Meine kleinen Schätze - Geschichten von Migration

Daniel Mutlu: Memory-Spiel

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Autor/in
Daniel Mutlu
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Daniel Mutlu ist Schauspieler am Staatstheater Mainz. Er wurde 1984 in Witten, Deutschland geboren. Er ist Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters. Seine Eltern lernten sich in der Zahnarztpraxis des Vaters kennen, der in den 1970er Jahren aus Ankara nach Deutschland kam. Das Memory-Spiel erinnert ihn an Weihnachten in Deutschland und an türkische Vokabeln. 

Daniel Mutlu
Daniel Mutlu mit seinem „kleinen Schatz“: Das Memory Spiel erinnert ihn an Weihnachten in Deutschland und an türkische Vokabeln. 

Mein Name ist Daniel Mutlu. Ich bin Schauspieler am Staatstheater Mainz. Mutlu, das ist türkisch und heißt so viel wie „glücklich“. Seit nun 37 Jahren versuche ich der Bedeutung meines Nachnamens gerecht zu werden. Die meiste Zeit gelingt mir das.

Verliebt in den Zahnarzt

Mein Vater kam in den 1970er Jahren aus Ankara in der Türkei nach Deutschland. Meine Mutter, die war schon da. Hier in Deutschland. Schon lange. Schon seit ihrer Geburt. Hier angekommen, eröffnete mein Vater bald eine Zahnarztpraxis. Mein Vater war nämlich ein Zahnarzt. Das war er aber auch schon vorher. Bevor er nach Deutschland kam.

Daniel Mutlu mit der Mutter in Ankara
Mit der Mutter in Ankara

Er kann aber nicht nur Zähne ziehen, sondern er kann auch sehr witzig sein. Selbst während des Zähneziehens. So kam es, dass sich meine Mutter während eines Zahnarztbesuchs in meinen Vater verliebte. Sie lernten sich kennen und heirateten. 1984 kam ich dann auch dazu. Wir lebten alle zusammen in einem gelben Haus, das in einer Straße stand, die wie ein Vogel heißt. 1987 zog dann auch meine Schwester ein.

Türkei-Urlaub im Robinson Club 

Daniel Mutlu beim Türkei-Urlaub im Robinson-Club
Daniel Mutlu im Robinson-Club in der Türkei

In den Sommerferien besuchten wir meine Oma in der Türkei. Also, die Mutter meines Vaters. Sie war schon sehr alt und ich noch sehr jung und ich kann mich kaum an sie erinnern. Manchmal flogen wir auch in die Türkei und schlossen uns dann für zwei Wochen in einen Robinson Club ein. Bis heute weiß keiner von uns so genau, warum wir uns jeden Sommer dafür entschieden uns für 2 Wochen in einen Robinson Club einzuschließen. Ich und meine Schwester hatten da aber immer sehr viel Spaß. Dort habe ich auch meine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt. Aber von der Türkei haben wir da nicht viel mitbekommen.

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Wie aus dem blauen Jungen ein blaues Würstchen wurde 

Zu Hause in dem gelben Haus, in der Straße, die wie ein Vogel heißt, hatten wir ein Memory Spiel. Memory, das ist das Spiel, bei man zwei identische Karten aufdecken muss. Die Karten sind mittlerweile ganz abgegriffen und die Farben sind ganz verblichen. Wir haben das Spiel an verregneten Sonntagnachmittagen gespielt und jedes Jahr an Heiligabend, während wir auf das Christkind gewartet haben. Zu Hause hat mein Vater kaum türkisch gesprochen. Nur manchmal am Telefon. Und wenn er gezählt hat. Bir, iki, üç. Auch wenn wir in der Türkei im Robinson Club waren, hat er kaum türkisch gesprochen. Das war aber auch nicht nötig, weil da alle deutsch sprachen. Aber wenn wir Memory spielten, versuchte er uns anhand der einzelnen Karten ein paar türkische Vokabeln beizubringen.

„Da war der blaue Junge. Mavi çocuk. Der, wenn wir es aussprachen, meistens zum blauen Würstchen wurde. Mavi sucuk."

Und der blaue Schrank. Mavi dolap. Leider blieben nur wenige Vokabeln hängen. Die zarten Versuche meines Vaters uns die türkische Sprache beizubringen, waren ohne Erfolg und ich spreche bis heute kein türkisch. Dafür hat mein Vater mir beigebracht, wie man aus dem ersten Stock springt, ohne sich zu verletzen. Das kann ich bis heute.

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Bildergalerie:Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ mit Daniel Mutlu am Staatstheater Mainz (2019)

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