Als weithin gefragter Künstler hatte Joseph Haydn zu den Reichen und Mächtigen in ganz Europa regelmäßig Kontakt. Ein musikalisches Zeugnis davon ist das Streichquartett B-Dur op. 50 Nr. 1: Dieses so genannte „Preußische Quartett Nr. 1“ hat zwar wenig von den Tugenden, die gemeinhin mit Preußen verbunden wurden. Stattdessen spielt ein royaler Edelstein zur Entstehungszeit eine gewisse Rolle. Das Marmen Quartet spielte Haydns Werk im Februar 2020 bei den Bruchsaler Schlosskonzerten.
Ein preußisches Geschenk
Joseph Haydns Quartett in B-Dur ist das Kopfstück einer Serie von sechs Quartetten, einer Art musikalischem Paket, wie es zu seiner Zeit in dieser Gattung üblich war. Haydn komponierte die Werke im Jahr 1787 und widmete sie Friedrich Wilhelm II., dem König von Preußen.
Der Neffe Friedrichs des Großen hatte erst ein Jahr zuvor, nach dem Tod seines Onkels, den Thron bestiegen. Weil er ein großer Freund der Künste war, unter anderem selbst Cello spielte, bemühte er sich um Beziehungen zu namhaften Musikern.
Joseph Haydn erhielt vom König in Berlin ein besonderes Geschenk: Für die Übersendung der „Pariser Sinfonien“ übersandte Friedrich Wilhelm II. ihm einen Diamantring im Wert von mehreren Hundert Dukaten. Persönlich übergeben wurde der Ring wohl nicht, stattdessen war dem Geschenk ein opulenter Brief beigefügt, auf den Haydn mindestens so stolz war wie auf den Ring selbst.
Das Schmuckstück war ein wahrer Schatz, den Haydn wie seinen Augapfel hütete. So soll er es sich zur Gewohnheit gemacht haben, den Ring beim Komponieren aufzuziehen. Und er erwiderte seinen Dank, indem er dem König die im selben Jahr begonnene Quartettserie widmete.
Warme und sanfte Klänge
Das wegen dieser Widmung so genannte „Preußische Quartett Nr. 1“ steht in B-Dur, einer für Streicher nicht eben naheliegenden Tonart. Besonders im Vergleich zum strahlenderen C-Dur klingt die Musik einen Ganzton tiefer, aber insgesamt wärmer und sanfter.
„Dolce“ steht auch als Anweisung über dem Hauptthema des Kopfsatzes und findet sich auch an anderen Stellen der Partitur häufiger. Zu seinen musikalischen Kennzeichen zählt der insistierende Basston, über dem sich nicht nur spannungsgeladene Akkorde entwickeln, sondern auch Ketten von bewegten triolischen Läufen.
Der zweite Satz, Adagio non lento, ist liedartig und in Variationen gestaltet. Der Witz des kurzen Scherzos besteht im Abgleiten der Linien, die in allen Instrumenten sowohl melodisch als auch harmonisch eigensinnige Wege gehen. Zum Schluss erklingt ein heiteres, vorwärtstreibendes und federndes Finale.
CD-Tipp Das Chiaroscuro Quartet setzt Haydns Streichquartette in neues Licht
Von seiner besten Seite präsentiert sich das in London beheimatete Chiaroscuro Quartet mit einer Neueinspielung von Joseph Haydns Streichquartetten op. 76 Nr. 1-3. Das Ensemble, das sich der historischen Aufführungspraxis verpflichtet fühlt, lässt es im Forte richtig krachen und hat ein Piano, als spielte es auf einem einzigen Bogenhaar. Es artikuliert so anmutig, filigran und virtuos, dass man den Bogen regelrecht tanzen sieht und hat einen Klang, so leuchtend, licht und klar, dass sich ihn SWR2-Musikredakteurin Dorothea Bossert schöner kaum vorstellen kann.