Staub als Zeitmaschine

Neue Methode zur Suche nach Frühmenschen

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Autor/in
Michael Stang
Michael Stang
Onlinefassung
Ralf Caspary
Ralf Caspary
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Urzeitforscher sind künftig nicht mehr auf versteinerte Knochenreste angewiesen, sie können Tiere und Frühmenschen jetzt auch anhand von Staubresten nachweisen. Diese neue Methode wurde am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig entwickelt.

Die Methode klingt einfach und sie ist es im Prinzip auch. Genetiker vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben in Sedimentproben aus verschiedenen Höhlen in Europa und Asien Erbgutreste gefunden. Damit können sie nun auch ohne Knochen und Zähne mithilfe der Genetik nachweisen, wer einst in einer Höhle gelebt hat. Demnach binden sich Erbgutreste erstaunlich gut im Sediment und zwar über viele Jahrtausende hinweg.

Erbgut im Boden 

Das im Boden enthaltene Erbgut stammt von Weichteilen, die mit dem Boden in Berührung gekommen sind. Im Labor werden aus den Sedimentproben die noch vorhandenen Erbgutreste gefischt, aufbereitet und dann mit Gendatenbanken abgeglichen. Bei ersten Tests gelang der Nachweis problemlos. In den untersuchten Sedimenten, die zwischen 14.000 und mehr als 550.000 Jahre alt waren, konnten die Wissenschaftler DNA-Spuren von zwölf verschiedenen Säugetierfamilien nachweisen, darunter ausgestorbene Arten wie Wollhaarmammut, Wollnashorn, Höhlenbär und Höhlenhyäne und eben auch menschliche Überreste, vor allem Neandertaler und von den einst in Sibirien lebenden Denisova-Menschen.

Ein Teelöffel reicht

Für die Analyse reicht bereits ein Teelöffel voll Sediment. Untersuchen können die Forscher allerdings meist nur die ringförmige mitochondriale DNA. Diese Kraftwerke der Zellen enthalten zwar nicht viele genetische Informationen, aber es reicht aus, um scharf zwischen Tier- und Menschenarten zu unterscheiden.

Ein vollständiges Genom aus Zellkern-DNA können die Wissenschaftler aus den Sedimentproben nicht erstellen. Ebenso ist es nicht – oder noch nicht - möglich nachzuweisen, wie viele Neandertaler sich in einer Höhle aufhielten, ob es Männer oder Frauen waren und wann sie dort lebten.

Aber es ist die erste große indirekte Nachweismethode – und diese könnte zukünftig ein mächtiges Werkzeug für die Paläogenetik werden. Denn Höhlen, bei denen unklar ist, ob und von wem sie einst bewohnt wurden, gibt es viele. Und daher verwundert es nicht, dass heute bereits Archäologen im übertragenen Sinne vor dem Leipziger Genetik-Labor Schlange stehen in der Hoffnung, dass ihre offenen Fragen vielleicht doch noch beantwortet werden können.