu berichten, warum wir Kultur noch brauchen – warum unsere Zuschauer*innen Kultur zum Leben brauchen.
Die Zuschauer*innen haben heute – im Vergleich zu unseren Anfängen – viel mehr Macht, weil sie die Auswahl haben, weil unsere Medien eben keine Einbahnstraßen mehr sind – und weil Populisten nur allzu gerne dazu aufrufen, aus dem System auszusteigen. Diese Gefahr müssen wir ernst nehmen. Wir müssen unsere Rolle als tägliches Fernseh-Feuilleton behaupten – live und zur besten Sendezeit. Als Einladung an die Zuschauer*innen zur Inspiration und zum Mitdenken – und als Appell für alle:
Kultur muss sein!