Sechs Säuglinge liegen nebeneinander

Ernährung bei Frühchen

Vanilleduft steigert den Appetit

Stand
Autor/in
Sibylle Kölmel
Julia Nestlen
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Vanille wirkt stimmungsaufhellend und beruhigend. Auch Frühgeborene reagieren auf den Duft – mit Appetit und Gewichtszunahme. Das haben Mediziner am Universitätsklinikum Dresden herausgefunden.

Seit zwei Jahren untersuchen Mediziner in Dresden die Nahrungsaufnahme bei Frühgeborenen. Schon zuvor konnte gezeigt werden, dass frühes Füttern von Muttermilch bestimmte Krankheiten oder Komplikationen verhindern kann. „Wir wollen wissen: wie kann man die Entwicklung und auch die Nahrungsaufnahme optimieren?“, sagt der Arzt Valentin Schriever. Er leitet die Studie in der Kinderklinik des Universitätsklinikums.

150 Frühgeborene nahmen daran teil. Sie alle wurden nach der 27. Schwangerschaftswoche geboren und befanden sich in einem stabilen Zustand. Noch früher geborene Babys müssen meist intensiv medizinisch versorgt werden, bei ihnen stehen zunächst die Stabilisierung des Kreislaufs und die Beatmung im Vordergrund.

Brutkasten mit Pflegerin
Auf der Neugeborenenstation stabilisieren Ärzte Atmung, Kreislauf und Ernährung der Frühchen.

Die Nase ,isst' mit

Die Nahrungsaufnahme läuft auch bei älteren Frühchen noch nicht selbstständig. Da sie noch nicht genug Kraft haben, ausreichend Nahrung aufzunehmen, werden sie über eine Magensonde ernährt. „Durch die Magensonde wird aber das Geruchserlebnis von der Nahrungsaufnahme entkoppelt. Und das wollten wir wieder zusammenführen“, erklärt Valentin Schriever. Denn wer mit einer Magensonde ernährt wird, bekommt von Geschmack und Geruch der Nahrung nichts mit.

Die Nase kann tausende Gerüche unterscheiden. Ob uns etwas schmeckt oder nicht, entscheiden wir vor allem über den Geruch. Deswegen reicht schon ein leckerer Duft aus der Küche, damit uns das Wasser im Mund zusammenläuft. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Menschen mit gedämpftem Geruchssinn – zum Beispiel bei Heuschnupfenpatienten – die Lust am Essen leidet.  

Vanilleduft zu jeder Mahlzeit 

Die Frühchen wurden in drei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe bekam Vanille-, eine Rosengeruch, und eine dritte Gruppe bekam als Kontroll-Gruppe keinen Geruch präsentiert. „Die zwei Gerüche wurden ausgewählt mit der Idee, dass Vanille ein nahrungsassoziierter Geruch ist und Rosenduft nicht mit Nahrung verbunden ist“, erklärt Valentin Schriever. So konnte untersucht werden, ob die Stimulation mit einem beliebigen angenehmen Geruch genauso erfolgreich ist, wie die mit einem nahrhaften.

Vor jeder Mahlzeit wurde den Kindern ein Riechstift mit Geruchsflüssigkeit unter die Nase gehalten. Schwenkten die Krankenschwestern den Stift, wurde der Geruch frei - es duftete nach Vanille.

Vanilleschote
Vanille wird aus den Schoten der Orchideen-Gattung „Vanilla“ gewonnen.

Der simulierte Geruch steigert den Appetit

„Die Reaktionen waren spannend, besonders bei den etwas älteren Frühgeborenen, die auch mehr wach sind. Bei süßlichen Düften haben sie geschmatzt, die Augen aufgemacht - da hat man schon was gemerkt“, berichtet die Kinderkrankenschwester Luisa Scholz. Je nach Reaktion unternahmen die Krankenschwestern einen Fütter-Versuch. Schliefen die Babys weiter, wurden sie über eine Magensonde ernährt. Bei der Gruppe mit Rosenduft hingegen und den Frühchen, denen kein Geruch präsentiert wurde, gab es keine vergleichbaren Redaktionen.

Valentin Schriever und seine Kollegen konnten beobachten, dass Frühgeborene durch die Geruchsstimulation mit Vanille deutlich schneller von der Magensonde entwöhnt, die Trinkmenge schneller gesteigert und die Kinder früher aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten.

Schriever plant nach der Duft-Studie mit Vanille- und Rosenduft weitere Untersuchungen, um den zugrundeliegenden Mechanismus noch besser verstehen zu können: „Es ist die erste größere Studie zu dem Thema. Wir möchten weiter untersuchen, ob sich auch Körpergeruch oder Milchgeruch positiv auf die Nahrungsaufnahme auswirken.“ Längerfristiges Ziel sei es, den festgestellten Effekt dann als Therapie im Stationsalltag einzusetzen. 

Stand
Autor/in
Sibylle Kölmel
Julia Nestlen
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.